Zu Anfangszeiten des Internet.
Als noch nicht gechattet wurde, ergab es sich so, dass ich E-Mail, also Brieffreundschaften gepflegt habe. Aus meiner persönlichen Situation heraus hatte ich meist zwei bis drei Kontakte, mit denen ich mich regelmäßig geschrieben habe. So kamen in ca. 3 Jahren rund 2000 mehr, bis zu 5 Seiten oder weniger lange Briefe insgesamt zusammen.
Ich hatte einen Kontakt nach China, einen nach Indien, zwei nach Amerika, einen Venezuela, einen Australien und jede Menge in Deutschland. Aus der Zeit übrig geblieben sind drei, vier und meine jetzige Frau, mit der ich nun schon 18 Jahre insgesamt in Kontakt bin und die mit mir inzwischen auch verheiratet ist. Meine Kontakte waren im Alter von 18 bis 72 Jahren.
Vorteil von Briefkontakten ist eindeutig:
Er kann anonym sein. Was bei mir auch 95 % waren. Dies hat den Vorteil, dass man ohne Angst vor Gesichtsverlust sein Herz öffnen kann.
Man hat Zeit zu antworten. Kann also den Brief noch einmal lesen und setzen lassen, um genau das zu sagen, was man sagen will. Auch hat man Zeit sich die Probleme und Fragen des anderen durch den Kopf gehen zu lassen. Zudem lernt man das Schreiben und Formulieren, Präzise zu sein in seinen Aussagen um Missverständnisse zu vermeiden und die Wortwörtlichkeiten von Begriffen einzusetzen.
Ein wichtiger Lernvorgang war das Trennen lernen von Sach- und Emotionsthemen. Verletzungsfrei zu antworten, denn Beleidigungen und Anfeindungen beendeten den Kontakt.
Ich möchte die Zeit nicht missen. Ja ich bedauere, dass sie mit der Möglichkeit zu Chatten dann doch zu Ende ging. Die vermeintlichen Vorteile des Chatten, nämlich sofort eine Antwort zu haben, wiegen in meinen Augen die Nachteile des banalen Emoji-Geschwafels (bis95 %) leider nicht auf.
Ob Brieffreundschaften nun unter den Titel Freundschaft fallen können? Nun es kommt drauf an, was beide draus machen.