Wohnprojekt – Ein Haus um Altwerden
Ich bin am Land aufgewachsen. Da ich relativ jung chronisch erkrankte, mit körperlichen Beeinträchtigungen rechnen musste und zudem in der Stadt studierte, kam für uns wegen der Mobilität nur ein Stadtleben in Frage.
So wohnten wir zwei Mal zehn Jahre in einem Hochhaus der Wohnsilozentren der Stadt. Weit genug am Stadtrande um in ein paar Minuten in den Feldern der Landwirtschaftsschule und den Wäldern und Teichen eines Naherholungsbereiches und nahe genug, um in zehn Minuten im Stadtzentrum zu sein. Wir haben vier Buslinien, die im 6-10 Minuten Takt fahren.
Als unser Kind gerade zu krabbeln begann kauften wir einen unbebauten Baugrund in ruhiger Seitengassenlage, nur 300 m von der Wohnung entfernt in einer kleineren Einfamilienhaussiedlung.
Da überkam meine Mutter das Bedürfnis ihren Enkelsohn öfter sehen zu wollen und plötzlich wohnte sie bei uns. Da uns alle Elternteile gleich lieb sind, überkam der gleiche Wunsch auch den Opa und zwei Zimmer waren fix besetzt.
Den Oldies bereitete es viel Freude vormittags zu shoppen, um 12 Uhr mittags pünktlich bei mir dreigängig zu essen und danach wieder ihren eigenen Interessen bis zum warmen Abendessen zu fröhnen. Ich hatte in der Zwischenzeit wunderbar Zeit aufzuräumen, den Abwasch zu erledigen, einzukaufen und wieder zu kochen.
Manchmal wollten wir abends weggehen und unser Baby in Obhut daheim wissen, doch es hieß: „Der Abend gehört der Familie! Die Eltern gehören zum Kind!“ und wenn wir uns zu zweit zurückziehen wollten, klopfte es an der Tür: „Machst du einen Kaffee?“ oder „Das Geschirr ist noch nicht weggeräumt!“ oder „Ich muss nur schnell aus eurem Schrank etwas holen…“.
Herausforderungen bedingen der Lösungen und wir beschlossen, so für uns zwei, ein kleines Häuschen als unser alleiniges Rückzugsgebiet und Freizeitzentrum zu bauen. Papa erneuerte die Zäune, überwachte den Hausbau und beschäftigte sich dabei. Mama machte Shoppingtouren und ich besorgte den Lebensmitteleinkauf, den Haushalt, das Kochen und betreute Söhnchen.
Als das Häuschen fertig war meinte Mama, dies sei jetzt optimal, weil jetzt könnte sie ihre früheren Arbeitskolleginnen endlich zum Grillen und Kaffeetratsch einladen und wenn viel Alkoholisches konsumiert worden ist, könnten diese gleich im Häuschen nächtigen.
Papa meinte, dies sei jetzt optimal für ihn, weil er abends beim Fernsehen gleich einschlafen könne und er hätte bei uns lieber etwas „Eigenes“ zum Wohnen. Mit den Nachbarn tratscht es sich in der Pergola auch besser und länger.
Ich bin meinem Gatten noch heute unendlich dankbar, dass er mir in dieser Zeit nicht davongelaufen ist. Kurzum: Nach fünf (!!) Jahren schnappte sich jeder seinen Elternteil und erklärte ihm freundlich aber sehr bestimmt, dass er selbst eine Riesenwohnung bzw. ein Haus habe und zwischendurch als Kurzgast gerne Willkommen sei.
Mit mir war es gesundheitlich bergab gegangen und wir beschlossen den Bau eines zusätzlichen großen barrierefreien Einfamilienhauses mit Lift auf diesem Grundstück. Das Haus samt Zufahrt, aller Räume und den Bädern ist absolut barrierefrei, hat in beiden Etagen riesige Glasfronten bis zum Fußboden, eine Be- und Entlüftungsanlage mit Lüftungsheizung, automatische Rolläden zum Öffnen und Schließen nach der Zeituhr und ist auf Niedrigenergiebasis gebaut.
Jede Etage samt Keller könnte als separierte Wohneinheit umgestaltet werden. Zudem gibt es ein Gästezimmer, wo im Bedarfsfalle für die möglicherweise einmal pflegebedürftigen Oldies zwei Pflegebetten samt Rollstuhl Platz finden würden oder sie bekommen das ebenfalls barierefreie kleine Häuschen. Zudem gibt es hier in der Stadt Pflege- und Essenszustelldienste, sodass allen Dreien ein Pflegeheim erspart bleiben wird.
Möchte Söhnchen etwas „Eigenes“, so bekommt er das Häuschen nebenan oder – bei einer größeren Familie -, kann er noch entsprechend der Beschaffenheit und erlaubten Bebauungsdichte des Grundstückes ein drittes Haus mit 150 m² Wohnfläche bauen.
Da niemand weiß wie sich die wirtschaftlichen Zeiten gestalten, kann Söhnchen im Zweifelsfalle nach uns das Wohnhaus als Privatpflegeplätze für sechs Personen benützen, da die Räume groß genug und die Hausinfrastruktur für bis zu sechs Rollstuhlfahrer optimal ist.
Das Wohnen mehrerer vitaler Generationen unter einem Dach haben wir genügend ausgekostet und unsere Erfahrungen daraus gezogen: Hotel „Tochter & Sohn“ ist nichts für uns. Selbst wenn jeder einen eigenen Wohnbereich zur Verfügung hat, so bleibt es arbeitsmäßig doch immer das Servicehotel „Tochter & Sohn“.
Wenn allerdings bei den Oldies einmal Pflegebedürftigkeit vorliegen sollte, so ist es klar, dass diese bei uns wohnen werden und wir uns von den entsprechenden Hilfsdiensten gegebenenfalls auch rund um die Uhr unterstützen lassen.