Damals und heut?
Wenn ich die Beiträge lese, gibt es offenbar auch Anlass das damals und heute auf hüben und drüben zu erweitern.
Wir sind beide im östlichen teil Deutschlands geboren und groß gewerden. Der Umgang mit dem Thema Sex war eigentlich eher unverklemmt. Das verklemmte in den (vorwiegend früheren) Ansichten stellen wir immer wieder aufs neue fest und wir merken auch, dass viele Begriffe hüben und drüben zum Teil völlig anders belegt sind.
Eine nicht unerhebliche Rolle spielt wohl ohne Zweifel der Einfluss der Kirche. In den meisten Bereichen des östlichen Teils Deutschlands war der Einfluss der Kirche im gesamten öffentlichen Leben ohne Zweifel deutlich geringer als in den westlich- und (besonders) südlich gelegenen Landesteilen.
In der Schule wurde im Biologieunterricht ziemlich offen mit dem Thema Mann und Frau umgegangen und wie man inzwischen weiß, war es schon im Kindergartenalter nicht üblich Jungs und Mädchen beim Sport, Duschen und Baden auseinander zu sperren. Da wurde nicht viel zauber gemacht, da duschten die kleinen Jungs und Mädchen schlichtweg völlig unbekümmert nackt und nahmen dabei ganz sicher keinen sittlichen oder moralischen Schaden, obwohl so manche Oma da ernsthaft Bedenken angemeldet hatte.
Die Aufklärung erfolgt sicherlich wohl auch überwiegend über die Schule, denn unsere Elterngeneration geboren in den 20-igern und 30-igern Jahren war da keineswegs so locker bei dem Thema. Und meist war es wohl der Papa, der sich tunlichst um das Thema drückte und lieber die Mama vorschob, wenn es Fragen zu beantworten gab, die da irgendwo aufgetaucht waren.
Die Elterngeneration die in den 40-iger Jahren geboren war entwickelte sich gleichfalls deutlich lockerer. Mit Kind und Kegel in die Sauna war überhaupt kein Problem und im Sommer an den FKK Strand war für viele vollkommen normal.
Nun darf man aber auch nicht annehmen, dass sich die Quote derer die mit gemischter Sauna und FKK-Baden nun überhaupt kein Problem absolut überwog.
Keineswegs!
Aber gegenüber was man so aus Gesprächen mit den West-und Südländern Deutschlands erfährt, tat man sich da bedeutend
Und wenn es Irritationen mit der Begriffsbelegung in Sachen FKK geht, wo FKK vorwiegend mit Sex gleichgesetzt wird, dann kommen diese Meinungen im Normalfall höchst selten aus östlichen Gefilden.
Da wurde Sex mit FKK überhaupt nicht in Zusammenhang gebracht, jedenfalls ganz sicher nicht in der Weise, wie man das hier bei Joy und anderen Foren zu lesen bekommt.
Andererseits gab es in den östlichen Landesteilen bis 89 offiziell gar keine pornografische Publikationen, von Klassikern, wie Lady Chatterley, was man in den bereich Softporno eingliedern könnte, mal abgesehen. Das monatliche Aktfoto im "Magazin" oder auf der "Funzel", der letzten Seite des "Eulenspiegels" war allseits heiß begehrt und auch die Jugendzeitschrift "Neues Leben" zeigte regelmäßig nackte Haut inklusive Schambeharung.
Na klar, die Grenze war durchlässig genug um auch "Super 8"-Pornofilme durchzulassen und so manches Sexheftchen kursierte im Kreise Interessierter. Da viele das Handwerk des Selbstentwickelns von Schwarz-Weißfilmen in eigenen Labors beherrschten und auf diesem Wege beherrschten, kamen da eine Menge dieser privat gefertigten Kopien von Pornofotos in den inoffiziellen Umlauf.
Ernsthaft verfolgt hat man das seitens der Behörden nicht wirklich, auch wenn man es konfisziert hat, wenn man solche Dinge mal entdeckt wurden.
Jugendliche wurden damit allerdings wohl weniger konfrontiert.
Und so war ein weitgehend relativ unverklemmter Umgang mit dem Thema Sex die eine Seite und vergleichsweise wenig sexuelle Reize wie sie Pornos darstellen die andere Seite.
Man war somit "angehalten" die sexuelle Lust mehr oder weniger selbst zu entdecken.
Wir waren sexuell aus heutiger Sicht eher Spätstarter. Der Wolf hatte sich zwar "schon" mit 16 mit Küssen und verhaltener "Oberflächenforschung" im Brustbereich versucht, den ersten echten Sex aber erst mit 18 gehabt. Bei der deutlich jüngeren Maus war es nicht gravierend anders. Sicher gab es auch Gleichaltrige, die sich da wesentlich früher versucht hatten. Aber mit 17..18 Jahren, das war durchaus nicht so Ungewöhnlich.
Was den Sex angeht, da waren es früher eher die "artigen" Variationen mit denen man begonnen hat. Orale Vergnügen kamen sowohl bei ihm, als auch bei ihr wesentlich später dazu.
Das Einbeziehen Dritter, das war eigentlich völlig unenkbar.
Aber früher wie heut war es für eine gute Beziehung durchaus wichtig, dass es, wie man so sagt, im Bett stimmte. Mit anderen Worten - eine sexuell erfüllte Beziehung war damals genau so wichtig, wie sie es in heutiger Zeit ist.
Die Meinung, die es in obigen Beiträgen gab, dass eine Beziehung doch auch durch andere Dinge erfüllt sein könne, wie Kultur, Kunst usw. wäre wohl heute wie damals zu kurz gegriffen.
Sex ist keineswegs alles. Ganz bestimmt nicht.
Aber ganz ohne Sex ist eine Beziehung zwischen Mann und Frau nicht komplett - ebenso - ganz bestimmt nicht.
Aber in der Jugend nehmen sexuelle Aktivitäten naturgemäß einen zumindest mengenmäßig meist einen höheren Stellenwert ein.
Und gerade die Quantität geht ja doch ein wenig zurück, meistens wenigstens!
In den letzten 20 Jahren glich zumindest das Informationsangebot in Sachen Sex in ganz Deutschland zu 100% an.
Bei der Jugend gibt es zwischen Ost, West, Süd oder Nord kaum noch Unterschiede.
Interessant ist, dass die Leidenschaft der jüngeren Generation zum FKK Baden eindeutig zurück gegangen ist, und wie sich zeigt, geht das Alter für das "erste mal" erstaunlicher Weise nach oben.
Für uns beide hat sich der Sex in den letzten 20 Jahren ohne Zweifel verändert.
Wenn in den "alten" Ländern die Spanne zwischen Prüderie und Pornografie zwar extrem groß war, dominierten für die Mehrheit wohl die eher zurückhaltenden Tendenzen, was den offenen Umgang mit Sex angeht.
Im Osten war die Spanne unvergleichlich kleiner. Man ging offener und unbekümmerter mit dem Thema um, aber eben auch viel weniger aufregend.
Durchschnitt und Normalität dominierten und "Extreme" waren sowohl in den Medien, als auch in den privaten Beziehungen eher die Ausnahme, auch wenn es sie durchaus gab.
Und so war es wohl tatsächlich so, dass wir im Osten durchaus auch beim Sex experimentiert haben, aber bestimmte Grenzen einfach nicht überschritten wurden. Im Westen war es vielleicht Sünde, oder die Sorge davor, im Osten war es unanständig.
Wäre es öffentlich geworden, hätte es sowohl als auch gesellschaftliche Missbilligung oder Verachtung nach sich gezogen.
In der Endkonsequenz war es als hüben wie drüben eine gewisse Spießigkeit die den Ton bestimmte, auch wenn das Niveau ein deutlich anderes war. Schwer zu erklären....
Aber es ist wohl auch so, dass der mehr öffentliche Umgang mit dem Thema Sex seit Beginn der 90-iger für alle den Blickwinkel erweitert hat.
Da wurde plötzlich in aller Öffentlichkeit diskutiert, wie oft man so durchschnittlich pro Woche Sex hat. Das Thema Orgasmus wurde plötzlich zum Top-Thema. Sex ohne Orgastischen Abschluss, war auf einmal geradezu verwerflich, ja geradezu diskriminierend. Sex kam in den Blickwinkel der leistungsbezogenheit.
Nur wer oft genug in der Woche Sex hat ist im Normbereich und Paare die nicht bei jedem Beischlaf einen Orgasmus haben, sollten zum Psychologen um das mal klären zu lassen.
Sex als gesellschaftliches Thema und mit Zahlen und Daten zu Stellung und Häufigkeit bestimmten auf einmal von außen die Qualität einer Beziehung.
Das ist tatsächlich eine deutliche Veränderung, denn das spielt in fast jede Beziehung herein. Sowohl zum Vorteil, da die oft dominierende Rolle des Mannes an Bedeutung verlor und die belange der Frauen generell mehr ins Blickfeld gelangten.
Für uns war das nun nicht neu, denn wir waren ja seit wir uns kennen daran interessiert, dass Sex für beide erfüllend ist und dass beide Seiten völlig gleichberechtigt sind.
Wir lernten aber, dass auch in Bezug auf Sex, die Grenzen durchaus erweiterbar sind, denn gewisse Grenzen gab es für uns durchaus. Sex unter Einbeziehung von dritten war sehr wohl etwas, was wir schon als unanständig angesehen hatten, als etwas, was man nicht macht.
U.a. war es Lilo Wanders und Co., die da in unserem Denken zu einem gewissen Wandel führten. Und auch dieser oder jener Pornostreifen hat die Fantasie von uns beiden angeregt.
Da wir seit eh und je experimentierfreudig waren, haben wir eben auch das Experiment gewagt, uns vorsichtig dem Thema Swingen zu nähern.
Nicht weil es bis dahin zu langweilig war oder der Kick nicht mehr da war. Mitnichten!
Vielmehr war es für uns die Erweiterung der Möglichkeiten, eine Erweiterung des erotischen Horizonts.
Diesen Horizont hätte es früher so nicht einmal im Traum gegeben. Es wäre einfach undenkbar gewesen! Und das obwohl wir von Anfang an FKK-Anhänger waren und auch stets in der Familiensauna waren.
Aber Swingen?
Ausgeschlossen, undenkbar, unanständig, ein Scheidungsgrund!
Sicherlich wird sich diese Option, die wir für uns gefunden haben, für viele nicht ergeben.
Gar kein Problem. Das muss jede(r) mit sich und seinem Partner ausmachen. Wem es gefällt wird seine Freude und Erfüllung daran haben und die Beziehung, die das verträgt kann sich durchaus sehr positiv entwickeln.
Andere Beziehungen könnten daran zerbrechen.
Auch wenn es inzwischen so etwas wie ein Statussymbol ist, sich Swinger zu nennen und nicht wenige sich damit brüsten, in Swingerclubs zu gehe - für uns ist es weder ein Statussymbol, noch wird das von jemand auf die Nase gebunden bekommen.
Das ist unsere Sache und ir haben diese Erweiterung für uns als sehr reizvoll entdeckt, als Bereicherung.
Und so hat sich der Sex zwischen früher und heute für uns persönlich doch sehr deutlich verändert.
Erfüllter ist er nicht geworden, denn mehr als erfüllt geht nicht, es sei den "überfüllt", wäre eine Option. Und das wäre es wohl nicht
Aber die Bandbreite ist gewachsen und wir fühlen uns dabei sehr wohl.
Ob wir damit nun unsere Mitte gefunden haben?
Würden wir so vielleicht nicht formulieren, denn Mitte würden wir eher mit Ruhe in Verbindung bringen. Und ruhig wollen wir es eigentlich nicht wirklich.
Auch ob harmonisch den Kern trifft, sehen wir nicht als so ganz sicher. Aber es gibt keine Disharmonien, keine Spannungen und was wohl sehr wichtig ist, es gibt keine Leere und nichts, was wir als unerfüllt ansehen.
Aber die Interpretation ist wohl sehr individuell.
Auf jeden Fall war unsere Betrachtung zur Bandbreite von Sex damals wesentlich enger, als sie heute ist. Aber das betrifft wohl nicht nur uns, das geht wohl allen irgendwie so oder so
ähnlich. Wie groß die Bandbreite individuell ist, ist dabei unerheblich.
Wir sind überzeugt, dass es bei den einen wesentlich engere Grenzen gibt ohne das es einengt, bei den anderen die Breite noch weiter geht als bei und, vor allem was die Entwicklung zwischen damals und heute angeht. Und das müssen keineswegs Exzesse sein!
Wolf
der Biberzahn