Keinen Kontakt mehr zur Familie
Guten Abend,Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Also zunächst einmal: ich hatte noch nie ein gutes Verhältnis zu meiner Familie (das sind meine Eltern und meine beiden Schwestern). Deswegen bin ich vor vielen Jahren auch direkt nach dem Abitur zu meinem damaligen Partner nach Ostdeutschland „abgehauen“.
In dieser Familie liefen viele Dinge schief und ich habe heute deswegen ein ordentliches Päckchen zu tragen. Angefangen von psychosomatischen Erkrankungen über Depressionen, einem mangelnden Selbstbewusstsein bis hin zu Angstattacken. Auch nachdem ich weg war, wurden die Dinge, die alles schiefgelaufen sind, eher totgeschwiegen. Parallel dazu habe ich Therapie gemacht und das alles versucht aufzuarbeiten. Während dieser Zeit war das Verhältnis Zu meiner Familie solala. Am Anfang war ich noch etwa einmal im Jahr für eine Woche dort zu Besuch (sind etwa 500 km), später dann seltener. Telefonate gab es unregelmäßig.
Vor sechseinhalb Jahren habe ich meinen jetzigen Mann kennen gelernt. Am Anfang haben wir noch versucht, wieder einen besseren Kontakt zu meiner Familie zu kriegen. Aber immer, wenn wir dort zu Besuch waren, wurden wir mit einer Herzenskälte empfangen, die nicht mehr normal ist. Dadurch war es für uns immer Stress, die Familie zu besuchen, weswegen wir es dann seit 1,5 Jahren eingestellt haben.
Nun haben wir im Juni diesen Jahres geheiratet und auch meine Familie eingeladen. Mein Neurologe und mein Therapeut meinten schon, ich solle aufpassen, dass ich mich von ihnen nicht runterziehen lasse und fragten auch, ob ich denke, dass diese Entscheidung gut durchdacht sei. Ich bin so aber schon immer traurig, dass ich keine richtige Familie habe und eine Hochzeit ohne Eltern und Schwestern, ich glaube, da hätte ich den Tag nicht genießen können. Doch anstatt sich für uns zu freuen, waren meine Eltern schon vor der Hochzeit am Telefon immer desinteressiert – ganz im Gegensatz zu meinen Schwiegereltern. Und bei der Hochzeit haben sie sich total seltsam verhalten – mit niemandem geredet, auch nicht mit meinen Schwiegereltern, die sie bis dato noch nie gesehen hatten und nicht kannten. Sie haben sich komplett abgekapselt, waren oft in ihrem Hotelzimmer oben (haben in einem Hotel gefeiert).
Im September ist dann meine Oma verstorben. Sie hatte Demenz und wir hatten sie in einer Hauruck – Aktion im August besucht, weil es nicht gut um sie stand. Nach einer fünfstündigen Fahrt haben wir bei meinen Eltern nicht mal wirklich was zu essen bekommen. Sind dann schnell ins Pflegeheim gefahren, auch danach wurde nicht wirklich darauf geachtet, dass wir irgendwo was richtiges zu essen kriegen und dann sind wir wieder 5 Stunden nach Hause gefahren. Am nächsten Tag mussten wir arbeiten. Ich habe das für meine Oma gerne gemacht, auch wenn wir jetzt kein Mega gutes Verhältnis hatten. Klar war man als Kind oft bei ihr, aber als ich erwachsen war, kam von ihr gar kein Interesse mehr.
Wie gesagt, ist sie im September verstorben und wurde dann im Oktober in einer Urne beigesetzt. Ich hatte die ganze Zeit schon gesagt, dass sie mir bitte Bescheid geben sollen, sobald sie wissen, wann die Beisetzung ist, damit wir auch da sein können. Außerdem hatte ich gesagt, dass es wegen der Arbeit schlecht ist, wenn es mitten in der Woche wäre. Vier Tage vorher erfahren wir dann, dass es an einem Mittwoch ist. Wir haben dann gesagt, dass wir leider nicht kommen können und sie bitte ein Gesteck für uns mitbesorgen sollen. Das haben sie auch getan, allerdings durften wir gar nichts mitentscheiden und danach haben wir nichts mehr von ihnen gehört. Meine Schwester hingegen hat mich beschimpft dass ich Nichtstun denken brauche ein Gesteck rechtfertige dass wir nicht zur Beisetzung kommen. Dabei sollten alle wissen dass ich selbst kein Auto fahren kann. Mein Mann bekommt nicht ohne weiteres frei und alleine mit dem Zug wollte ich nicht hin. Ich hätte dort in dem unherzlichen Umfeld übernachten müssen. Noch dazu habe ich 2 chronische Krankheiten, deren Symptome sich bei Stress verschlechtern.
Ich habe dann die Tage nach der Beerdigung immer versucht anzurufen, aber niemanden erreicht. Auch Fotos vom Gesteck oder der Trauerfeier habe ich nicht erhalten. Am vierten Tag ist meine Mutter dann rangegangen. Doch anstatt mir zu sagen, wie die Beerdigung war, hat sie mir nur vorwürfe gemacht, wie schlimm es doch sei, dass ich nicht da gewesen war, wie pietätlos ich sei, mich nicht von der Oma zu verabschieden, die immer für mich da gewesen sei. Sie hätte bis zuletzt gedacht ich würde noch kommen. Dann hat sie noch viele andere Sachen rausgehauen. unter anderem, dass sie mich hier in den ganzen zehn Jahren nur zweimal besucht haben, weil es immer so teuer gewesen sei (haben kein Gästezimmer und sie mussten dann eine Nacht in einem Hostel verbringen). Und noch lauter so Kleinigkeiten.
Das ganze hat mich so verletzt und mitgenommen, dass ich am Telefon vollkommen aufgelöst war und geheult habe. Da hat sie aber nicht aufgehört und nur noch weiter gemacht. Ich habe dann auch ein paar Takte gesagt und zum Schluss meinte sie, dass wir das mit dem Kontakt lassen und den einstellen.
Das ist jetzt knapp 1,5 Monate her und es tut noch immer weh. Klar waren sie nie die Eltern, die man sich wünscht. Doch gerade weil ich die ganzen Jahre versucht habe, den Kontakt trotz der vielen Dinge, die von ihrer Seite aus absolut unter der Gürtellinie waren, zu halten, verletzt mich das sehr. Und gerade jetzt, wo die Vorweihnachtszeit ist, schmerzt es mich und ich bin oft traurig.
Ich musste das alles einfach mal loswerden. Träume auch jede Nacht total schlecht, obwohl ich versuche, mir tagsüber keine Gedanken zu machen. Muss dazu sagen dass ich sehr empathisch und sensibel bin. Daran will ich mit meiner neuen Therapeutin auch arbeiten. Aber auf meine Träume habe ich leider keinen Einfluss. Ich möchte auch bald wieder Therapie machen und habe schon einen Platz im Januar. Aber vielleicht habt ihr ja noch einen Tipp, wie ich mit der Situation umgehen kann?
Danke an alle, die bis hierhin durchgehalten haben.