Blöken wie Schafe oder schweigen wie Lämmer?
Liebe womaninblack,mich erfreut an deinen Stellungnahmen, dass du auf komplexe Sachverhalte der politischen Wirklichkeit nicht mit plakativen Vereinfachungen reagierst.
Anmerkung: Damit spiele ich nicht auf andere pointierte, ironische oder auch scharfe Stellungnahmen aus dem Forum an. Sie beleben das Gespräch durchaus!
Deine Frage, ob Amts- und Würdenträger (Bundespräsident, Bundekanzlerin, Papst) in öffentlichen Reden immer wieder Stellung beziehen sollten, ist aus meiner Sicht ein passendes Beispiel für diese Komplexität.
So sind z.B. öffentliche Appelle zwar eindrucksvoll, finden auch Beifall und Zustimmung, aber sie zeigen praktisch für sich gesehen kaum Wirkung. Ich erinnere an zwei anerkannte politische Persönlichkeiten aus der Geschichte der Bundesrepublik: Da waren zum einen Bundeskanzler Ludwig Erhard, mit seinen Maßhalteappellen, da war zum anderen die Ruckrede des Bundespräsidenten Herzog. Die Rede von Roman Herzog verpuffte völlig wirkungslos. Ludwig Erhard - immerhin der "Vater des Wirtschaftswunders" - wiederholte seine Appelle immer wieder und wurde deswegen sogar öffentlich lächerlich gemacht.
Wer politische wirken will, braucht Macht. Die gewinnt man in einer parlamentarischen Demokratie durch Wahlen. Eindrucksvolle Reden sind wichtige Mittel, die Macht in Wahlen zu gewinnen. Danach aber gilt es, in einer pluralen Gesellschaft mächtige Personen und gesellschaftliche Gruppen auf seine Seite zu ziehen. Das wiederum erfordert vordringlich Überzeugungskraft, Verhandlungsgeschick, Kompromissbereitschaft und Härte zugleich, und unendlich viel Ausdauer.
Was brauche wir also mehr? Überzeugende Redner oder Menschen, denen es gelingt, in dem komplexen System von Macht- und Interessengruppen gesamtgesellschaftlich förderliche Ziele durchzusetzen, wobei am Ende nicht selten ein "Produkt" herauskommt, das, nachdem alle zufriedengestellt wurden, niemand mehr voll zufriedenstellen kann.
Ich schätze eindrucksvolle Redner (Gysi, La Fontaine, Köhler,...) aber ich bin überzeugt, dass letztlich nur Menschen, die vor allem das in einer parlamentarischen Demokratie notwendige "Machtspiel" beherrschen, spürbar politisch wirksam werden. Aus meiner Sicht sind sie es, die - von allen Seiten kritisierte, weil naturgemäß kompromisshafte - Entscheidungen durchsetzen. Einige zufälllige Beispiele aus Geschichte und Gegenwart: Kohl, Merkel, Schäuble, der Papst u. viele andere - vielleicht auch Schröder?
Es stimmt, Sympathieträger, denen allzeit die Herzen zufliegen, mögen anders aussehen als manche der genannten Personen. Wer in einer pluralen Gesellschaft und parlamentarische Demokratie gemeinschaftsdienliche Ziele wirklich erreichen will, muss entweder schweigsam handeln oder aber reden ohne etwas zu sagen oder aber sich geradezu wie ein Chamäleon verhalten. Denn ein Politiker in einer pluralen Demokratie muss zum einen rechtzeitig zur Wahl Popularität gewinnen, aber dann viel Unpopuläres tun. Beides, wirkliche politische Wirksamkeit und durchgängige Popularität zu wahren, ist nach meiner Wahrnehmung kaum möglich.
Was sollte eine Person in Machtstellung also tun:
• Viel und vielerlei sagen, und versuchen, stets auf der Welle der Popularität zu schwimmen, wie ....(*)
• Möglichst wenig zu sagen, Zeiten der Unbeliebtheit durchzustehen und zu handeln, wie ....(*)
• Reden aber möglichst wenig sagen, wie....(*)
• Klar begründetet Dinge zu sagen und trotz der Welle der Kritik
sich nicht beirren zu lassen, man stehe oder falle, wie .......(*)
• Vielleicht von allem zur rechten Zeit etwas, wie ...(*)
(*) Namen können selbst eingesetzt werden
Ich weiß keine definitive Antwort
Grüße
vom Brunnenbauer