Smalltalk, Kennenlernen, Flirten - face to face und im Joy
Smalltalk - Reden über gar nichts. In Profilen oder im Forum liest man immer wieder, dass die Leute nicht auf Smalltalk stehen, dass Smalltalk zu oberflächlich sei. Dabei ist ohne Smalltalk gar kein richtiges Gespräch und Kennen lernen möglich.
Im Internet gibt es haufenweise Anleitungen wie man Smalltalk führt. Manche sind ganz gut, andere eher so mittel. Die wenigsten erwähnen den Punkt, dass Smalltalk nur eine einzige Absicht verfolgt: nämlich ein Gespräch um des Gespräches willen. Auch wenn es auf Englisch ist, hilft Data in dem obigen Video wunderbar Smalltalk zu verstehen. Es geht nicht darum eine bestimmte Person kennen zu lernen oder gar mit ihr zu flirten. Es geht hier also eher darum, auf einem Neujahrsempfang nicht hilflos in der Ecke zu stehen und sich am Sektglas festzuhalten.
Wie wird solch ein Smalltalk erreicht?
Es gibt mehr oder wenige einige Grundtechniken: Anekdotisch, offensichtlich, tratschend. Anekdotisch funktioniert so, dass unnötiges Wissen oder ein absolut belangloser Ablauf als Gesprächsgrundlage herhalten muss. Zum Beispiel, dass man Lachshäppchen wollte, die aber ausgegangen sind oder dass man an der Garderobe irgendwas erlebt hat. Kurz und unwichtig. Es sollte aber irgendeinen Bezug zu dem Ereignis haben, bei dem man sich trifft. Das ist der Grund, warum Wetter so oft funktioniert. Wenn es auf dem Weg zur Party geregnet hat, kann man darüber reden, dass man nass geworden ist. Nachbarn können darüber reden, dass durch den ständigen Wechsel zwischen Sonne und Regen die Notwendigkeit den Rasen zu mähen steigt.
Offensichtliche Gesprächseröffnung funktioniert so, dass man etwas als Gesprächsthema nimmt, dass man gerade gemeinsam erlebt hat. Man ist eingeladen worden von Person A. Also kann man darüber reden wie man zu Person A steht. Man kann darüber reden, dass zu wenige Stühe da sind, um sich auszuruhen. Man kann sich über die gespielte Musik unterhalten. Alles Dinge die gerade passieren. Sicher, hier gibt es Überschneidungen. Der Unterschied ist hier, dass bei dem Anekdotischen der Gesprächspartner durch eine Geschichte, die er selbst nicht erlebt hat, eingeladen wird, das Gespräch zu führen. Bei dem anderen wird etwas gerade vor beider Augen passierendes als Thema verwendet.
Große Unterschiede im Gespräch danach gibt es nicht. Anders ist dies bei der Verwendung von Gerüchten. Denn dies ist auf der einen Seite deutlich schwieriger zu starten, aber viel leichter am Laufen zu halten, wenn man den richtigen Nerv getroffen hat. Gerüchte sollten sich also nicht um Personen oder deren Verhalten drehen, sondern dass man zum Beispiel gehört hat, es solle heute noch eine Überraschung geben. Natürlich sollte man wirklich ein Gerücht gehört haben. Ist aber, wenn man Smalltalk betreibt sehr wahrscheinlich, vorher etwas aufgeschnappt zu haben.
Smalltalk ist da die erste Form des Socializen.
Völlig unverbindlich. Die Gespräche können jederzeit unterbrochen werden und wieder aufgenommen werden. Um ein Gespräch am Köcheln zu halten braucht es zwei Techniken. Erstens: aktives Zuhören. Zweitens: Assoziationsbingo. Man hört dem gegenüber zu und nimmt irgend etwas von dem was der andere sagt auf und assiziiert es mit etwas neuem. Das ist wirklich alles. Hinzukommt der Tipp immer Fragen zu stellen und immer offene Fragen zu stellen.
Ich habe den Gastgeber im Kindergarten kennen gelernt. Variante geschlossene Entscheidungsfrage: Kennst Du den Gastgeber auch schon lange? Variante offen: Erzähl doch mal, woher kennt Du ihn?
Wie wird aus Smalltalk mehr?
Wenn ich nicht einfach nur in der Ecke stehen will, ist Smalltalk großartig. Wenn ich aber wirklich jemanden Kennenlernen will, ist er sogar hinderlich. Denn die Unverbindlichkeit und Oberflächlichkeit funktionieren nur bei Personen, die ein starkes und dringendes Mitteilungsbedürfnis haben. Wie die ältere einsame Dame, die einem gleich die gesamte Lebensgeschichte erzählt, nachdem man nur kurz freundlich war. Oder der Chef, der sich nun mal gerne reden hört und bei dem man sich so leicht einschleimen kann.
Wie kommt man aber vom Smalltalk als Gesprächseröffnung zum Kennenlernen?
Eigentlich gar nicht. Denn Smalltalk legt eine zwar positive Stimmung an, aber er geht nie in die Tiefe. Könnte ja etwas hervorrufen, was man gar nicht beabsichtigt. Kennenlernen ist anders. Hier eröffnet man das Gespräch zwar auch über anekdotisches oder offensichtliches, aber man bietet dazu eigene Gefühle an. Sprich, wie etwas bei mir ankommt und wie ich mich bei etwas gefühlt habe. Man läd den anderen dann ein, auch seine Haltung ung Gefühle dazu zu äußern. Sowas versucht man beim Smalltalk eigentlich komplett zu vermeiden. Beim Kennenlernen nicht. Da probiert man Stück für Stück durch das Zeigen der eigenen Persönlichkeit den anderen einzuladen auch seine zu zeigen. Auch hier ist aktives Zuhören sehr wichtig. Das ganze gelingt, wenn man auf die Offenbarungen des anderen möglichst empatisch und Gemeinsamkeiten suchend eingeht.
Und wie wird jetzt aus all dem ein Flirt?
Durch eine weitere Ebene. Komplimente sind auch im Smalltalk und beim Kennenlernen gut eingesetzt. Hier aber wird jetzt erotisches Interesse mit in das Gespräch eingeflochten. Augenkontakt. Das Suchen körperlicher Nähe. Alles noch immer völlig unverbindlich.
Ich versuche es an einem Beispiel mit Körperkontakt zu erklären. Beim Smalltalk gibt es auch Körperkontakt. Er wird deutlich und vollkommen Unverfänglich ausgeführt: ein Schulterklopfen, ein entschuldigender Griff an den Arm oder das klassische Händeschütteln. Beim Flirt werden die sozialen Normen dahingehend aufgebrochen. Der Augenkontakt wird länger gehalten. Es wird verschämt weggeguckt. Die Berührungen sind kleiner und weicher. Ein Streicheln über die Schulter. Ein langsames trotzdem völlig offenkundiges Reduzieren der Distanz zwischen den Händen. Berührungen mit den Fingerspitzen. Da sind wir jetzt sehr in der Körpersprache.
Im Verbalen werden die Aussagen zweideutiger und persönlicher. Dabei geht es weniger darum die Schicksalsschläge des eigenen Lebens zu offenbaren, sondern das eigene Gefühl auszudrücken. Und zwar bezüglich des Flirtpartners. Dass man nervös ist. Das es einem gut geht. Sowas. Ganz subtil und manchmal zweideutig. Eine weitere Möglichkeit ist es den anderen zu necken. Das ist aber schwierig, erst recht, wenn man das in seiner Jugend nicht oft gemacht hat oder es lange her ist. Denn necken sollte nie gemein sein und das ist schwierig.
So das hat jetzt aber überhaupt nicht geholfen. Denn wir sind ja im Joy. Körpersprache gibt es nicht. Körperliche Nähe schon gar nicht. Wie mache ich das hier?
Mit Sprache. Mir ist total klar, dass das echt nicht so einfach ist. Aber die Prinzipiel sind das gleiche. Man nehme etwas, das beide gerade Erleben. Zum Beispiel die Aussagen von Personen in einem Forenthread, in dem beide gepostet haben. Oder man erzählt ein eigenes Erlebnis zu einem Thema, zu dem der andere in einer Gruppe etwas geschrieben hat. Das sind die einfachsten Starter. Vor allem weil hier Sprache auf Sprache trifft.
Aber das geht mit Bildern genauso. Nehmen wir an, da hat ein jemand ein Outdoor-Foto aus dem Wald gepostet. Dann kann man das Gespräch versuchen damit zu eröffnen, ob der Waldboden nicht gepiekt hat, oder man erzählt die Anekdote, wie sich die Tannennadeln unter den eigenen Füßen angefühlt haben, als man was ähnliches gemacht hat. Man schafft eine gemeinsame unverfängliche Gesprächsgrundlage.
Das Gespräch oder den sich entspannenden Chat hält man hier noch zwingender mit offenen Fragen am Laufen. Chats sind hier auch viel entschleunigter. Das hilft es Wortspiele oder Zweideutigkeiten einzuflechten. Tödlich sind Fragen, wie:
• Was machst du gerade?
Offenbarungseid, dass man nicht mal eine Gemeinsamkeit gefunden hat, auf die man sich beziehen kann.
• Und, bei dir alles in Ordnung?
Das ist sogar eine geschlossene Frage. Aber was soll der andere darauf antworten? Ficken?
Aufmerksamkeit ist hier auch wichtig. Aber während aktives Zuhören viel schwieriger ist, da es auch viel schneller passiert und all unsere Sinne beschäftigt, ist das aufmerksame Lesen viel leichter. Wenn man nun auf die Fragen und Erzählungen des Gegenüber eingeht. Ein wenig von sich selbst zeigt und durch Fragen das Interesse am anderen bekundet, gelingt zumindest das Kennenlernen. Der Flirt ist schwieriger. Hier wird dann Humor, ein wenig Provokation und vor allem souveräne Mehrdeutigkeit benötigt. Aber das kann man ja immer mal wieder testen. Man hat ja Zeit sich die richtigen Worte im Chat zurecht zu legen. Das geht im Café oder dem Club nicht. Die Textform hat also nicht nur Nachteile.