So und so ...
Ich wurde mal nach einer OP zu meinem Sohn gerufen (er war damals sieben Jahre alt und er hatte kurz zuvor seine Mutter verloren). Ich sollte auf einmal in den OP-Saal kommen, sagte eine Schwester und fügte hinzu: "Machen Sie schnell!" Da das sehr ungewöhnlich ist, war mir zwar etwas mulmig zumute, aber ich folgte ihr natürlich, und was dann kam, hatte ich nicht erwartet: Sein Herzschlag hatte anscheinend vor ein paar Minuten ausgesetzt.
Ich weiß bis heute nicht, warum ich dazu gerufen wurde, und später hat mir eine Ärztin erklärt, dass das eigentlich sogar ein schwerer Fehler gewesen sei und niemals hätte passieren dürfen, eigentlich hätte ich den Saal gar nicht betreten dürfen. Doch plötzlich stand ich da, mitten im geschehen sah ihn vor mir auf dem OP-Tisch liegen und erfuhr, dass sein Herz nicht mehr schlug und die Defibrilatoren, Spritzen usw. nicht geholfen hätten. Irgendjemand fragte, was man jetzt tun solle, es herrschte totale Hektik und ein fürchterliches Durcheinander. Und ich stand da mitten drin und wusste nicht, wie mir geschah.
In meiner Naivität trat ich einfach zu meinem Sohn, nahm seine Hand und sagte laut und deutlich, dass ich jetzt hier bei ihm sei. In diesem Augenblick begannen einige Geräte zu spinnen und jemand schrie: "Wir haben ihn wieder, er ist wieder da!"
Und jetzt kommt das Verrückteste, das ich jemals erlebt habe und was einige Ärzte noch lange beschäftigt hat: Jemand fragte mich, was ich hier denn zu suchen hätte, ich solle sofort verschwinden und schob mich weg. Eine Schwester brachte mich raus. Und wenig später holte mich jemand wieder zurück in den Saal, denn das Gleiche war ein zweites Mal passiert.
Ein Arzt sagte, er wisse nicht, warum er das jetzt tue, aber ich solle gefälligst nochmal die Hand von meinem Sohn nehmen und jetzt unbedingt hier bleiben. Und da begann sein Herz wieder zu schlagen. Ich wurde dazu verdonnert, nun auch die ganze Nacht auf der Intensivstation bei ihm zu sitzen, bekam jegliche Hilfe und wurde bestens betreut, musste aber wach bleiben und bei ihm sitzen und seine Hand halten ... Und immer war eine Ärztin oder eine Schwester dabei. Und alle meinten, es sei eigentlich ein Tabubruch, was hier geschehe, aber wohl das einzig Richtige.
Mitten in der Nacht wachte der Junge auf, riss sich alles Drähte u. dgl. ab, warf sich mir an den Hals und rief: "Ich will zu meinem Papa!" Es dauerte einige Zeit, bis er begriff, dass ich ja sein Vater war. Die anwesende Ärztin hat später noch lange mit mir geredet, weil sie das nicht verstehen konnte, alle Kinder würden ansonsten nach ihrer Mutter rufen und nicht nach ihrem Vater (aber das hatte natürlich seine Geschichte, siehe oben).
Jedenfalls hat er diese Nacht überlebt - und ist ein prachtvoller Bursche geworden, ist jetzt 18 Jahre alt und auf seine Weise etwas ganz Besonderes in vielerlei Hinsicht. Und so habe ich ihn in dieser Nacht zwei Mal verloren und zwei Mal wieder "gewonnen".
Seitdem weiß ich, wie man sich fühlt, wenn man ein Kind auf diese Weise verliert. Das ist schrecklich. Und ich danke Gott und allen Engeln, Naturwesen und Elementargeistern dafür, dass der Junge damals nicht endgültig gestorben ist und heute noch lebt. Für mich ist es bis heute etwas, das mich immer wieder tief berührt und wie ein Wunder erscheint. Und es ist mir egal, was man da über mich denkt oder von der ganzen Sache hält (die ich vermutlich niemandem glauben würde, hätte ich sie nicht selbst erlebt).
(Der Antaghar)