Wow
Kann 90% der Diskutierenden hier wärmstens die Teilnahme an einer Debattiergruppe empfehlen.
Dort diskutiert man sehr sachlich und greift niemanden persönlich an. Es geht auch darum, dem anderen zuzuhören und man ist tatsächlich neugiereig, welche Argumente die andere Seite bringt, denn vielleicht sind diese doch überzeugender als die eigenen oder man selbst hat einen wichtigen Punkt in der Argumentationsführung vergessen und wird darauf hingewiesen, was man dankbar anzunehmen lernt. Und wenn man am Abend nicht auf einen Konsens kommt, hey, kein Problem, ich denke so, und du denkst so, lass jetzt trotzdem endlich ein Bier trinken gehen.
Eine schöne Erfahrung dort ist auch, dass man bemerkt, wie wichtig man die eigene Meinung nimmt. Man glaubt, wenn man sie ganz oft wiederholt oder laut schreit oder 3/4 der Zuhörer Beifall klatschen, man sei im Recht. Aber heisst die Mehrheit auf der eigenen Seite zu haben, dass man richtig liegt? Dass wir bei dieser Frage etwas differenzierter und umsichtiger nachdenken sollten sehen wir sicher anhand der gewählten Abgeordneten im Bundestag. Oder an Kriegen, die auf Grund der Rage eines ganzen Volkes stattfinden.
Wir bleiben im Bundestag. Dort greifen sich Politiker tatsächlich ziemlich polemisch und unsachlich an und werden dabei richtig persönlich. Sie werfen dem Gegner Unzulänglichkeit und Lügen vor. Und wenn der ganze Spuk vorbei ist, dann gehen beide Kontrahenten gemeinsam in die Bundestagskantine und plaudern nett bei Canapés und Beluga Kaviar Häppchen. Die beiden kennen sich gar nicht besonders gut und wissen, dass das ein Spiel ist und der Job sowas mit sich bringt. Deshalb nehmen beide es nicht persönlich, weil der ein den anderen gar nicht charakterlich zu beurteilen mag auf Grund der doch recht grossen Anonymität.
Wenn Politiker etwas beherrschen, dann ist es debattieren und abstrahieren, das ist Handwerkszeug. Gelassenheit trotz Beschimpfungen, Vorwürfen und öffentlichen Anfeindungen. Sie müssen sich schützen.
Nun haben wir einen niegelnagelneuen Aussenminister. Wir spinnen jetzt einfach mal rum und stellen uns vor, der Aussenminister steht auf ziemlich herbes Analfisten.
Nun schickt ein Ex-Freund des frisch gebackenen Spitzenpolitikers ein intimes Video aus wilder Vergangenheit der beiden an ein Boulevardblatt, die dann explizite Bilder daraus veröffentlichen.
Wir wären emport. Ohjeh, so jemand soll uns im Ausland repräsentieren, wie soll sich der sympathische neue US-Präsident denn auf Politik konzentrieren, wenn er die ganze Zeit an das Bild mit dem Fuss im Hintern des Aussenministers denken muss. Und denkt der Präsident dann nicht, "wenn der so ist, dann ist das ganze Volk bestimmt keinen Deut anständiger"?!
Das, und genau das ist sooooo unendlich traurig, dass ich mich selbst ein bisschen schäme. Denn ich würde wahrscheinlich erst einmal ähnlich denken. Unglücklicherweise lenkt es von den eigentlichen Fähigkeiten einer Person ab und reduziert sie auf eine bestimmte, eher ungewöhnliche sexuelle Neigung. Eine sehr verletzliche Stelle, bei der man sozusagen die Fünf-Finger-Pressur-Herz Explosionstechnik ansetzen würde
Das ist so schade und es passiert jeden Tag wieder. Wir urteilen (ich auch!) über Menschen auf Grund von atomaren Wissensbruchteilen, die wir aus ihrer Biografie kennen, ohne den ganzen Menschen betrachten zu wollen, das interessiert uns überhaupt nicht.
Der Idealismus, zu fordern, dass man Menschen nicht lediglich auf Grund ihrer sexuellen Ausrichtung beurteilt, ist ein kleiner Hoffnungsschimmer, den wir uns früher oder später alle herbeiwünschen werden. Dann schmunzeln wir ggf. innerlich über den Polizisten, weil wir uns an daran erinnern, wie er in Damenkleidung posiert, aber wir verstehen, aktuell ist er in seiner Rolle als exekutiver Vertreter und wir ziehen auf jeden Fall den kürzeren, wenn wir jetzt rummucken oder frech werden. Denn wie soll so ein Gespräch verlaufen? "Sie sind über eine rote Ampel gefahren!" - "Na und!? Du trägst Frauenklamotten und holst dir darauf einen runter"
Iwo, nein, wär ja total gaga! Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Natürlich hat der Polizist das Recht seine sexuellen Bedürfnisse auszuleben. Er tut ja keinem was. Und noch während wir innerlich weiter über das Bild in unserem Kopf schmunzeln dämmert uns, in welchem Zwiespalt der Polizist stecken muss und welche Angst wir ggf. hätten, selbst in solch eine anscheinend ausweglose Lage zu geraten. Ausgelacht von Kollegen, familiär und sozial geächtet, Depressionen, Einsamkeit. Sowas nennt man wohl Mitgefühl.
Warum wird Homosexualität im Profi-Fussball so diskriminiert? Warum raten Experten den Prominenten auf keinen Fall damit an die Öffentlichkeit zu gehen? Bei den Kicker-Mädels sind Lesben herzlich willkommen, das ist okay oder egal. Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Dramatisch, nicht wahr?
Ich wünsche uns allen, dass wir uns hüten Parameter, wie Kausalität und Stereotypie zur Beurteilung von Menschen anzuwenden. Selbst Psychologen überdenken heutzutage dieses Verfahren, weil sie sich einfach allzu oft irren und Ausnahmen die Regel werden.
Welche Begriffe gehen Euch auf die Nerven, welche Formulierungen sind für Euch ein NoGo und vor allem - warum? Was denkt Ihr...???
Der Threaderöffner fragt nach unseren Meinungen. Und alle dürfen ihre Meinung dazu äussern, egal wie kontrovers. Weltverbesserung und Idealismus hat er wohl nicht erwartet, weil nicht gefragt. Wir versuchens aber trotzdem immer wieder und weichen vom eigentlichen Thema ab. Und genau das ist das einzige, was an dieser Diskussion positiv hervozuheben ist. Auch wenns auf Kosten eurer Nerven geht
Chin-Chin,
Minou