Urvertrauen----Selbstwert
Urvertrauen entwickelt sich im Kind durch die verlässliche, durchgehaltene, liebende und sorgende Zuwendung der Eltern (Mutter, Vater, Dauerpflegeperson allgemein). Es ist die Grundlage für:
*Vertrauen in sich selbst, Selbstwertgefühl, Liebesfähigkeit ("Ich bin es wert, geliebt zu werden". "Ich fühle mich geborgen")
*Vertrauen in andere, Partnerschaft, Solidarität ("Ich vertraue Dir", "Ich liebe Dich", "Ich fühle mich verstanden und angenommen")
*Vertrauen in das Ganze, die Welt ("Es lohnt sich zu leben")
Dieser Anspruch der verlässlichen, durchgehaltenen, liebenden und sorgenden Zuwendung der Eltern, wer von uns hat ihn zur Gänze erhalten? Ich glaube niemand und ich glaube auch dass niemand von uns Eltern diesen Anspruch erfüllen wird können.
Ist das ein Grund zu verzweifeln? Nein!
Ein kleines Beispiel aus meiner Kindheit:
Da stehe ich nun, ein kleiner, Rotz und Wasser heulender, fünf jähriger Knabe. Spindeldürr, klein von Wuchs, allein in einer großen Bahnhofshalle, die ich zwar Tags zuvor vom Vater erstmalig gezeigt bekommen habe, mir aber trotzdem absolut fremd ist und mir Angst macht.
Mein Vater hat mich damals, aus seiner Sicht, zwingenden beruflichen Gründen in der Bahnhofsmission des Grazer Hauptbahnhofes in die Obhut einer kirchlichen Schwester gegeben. Ich sollte am nächsten Tag mit einem Sonderzug in ein Erholungsheim für Bronchitis erkrankte Kinder reisen. Nach einer fast schlaflosen vor Aufregung verbrachten Nacht, landete ich, an den genauen Hergang kann ich mich nicht mehr erinnern, alleine in besagter Bahnhofshalle. Ich wurde zwar nach geraumer Zeit von den Sonderzugbegleitern entdeckt und sicher in den Zug verfrachtet, aber dieser Schock saß sehr tief in meiner kindlichen Seele.
Am Zielort angekommen lebte ich mich relativ schnell in die neue Umgebung ein. Lernte neue Freunde kennen, spielte viel und hatte meinen Spaß mit ihnen. Nach zwei Monaten kehrte ich etwas gesünder zu meinen Eltern zurück. Diese Sommer Erholungsreisen setzten sich nun fünf Jahre hindurch fort. Am Schluss war ich körperlich absolut genesen, trug aber innerlich einen riesigen Berg an Verlassenheitsängsten mit mir. Mein Urvertrauen war ziemlich beschädigt.
Aber ich habe auch vieles gelernt. Durch mein heiteres, sonniges Wesen, von meinen Großeltern wurde ich deshalb „GOLDBUB“ genannt, machte ich immer wieder die Erfahrung, dass ich auch alleine auf mich gestellt, neue Freunde finden konnte und von anderen Menschen auch angenommen und geliebt werde. Schritt für Schritt heilte so auch mein Urvertrauen.
Außer dieser erschütternden Erfahrung in der Bahnhofshalle, erlebte ich eine sehr liebevolle Kindheit. Meine Eltern, vor allem meine warmherzige Mutter, umhüllten mich mit dem Gefühl der Geborgenheit, ließen mir aber genug Freiraum mein ich zu entwickeln.
Aber dieses beschädigte Urvertrauen begleitete mich lange Zeit, bis in mein erwachsenen Alter.
Mit Hilfe von verstehenden, freimütigen, weitherzigen Menschen, lernte ich mein Selbstwertgefühl anzureichern. Daraus habe ich gelernt, dass Liebe die beste Medizin für ein lebenswertes Dasein ist. Und Liebe bedeutet für mich nicht nur verzeihen können, sondern mit Feingefühl der Wahrheit auf der Spur sein. Nichts ist erquickender für mich als ehrlichen Menschen zu begegnen.
Lg Michael