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In der Diskussion um Patriarchat und Sexismus wird meistens über Bildung, Berufswahl und Bezahlung gesprochen. Das ist wichtig, keine Frage. Ich wage mich hier mal weit aus dem Fenster: ich sehe das nicht als das wichtigste Problem. Viel wichtiger wäre es, gefährlichere Diskriminierung zu bekämpfen. Beispielsweise die Gefährdung von Frauen bei Medikamenten, weil Studien überproportional viele Männer enthalten. Die Gefährdung bei Verkehrsunfällen im Auto, weil bei Crashtests Frauen nur als mathematische Größe (80% Männer) errechnet werden und die schwächere Muskulatur im Nackenbereich nicht berücksichtigt wird. Nachteile in der Diagnostik; noch immer kennen viele Notfallmediziner (männlich!) die Symptome bei Herzinfarkten von Frauen nicht.
Mag sein, dass für Dich das ebenfalls Einzelfälle sind. Nur: Ab wann werden Einzelfälle eigentlich zu einem strukturellen Problem?
Was deine Kritik am Design bei Medikamentenstudien angeht, gehe ich mit dir d‘accord.
Da bin ich zufällig vom Fach und kann etwas mehr in die Tiefe gehen.
Der twist ist nämlich: Warum sind Männer in Studien überproportional vertreten?
Hier ist es wichtig zu fragen, welche Menschen an Medikamentenstudien teilnehmen. Das sind keine Altruisten, die die Forschung vorantreiben wollen. Die machen das vorrangig aus einem Grund: sie bekommen Geld dafür. Alle Teilnehmer an so einem Projekt übrigens diesselbe Summe.
Was kann man jetzt also daraus schließen?
Dass Pharma-Firmen gezielt Frauen benachteiligen oder doch eher, dass vorrangig Männer in einer Situation sind, in der sie so dringend Geld benötigen, dass sie an den Studien (die ja duruchaus mal risikoreich sein können) teilnehmen?
Kann es nicht doch sein, dass eher Männer Risikien in Kauf nehmen, um an Geld zu kommen?
In unserer Gesellschaft regelt eben alles der Markt.
Der Konsument bestimmt mit seinem Verhalten und seiner Nachfrage das Angebot.
Was das Beispiel der Verkehrssicherheit angeht:
Das mag so sein. Betrachten wir das Problem weiter, wird abee deutlich: nicht nur Frauen werden dadurch benachteiligt. Sondern auch ältere Personen, Personen, deren Körpergewicht/ größe massiv vom Standard abweicht, usw.
Mithin ist es somit eben keine spezifische Benachteiligung von Frauen…. es wird einfach allgemein nur auf einen Standard abgestellt.
Einfach zu behaupten, Mediziner würden Herzinfakte bei Frauen seltener erkennen…. das finde ich unsachlich. Selbstverständlich wird in der medizinischen Ausbildung auf so etwas eingegangen.
Dass die Symptomatik eine andere ist und fälschlicherweise auch mit Rücken-oder Magenproblemen verwechselt werden kann ist nichts strukturell Diskriminierendes… die Diagnostik ist nur ungleich komplizierter.
Da ist es eher ein Problem, dass statistisch gesehen viel mehr hochbetagte Damen aufgrund der höheren Lebenserwartung alleine leben. Und im Notfall eben Hilfe zu spät kommt.
Es kommt ja auch niemand auf die Idee, die höhere Lebenserwartung von Frauen mit strukturellem Sexismus gegen Männer zu erklären.