Das Problem mit Profilen und Profiltexten
Ich habe diesen Post zuerst im allgemeinen Bereich des Schweiz -Forums gepostet, da fand aber jemand, es würde vielleicht mehr Antworten geben in einer BDSM-Gruppe. Da mir der Schweiz-Bezug wichtig ist, scheint mir das einer der möglichen Diskussionsorte zu sein. Falls es noch bessere Orte gibt - lasst es mich doch wissen! Ich bin noch nicht so der Gruppen-Kenner. So, Verzeihung: Langer Post!
Online-Dating hat ja ein generelles Problem (dazu ein gutes Video von Slavoj Zizek am Ende des Posts)
Wir wollen mit uns mit unserem Profilen allesamt positiv darstellen. Wir sind bestrebt, die besten Fotos von uns auszuwählen, wir geben uns Mühe, in unserer Selbstdarstellung unsere Vorzüge zu betonen und Schwächen herunterzuspielen. In den Augen unserer potenziellen Partner wollen wir möglichst perfekt sein. Wir nehmen also ein Stück weit eine Rolle an.
Warum? Klar: Wir behandeln uns selbst wie Waren im Einkaufszentrum: Die Ware mit den besten angepriesenen Eigenschaften und der schönsten Verpackung wird eher gekauft (sie ist darum die "attraktivste Ware"), als diejenige, die von vornherein "ehrlich" ist und damit Erwartungen tief resp. realistisch hält.
Nicht selten entpuppen sich anscheinend Online-Dating-Partner als komplett anders als erwartet, wenn es zu einem Treffen kommt. Das berichten viele.
Aber eben, kein Wunder: Wir müssen uns ja so gut wie möglich verkaufen. Was hinter einem Profil wirklich steckt, scheint manchmal schwer erkennbar zu sein. Wir kaufen jedes Mal ein bisschen die Katze im Sack.
Dieses eigentlich ja sehr universale Problem führt aber gerade auf Portalen wie Joyclub zu noch mehr Verwirrung, scheint mir.
Ich denke das Problem liegt hier:
Gerade wenn es um BDSM geht, ist mir beim Lesen von Profilen oft null klar, was die Person hinter dem Profil wirklich sagen will. Ich denke, dass zum Teil Rolle und Person in Profilen problematisch verschwimmen:
Für mich ist klar: Ich spreche mit meinem Profil nicht in der Rolle des potenziellen Subs, sondern als Person, die diese Rolle im Spiel gerne annehmen würde.
Bei anderen scheint es aber keinerlei Trennung zwischen Rolle und Person zu geben. Ich hatte vor längerer Zeit Kontakte zu zwei dominanten Frauen, die mit mir von Beginn weg nie als Person sondern immer in ihrer Rolle sprechen wollten. Das heisst: Fordernd, ich hätte keine Wünsche zu äussern, sie seien die Herrinnen etc. Und das obwohl wir nie eine Vereinbarung getroffen haben, was für uns beide jetzt okay ist. Als ich das bei beiden Damen angesprochen hatte - dass ich mir zuerst wünsche, dass wir klären, was wir überhaupt wollen - kam jeweils eine zur Rolle passende harsche Antwort.
Dabei hätte es zum Beispiel gereicht, einfach zu sagen "Hey, ich will eigentlich keine grossen Verhandlungen, sondern nur, dass sich jemand einfach auf mich einlässt und mitspielt". Aber diese Trennung der Ebenen war in beiden Fällen nicht möglich und das finde ich bedenklich.
Vor diesen Fällen bin ich davon ausgegangen, dass alle Personen hier ihr Profil als Rolle ausfüllen und eben nicht als Person - dabei habe ich nicht damit gerechnet, dass es diese Trennung bei manchen Menschen überhaupt nicht gibt.
Seit diesen zwei eher negativen Erlebnissen lese ich alle Profile mit einiger Skepsis. Mir sind schon einige Profile begegnet, bei denen es mir schlicht nicht möglich war, zu unterscheiden, ob hier eine Rolle oder eine Person dargestellt werden soll. Das gilt auch gar nicht nur für Dommes, sondern auch für Subs, es gilt für Männer wie Frauen.
Ich sehe immer wieder Profile von Männern, die ihre Subfantasien so drastisch beschreiben, dass es mir nicht möglich ist, herauszufinden, ob dieser Mann tatsächlich 'so devot' ist oder ob das die Rolle ist, die sich der Mann im Spiel wünscht. Oder Dommes, die harscheste Regeln voraussetzen. Ein Klassiker: "Willst du mir schreiben, musst du dich erst bewerben". Dabei würde zumindest ich doch zuerst schreiben wollen, um herauszufinden, ob ich mich wirklich bewerben will. Ein Profil reicht dafür nie und nimmer, auch bei der optisch tollsten Frau nicht. Ein Profil bildet ja keinen Menschen ab.
Sowieso: Nur weil man eine Fantasie umsetzt, heisst das nicht, dass man nun diese Fantasie ist. Man ist doch nicht einfach "devot" oder "eher devot", sondern es ist ganz vom Kontext abhängig. Selbst der dominante und der devote Part müssen sich irgendwo/irgendwann einmal auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Anders gesagt: Es ist schon bei normalen Datingprofilen schwierig, die Person hinter der Selbstdarstellung einzuschätzen, bei BDSM wird es noch unendlich schwieriger. Es ist, als ob Joyclub gleich zwei Datingprofile aufeinanderklatschen würde: Das "normale Datingprofil" (das ja bereits eine Art Rolle ist) und darauf noch das BDSM-Profil.
Deshalb wundert es mich auch nicht, wenn manche Personen denken, man hätte ihre Profiltexte nicht gelesen (das steht ja nicht in wenigen Profilen) und die andere Person darauf erwidert "Doch!"
Meine Nachricht würde jeweils komplett anders lauten, wenn ich wüsste, dass ich zuerst mit einer Rolle und nicht mit einer Person schreibe. Denn was in einer Rolle als unverhandelbar gilt, kann als Person durchaus Verhandlungssache sein. (Bei mir führt das dazu, dass ich nur sehr wenige Nachrichten schreibe).
Ein gutes Beispiel für diese verschwimmenden Ebenen sind zB. auch dominante Männer, die andere dominante Frauen unterwerfen wollen und nicht auf ihr "Hey, ich bin nicht sub und ich will es auch nicht sein" eingehen, weil sie denken, "ich werde das schon noch schaffen". Sie erkennen dabei nicht, dass sich die Frau längst auf der Verhandlungsebene befindet und nicht als Rolle einer "eigentlich dominanten Frau, die aber sicher dominiert werden will".
Mir scheint es gerade bei BDSM und Sexualität extrem wichtig zu sein, dass es Kommunikation (!) und Einvernehmlichkeit (!!) gibt, die ausserhalb einer Rolle verhandelt wird. Alles andere erscheint mir unsinnig und sogar destruktiv. Ein anderes Rezept als die Profile als Metaebene zu verstehen (oder vielleicht: Profile im Profil?), scheint es nicht zu geben, wenn wir frustfrei miteinander kommunizieren können.
Das scheint mir darum wichtig, weil BDSM-Interessierte mit ihrem Interesse schon oft genug nicht frustfrei darüber in der "normalen Gesellschaft" reden können. Bisschen mehr Versuche zum Verständnis unter Gleichgesinnten? Wenn wir schon im "normalen Leben" Rollen spielen, warum machen wir das hier nicht einfach transparent?
Was denkt ihr darüber?
Hier noch das versprochene Video: