Da scheiden sich oft die Geister....
Prinzipiell sollte man davon ausgehen, dass zwischen Rechtsempfinden, Rechtsprechung und Rechtsauslegung oft sehr große Differenzen stehen. Auch strengste Regeln in Strafrechtsnormen lassen Richtern oft gro0e Spielräume für ein Urteil.
Zum Eingangsthema ist zu sagen, dass im konkreten Fall sowohl Verhaftung als auch Auslieferung vollkommen in Ordnung gehen. Dass es bisher trotz internationalem Haftbefehl noch zu keiner Verhaftung kam, liegt wohl vor allem in den Regelungen der jeweiligen Aufenthaltsländer und eventuell (nicht-) vorhandener Auslieferungsabkommen und deren konkreten Gestaltungen. Es darf auch nicht vergessen werden, dass bestimmte Straftaten verjähren. Und das mit unterschiedlichen Fristen in unterschiedlichen Ländern. Die Verjährung kann auch gehemmt sein, wenn sich der Täter dem Zugriff der Justiz durch Aufenthalt in fremden Ländern entzieht.
Subjektiv würde ich meinen, dass es egal ist, wer das Verbrechen einer Vergewaltigung begeht, einer Minderjährigen als strafverschärfend noch dazu - der Täter gehört vor Gericht und ist in einem rechtsstaatlichen Prozess zu verurteilen, wenn seine Schuld bewiesen wird. Ein Geständnis muss aber kein Beweis sein, der für ein Urteil genügt. Das nur nebenbei - es ist zwar perfide, aber es könnte ja auch ein Kniff sein, als Promi interessanter zu werden....
Das Politiker nicht im rechtsfreiem Raum leben wird zwar gern unterstellt, ist aber sicher nicht so. Da gab es in letzter Zeit ja einige Beispiele. Allerdings ist deren Immunität aufzuheben, die ihnen das Grundgesetzt erst mal zubilligt. In begründeten Fällen geschieht das ja auch ohne sehr viel Aufhebens!
Der Hinweis auf diesen unseeligen Skiunfall des thüringischen Politikers wird zwar gern als Beispiel für Sonderrechte bemüht, dürfte aber wohl im konkreten Fall als Beispiel völlig ungeeignet sein.
Wer selbst Skifahrer ist, kann zum Teil nachvollziehen, was da passiert ist und vor allem wie viele unglückliche Umstände da zusammen gekommen sind. Und diejenigen werden auch wissen, wie viel Blödsinn da geschrieben und geschwafelt wurde.
Der Gipfel war, dem Herrn A. vorzuwerfen, einen Helm getragen zu haben....
Ohne Frage - er ist da nicht ohne Schuld und hat Fehler gemacht, die in seinem Fall böse Folgen hatten. Mehr als Fahrlässigkeit wird man ihm nicht vorhalten können. Jeder der selbst schon auf der Piste war wird wissen, dass wohl kaum einer ähnlichen Zusammenstößen nicht selbst schon eher mit etwas Glück entgangen ist.
Kein Freibrief für A. aber bei der konkreten Lage auf der Piste, so wie sie in den Medien abgebildet war, ist auch nicht fraglos nach zu vollziehen, dass die leider ums Leben gekommene Skifahrerin nicht selbst ein Chance gehabt hätte zum ausweichen.
Es ist wie im Straßenverkehr - es gilt zwar rechts vor links, und Vorfahrten sind eindeutig geregelt. Aber das entbindet nicht von eigener Aufmerksamkeit und bietet keine Grundlage sich sein Recht zu erzwingen oder sich grundsätzlich darauf zu verlassen, das die regeln 100%-ig eingehalten werden. Da kann man durchaus eine Mitschuld zugeordnet bekommen, wenn man sein Recht mit Gewalt durchsetzen will und dabei einen Schaden erleidet, der zu verhindern gewesen wäre, wenn man zurückgesteckt hätte.
Während in den meisten Ländern eine StVO den Straßenverkehr recht eindeutig regelt und diese Regeln Gesetzeskraft haben, ist es auf den Skipisten keineswegs so eindeutig geregelt. Es gibt Grundsätze an die man sich halten soll und die vor Gericht und bei Zivilverfahren z.B. bei Versicherungsfragen als Maßstab herangezogen werden, aber die Bandbreite ist viel größer.
Das dürfte dann wohl auch der Grund sein, dass das Verfahren recht schnell durchgeführt war. Es ist sehr begründet anzunehmen, dass das obligatorische Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen des Todesopfers bzw. der schweren Verletzungen überhaupt keinen verlässlichen Anhalt für eine Straftat im Sinne des Strafgesetzbuches ergeben hat. Es darf auch angenommen werden, dass die Schuldfrage viel weniger eindeutig ist, als man in den Medien glauben machen wollte.
Natürlich lag es auch im Interesse von A., dass es zu einem schnellen Verfahrensabschluss kam.
Ich liege vermutlich nicht einmal daneben, dass "Hugo Normalverbraucher" eine sehr reale Chance in einem langwierigen Rechtsstreit gehabt hätte, aus der Sache mit einem Freispruch herauszukommen. Windige und gerissene Anwälte bekommen so etwas durchaus hin.
Das A. auf diese Möglichkeit verzichtet hat und seinen ihm zugemessenen Schuldanteil diskussionslos angenommen hat, kann durchaus der Situation zugeordnet werden, das dieser Weg der war, der den wenigsten Staub aufgewirbelt hat.
Man stelle sich vor, in einem Verfahren wäre ein Freispruch von einer Schuld herausgekommen und sei es wegen mangelnder Nachweise des konkreten Hergangs. Nicht auszudenken - das wäre Wasser auf die Mühle derer, die ohnehin schon krakeelen "Politikerbonus"....
Ich sage es noch einmal: Für Hugo Normalverbraucher mit einer guten Rechtsschutz und/oder einer guten Privathaftpflicht (optimal natürlich beides zusammen sehr gut...) hätte wohl nachdem, was bekannt wurde, sehr gute Chancen ungeschoren davon zu kommen. Eine schwerere Verurteilung hingegen dürfte wohl bei der sehr dürftigen Beweislage als sehr unwahrscheinlich anzusehen sein.
Und somit schließt sich der Kreis:
Recht wird immer subjektiv wahrgenommen, wenn es Laien betrachten. Wäre es leicht und eindeutig, Recht zu sprechen, bräuchte man keine Anwälte, die ja generell gegensätzliche Ansichten vertreten. Der Richter und seine Beisitzer haben die schwere Aufgabe zu urteilen, welcher der Anwälte die richtigste Position vertritt, was die Beweise nun wirklich hergeben und welches Recht in welcher Weise tatsächlich verletzt wurde um dann ein Strafmaß festzulegen.
Und das dabei trotz allem viel Platz für subjektive Auslegungen bleibt, muss man eben zur Kenntnis nehmen. Und da auch Richter Menschen sind, wird sich nicht vermeiden lassen, das deren Objektivität subjektiv gefärbt bleibt. Es wird wohl selten Fälle geben, bei denen alles so glasklar ist, das 10 Richter zum gleichen Ergebnis kommen.
Justizia ist sicher nicht blind. Die Augenbinde soll wohl vielmehr darauf verweisen, dass sie ohne Ansehen der Personen ein Urteil fällen sollte.
Ja und wie kompliziert das ist, habe ich versucht oben darzustellen.
Aber wir haben mal gelernt, dass Recht parteilich sei.... diese Lehre hat wohl nach wie vor sehr viel Wahres!
LG
Der Biberzahn