es wär' so schön...
wenn's wahr wäre..
Gerade war ich in Buenos Aires.
Drei Mal hintereinander, immer am Wochenende um von dort aus Einsätze in Südamerika zu fahren.
Dem Tango kann man nicht entrinnen, in Buenos Aires!
und so liegen nun die einladenden Prospekte, die ich an der Hotelrezeption mit raschem Griff eingesammelt habe, hier neben der Tastatur:
GALA
Tango
Un nivel superior en arte popular
Esquina
Carlos Gardel
cena & tango show
Tangoporteño
Teatro - show - tangoshow
El viejo Almacen
Desde 1969 la esquina más tradicional del tango
Bocatango
Show de Tango
Ich bin zu keiner gegangen. Ich als Deutscher, aufgewachsen in Bayern, mit geschärftem Gespür für ausgeschlachtete Volksmusik. Mir wäre das Geld zu schade gewesen, das ich sowieso nicht hatte...
Doch dann bin ich doch dem sms-Drängen einer lieben Freundin gefolgt. Sie hatte ein Jahr ihres Lebens in Buenos Aires leben dürfen und war ganz begeistert über meine Auftragsserie.
Ich bin nach la Boca gefahren.
Dort an jenem schmutzigen Hafenbecken, das jetzt zu klein ist um Schiffe aufzunehmen.
Jener Stadtteil, der zum Weltkulturerbe erklärt worden ist.
Dort, wo dicht gedrängt, jene Wellblechspelunken stehen, die bunt angemalt sind um die Tristesse dieses Slums zu übertünchen.
Es war an einem naßkalten Sonntag Nachmittag im Juli, dem jahreszeitlichen Januar der Südhalbkugel. Ich habe mich mitspülen lassen, vom Strom der Turisten aus aller Welt. Ich habe die Holztribünen gesehen, auf denen Tango vorgeführt wurde, von blutjungen Tänzerinnen, deren Haut nicht nur durch die weiße Schminke so blutleer und kaltgefroren wirkte.
Ein Lokal hatte sogar leibhaftige Musiker engagiert. Mitten in ihnen ein grau-weißer Spieler, über sein Bandoneon gebückt, das sich mit jammervollen Klängen in seinen Händen wandt und unter den energischen Impulsen seines Knies jenen harten Rhytmus hackte, der den Tango bestimmt:
1 - 2 - 3 - 4 -
Eindrucksvoll, scheinbar gelenklos wandt sich die Tänzerin um jenen jungen Mann im Anzug mit einem dandyhaften Hut. Der Muchacho bot ihr Halt und Steife an der sie entlanggleiten konnte.
Ich mußte aufpassen, nicht zu gaffen, wie die anderen, die durch die Straße gepresst wurden. Ich mußte aufpassen, nicht die Animateure anzulächeln, die jeden mit sich zogen, der zu lange hinschaute, auf die Bühnen im Freien vor den Restaurants.
Tango Argentino - eine Museumspräsentation als Weltkulturerbe?
Die wahren Menschen, denen ich in Buenos Aires begegnet bin, -Handwerker und Techniker- machten ein respektvolles Gesicht, wenn ich nach Tango fragte. Doch aus den Radios an ihren Arbeitsplätzen plärrte Salsa und la Cumbia.
Und doch...
Beim Bummel durch sonntagsleere Strassen sah ich sie: jene steinernen Zeugen aus der Gründerzeit, in der Menschen aus Europa kamen, um hier das große Glück zu machen.
Wie in New York.
Doch, während in den USA sich oft, oft, oft der "American Dream" verwirklichte, taumelte Argentinien von einer Wirtschaftskriese in die andere. Der kurze Reichtum wurde vom Fleisch der geschlachteten Rinder erkauft. Von getöteten Kreaturen also, und nicht von goldenem Weizen oder blitzendem Stahl. In Argentinien ist für die meisten Menschen der Traum ein Traum geblieben und die stolzen Gründerstilfassaden tragen die Spuren leise weinenden Zerfalls.
Passt er nicht gerade hier her, der Tango mit seinem passioniertem Leiden?
Sex als die letzte Verheissung?
Der Kuß nicht als lauten Schmatzer auf Rotbäckchen vom Wörtersee, sondern in gedehnten Tanzpositionen ersehnt, die gierigen Lippen nur millimeterweit voneinander entfernt, aber sich nie treffend.
Möglich wär's schon, dass der Tango hier geboren wurde...
ob er noch lebt?
BFlat
die Bilder wegräumend