Theo, wir fahr’n nach Lodz
Ich weiß nicht, wie es euch erging, aber 1974, als die liebliche Vicky ihren fulminanten Schlager rausbrachte, fand ich es bereits seltsam, dass sie da eine Stadt in Polen besang. Was hatte eine Dame aus dem Westen in Lodz zu schaffen? Nun, im nicht unbedingt sinnstiftenden Text ist sie mit dem Landleben unzufrieden
"Gott verlass′nes Dorf, nur Heu und Torf.
Stets der gleiche Trott, nur "Hü" und "Hott".
Im Stall die Kuh macht muh,
Die Hähne krähen dazu.
Das hällt keiner aus,
ich will hier raus."
und will nach der großen Stadt Lodz.
Ich habe mich mal näher damit befasst und rausgefunden, dass der Schlager, den Vicky Leandros sang, auf eine ganze Reihe von Vorläufern zurückblicken kann, die tatsächlich mit Lodz zu tun hatten. Blöderweise ist davon nicht viel belegt, so dass nur mündlich überlieferte Geschichten als Quelle dienen können. Danach soll das Lied seine Wurzeln im Dreißigjährigen Krieg haben, der ging von 1618 bis 1648, damit ist der Song 400 Jahre alt. Damals war es nicht unüblich, eine eingängige Melodie zu "covern" und mit einem neuen Text versehen, selbst zu verwenden.
Im 19. Jahrhundert wurde Lodz zu einer Industriemetropole. Die entstanden zu dieser Zeit in ganz Europa. Und die Fabriken suchten händeringend nach Arbeitern. Also wurde die Landbevölkerung rund um Lodz durch professionelle Werber aufgefordert, in die Stadt zu ziehen, es solle ihr Schaden nicht sein. Vorwiegend die jüdisch-polnische Bevölkerung ließ sich nun zahlreiche Spottlieder auf die bekannte Melodie einfallen und meist gab es im Refrain einen beliebigen Namen und die Aufforderung, nach Lodz zu kommen.
Das kommt dem Vicky-Lied schon recht nahe.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts kam nun er Erste Weltkrieg und die böhmische Firma Škoda (die man heut als Autobauer kennt) entwickelte und baute einen Mörser, also einen Granatwerfer von großer Reichweite und die Soldaten gaben ihr den Namen "Rosa". Und natürlich gab es auch wieder ein Lied, in dem ein österreichischer Soldat seine Braut Rosa überzeugen will, die Hochzeitsreise nach Lodz zu machen (also der Mörser wurde erstmals in Polen getestet und eingesetzt).
Von dem Lied gibt es noch alte Aufnahmen:
https://www.mediathek.at/katalogsuche/suche/detail/?pool=BWEB&uid=1105A6C9-119-085A1-00000C38-1104A739&cHash=5daa0a3fe0c1096a905e095a58d68922
1972 nun, gab es eine österreichische Fernsehserie "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk". In dieser wurde das Soldatenlied gesungen. Leo Leandros, der Vater von Vicky, hörte es und kam auf die Idee, seine Tochter mit einem neuen Taxt auf einer alten Melodie ins Rennen zu schicken. Und den Rest kennen wir.