Da ist Hoffnung.
Ich habe lange gesucht. Meine Wunschliste war entsprechend lang und meine Geduld nicht mehr sonderlich ausgeprägt.Drei Jahre lang habe ich den einen gesucht, den Mann, der mich sowohl intellektuell, sexuell als auch emotional begeistert. Der meine Kinks mitträgt und selbst genug perversen Kram im Kopf hat, damit wir uns entdecken können. Der mich vergöttert, ohne zu vergessen, dass ich manchmal nur ein Hascherl mit Depressionen bin, das betüddelt werden will. Der tut, was ich will, ohne ständig vor Ehrfurcht erstarrt auf Anweisungen zu warten und mikroorganisiert werden will. Jemand, der bleibt, auch wenn es hakelt und schwierig wird. Jemand, der lieben kann und gerne übers Knie gelegt wird. Ein Mann halt, mit hartem Schwanz und weichem Herz.
So ganz doll begeistert war ich erstmal nicht von dem, was ich fand. Es gab viele Pluspunkte: In meinem Alter, gut aussehend, pervers, sexuell aufgeschlossen, klug, lustig und mit genügend Freizeit, eine Beziehung aufzubauen. Und er war bereit, das mit der Polyamorie auszuprobieren, obwohl er keine Ahnung hatte, was da auf ihn zukommt.
Aber: Sein Wunsch, kontrolliert zu werden, lag eher so im Minusbereich und das bezog sexuelle Handlungen an sich selbst mit ein. Alles, was ich bisher mit devoten Männern an D/s ausgelebt hatte, war ihm fremd und suspekt. (Wenigstens war er weitaus mehr maso als er dachte.)
Das war nicht leicht. Ich hatte oft Zweifel, ebenso wie er. Es gab ne Menge Tränen und Missverständnisse.
Aber er war so erholsam nach all diesen manipulativen und ich-bezogenen Männern, die sich ‚subs‘ nannten. Da gab es keinerlei Versuche, über Diensteifrigkeit Sessions zu erbetteln. Er war von sich aus darauf bedacht, mir gut zu tun. Er wollte tatsächlich auch einfach so mit mir zusammen sein und kuscheln, ohne jegliches Spielen, Dominieren und Gehabe - was ich erstmal überhaupt nicht annehmen konnte.
Ich musste erstmal lernen, sein absolutes Wohlwollen anzuerkennen, denn er erwartete tatsächlich nichts von mir, außer, dass es mir mit ihm gut geht. Beim Sex war er völlig auf mich fokussiert und ich konnte mich endlich tatsächlich darauf einlassen, verwöhnt zu werden - ganz ohne, dass ich irgendwelche Eiertänze aufführen musste, damit er nicht gegen seine Submission arbeiten musste. Ich konnte einfach sagen, wie ich es am Liebsten habe und er bemühte sich, mich glücklich zu machen.
Ich habe lange gebraucht, zu verstehen, dass es bei ihm keine Regeln braucht, dass er sie nicht braucht, dass ich sie nicht brauche - er ist von sich aus so. Regeln irritieren ihn eher. Ich war mir unsicher, wie ich ihn führen kann, bis mir klar wurde, dass ich einfach vorgehen muss, er folgt von selbst, aus sich heraus und nicht, weil ich ihn dränge oder manipuliere oder er geil sein muss.
Wir sind jetzt über vier Monate zusammen und hatten einen ziemlich unruhigen Start. Sich aufeinander einzuspielen, war nicht leicht und hat von uns beiden ziemlich viel Geduld und Selbstreflexion gebraucht. Manchmal knirscht es immer noch, weil wir einander nicht verstehen und alte Erfahrungen uns weismachen wollen, wie eine Situation zu interpretieren ist.
Aber wir lassen einander nicht los, denn wir sind immer noch überrascht von den irrsinnigen Glücksgefühlen, dir wir einander schenken können. Da ist so viel Verständnis und Dankbarkeit, dass wir so sein können, wie wir sind. Mitsamt Depressionen, Unsicherheiten und Schwierigkeiten, sich mitzuteilen. Gehört alles dazu.
Es gibt diesen Mann, diese Frau, die ihr sucht. Möglicherweise muss man sich arrangieren und die Beziehung etwas anders gestalten, als man sich es in seinen Träumen vorgestellt hat. Aber deshalb sind das ja Träume, da ist alles butterweich und fluffig und voller Glitzerstaub. Die Realität ist um so vieles besser, wenn vielleicht auch ein wenig anders.
Da ist Hoffnung.