Beerdigungen

... über einen Friedhof, fällt mir häufig etwas auf:

Die meisten Gräber sind wundervoll gestaltet und liebevoll gepflegt. Und dann fallen mir immer die Worte einer Dichterin ein, die dazu geschrieben hat: "Lasst mein Grab verwildern, gebt mir zu Lebzeiten die Blumen!" (Kristiane Allert-Wybranietz in "Trotz alledem").

Das scheint mir ein interessanter Gedanke zu sein.

Die letzte Beerdigung, bei der ich anwesend war: Es war ein viel zu früh verstorbener Freund. Zu Lebzeiten hatte seine Verwandten kein gutes Haar an ihm gelassen: Zu unbürgerlich das Leben, zu lang die Haare - und überhaupt ... Aber all die verlogenen Reden am Grab: Da war er auf einmal ein Engel in Menschengestalt. Warum erst dann?

Er hätte sich über ein Zehntel dessen an Lob sicherlich gefreut, hätte er es hören dürfen, als er noch gelebt hat. Aber da kam nichts ...

(Der Antaghar)

Dieser hirnrissige Spruch, man dürfe über Verstorbene nur Gutes sagen, hat eine Ursache und ist nichts weiter als ein Mißverständnis bzw. eine Verdrehung:

Ursprünglich lautete das mal: "de mortius nil nisi bene", und das bedeutet nichts weiter, als dass man z. B. auf einer Beerdigung oder am Grab eine gute Rede über den Toten halten solle.

Eine gute Rede!!! (Nicht: nur Gutes reden!)

Da hieß u. a.: Wohl formuliert und bedacht, man möge sich Mühe geben und nicht verlogen, sondern ehrlich reden, also so, dass der Tote sich darin auch wieder erkennen könnte, dass er gewürdigt ist - auch in seinen Fehlen und Schwächen ...

Und was haben wir mal wieder daraus gemacht? Sogar einer wie Haider ist auf einmal ein Engel ...

(Der Antaghar)

Why not?

In Deiner Nähe zu "ruhen", wäre sicher für so manchen nicht das Schlechteste ...

Im Ernst: Mir gefällt das Konzept des Friedwalds auch sehr gut. Aber noch mehr liebäugle ich mit dem Verstreuen meiner Asche im Wind.

In manchen Ländern geht das, hier bei uns leider nicht, es sei denn, man lässt versehentlich die Urne fallen ...



(Der Antaghar)

Böses? Etwas Böses zu reden, ist immer schlecht.

Aber die Wahrheit kann man doch sagen. Warum wird immer aus einem Teufel bei der Beerdigung ein Engel gemacht, aus einem verlogenen Intriganten ein aufrechter Christ, aus einem ausbeuterischem Halsabschneider ein ach so guter und treusorgender Mensch ... und so weiter?

Die anwesenden Verwandten wissen das doch alle selbst.

Vor ein paar Jahren war ich bei der Beerdigung eines Rockers. Mitten in der Rede des Pfarrers standen ein paar auf, maulten rum und meinten, sie können diese Gelaber nicht mehr hören, ihr Kumpel sei niemals so gewesen, wie hier erzählt wird, sie wären lieber bei der Beerdigung ihres Kumpels dabei gewesen, hätten sich aber wohl geirrt, hier würde garantiert ein anderer begraben. Und damit verließen sie die Veranstaltung.

Und ich habe mich ihnen angeschlossen, denn es war unsäglich - ich wusste ja, wie sämtliche Verwandten über ihn gedacht und geredet hatten. Kann man denn nicht mal im Angesicht des Todes zumindest ehrlich bleiben?

Was meinst Du, Du hochverehrtes Weibswesen?

(Der Antaghar)

Das ist eben die zentrale Frage, verehrte Freundin:

Wurde er wirklich geliebt? (Wenn ja, warum hat man dann andauernd so schlecht über ihn geredet?)

Und wenn er geliebt wurde - dann hätte man ihm das besser gezeigt, als er noch gelebt hat. Was hindert uns so oft daran?

(Ein nachdenklicher Antaghar)