Eine kleine, etwas längere Geschichte dazu
Ich möchte Euch eine kleine Geschichte erzählen. Sie beginnt mit einem Freund, der mich seit meiner Geburt durch das Leben begleitet hat. Manchmal war er auch mein Feind, aber meistens ist er mein Freund gewesen. Wir waren beide gestern Abend in einem Nachtclub, und obwohl die Mädchen freundlich und ganz sicher nicht hässlich waren, sind wir nach unserem Gespräch unverrichteter Dinge wieder nach Hause gegangen. Er klagte mir sein Leid über das Leben in einer glücklichen Ehe. Er ist um die fünfzig, kennt seit 7 Jahren seine Frau (Mitte vierzig) und hat sie vor 3 Jahren geheiratet. Nicht unwichtig ist, dass beide über einen IQ in der Nähe von 150 verfügen, Psychologie für sie kein Fremdwort und die Arbeit mit schwierigen Menschen tägliches berufliches Brot ist. Da er eigentlich gar nicht schreiben kann, habe ich mich heute Nacht noch hingesetzt und die Geschichte zu „Computer“ gebracht. Ich fand leider keine Lösung seines Problems. Vielleicht wisst Ihr ja mehr als ich (hoffentlich) und könnt ihm mit Eurer Erfahrung weiterhelfen.
Die Frau seiner Träume
Die Frau seiner Träume hätte verstanden, was diese Zeile bedeuten, denn sie wusste, dass er nichts so sehr fürchtete, wie eines Tages die Augen zu öffnen, reich zu sein oder zumindest ein sorgenfreies Leben führen zu können – und doch unglücklich zu sein. Zu sehen, dass er sich alles mit ihr erfüllt hatte, was Menschen sich erfüllen können – nur eines nicht – die Ehe.
Die Frau seiner Träume definierte ihr persönliches Glück nicht über die Anzahl der Menschen, denen sie geholfen hat, die Schönheit ihres Gartens, die Größe ihrer Firma oder den Stand der Abzahlung ihrer Bankkredite, die Sauberkeit der Wohnung oder das Wohlergehen der Verwandtschaft. Sie sah das nur als Mittel zum Zweck – eines gemeinsamen Lebens mit ihrem Partner, für ihren Partner – der das Gleiche für sie tun möchte.
Die Frau seiner Träume ordnete Erotik nicht an letzter Stelle ihrer Prioritäten ein und glaubte auch nicht, dass ein simples Fingerschnippen und der Spruch „Heute Abend gibt es Sex“ ihren Partner so aufregen würde, dass er den ganzen Tag in Vorfreude verbrachte. Sie wusste noch, wie ein Zungenkuss funktioniert und sie wusste, dass es nicht notwendig ist, vorher zu prüfen, ob seine Lippen auch hinreichend trocken sind.
Die Frau seiner Träume hatte Spaß daran, heraus zu finden, was ihren Partner aufregte, nutzte es für ihre Lust – und seine. Sie spielte dieses Spiel nicht verschämt und albern wie eine vierzehnjährige, sondern gab ihrem Partner das Gefühl, dass sie selbst vor Lust kaum gehen konnte. Für die Frau seiner Träume waren Sex und Erotik etwas, über das offen gesprochen werden konnte und sie hatte keine Vorwände wie „Ich passe nicht mehr in das Lackkleid“, „ich muss noch zehn Kilo abnehmen“, „ich bin müde“. Und sie kannte auch das Wort „aber“ nicht. Sie war spontan, lustvoll und hatte ab und zu dieses verschmitzte Lächeln im Gesicht, das sagte: „Versteck dich ruhig, ich krieg dich schon.“
Die Frau seiner Träume schuf Momente, in denen er sich fallen lassen konnte und wusste, dass sie da war und ihn auffangen würde und sie hielt ihm das, was sie dort unten von ihm sah, nie vor das Gesicht. Es war ihr Geheimnis und würde es bleiben – für immer und ewig. Sie tat dies forderungs- und bedingungslos – genau wie er es immer noch für sie tut. Sie konnte ihn so akzeptieren, wie er ist, seine Schwächen herausfinden und sie mit einem leisen Lächeln für die eigene Lust nutzen – er erinnert sich zumindest noch daran.
Die Frau seiner Träume war kein Bauerntrampel, das JEDEN Abend in Fließhosen von Tchibo, Wollsocken und einem T-Shirt auf der Couch saß und dachte, dass würde ihren Partner so richtig scharf machen. Sie wusste auch, dass ihr Partner kein Problem damit hat, wenn sie beim Orgasmus vor Lust ins Bett nässte und würde sich dafür nicht schämen. Sie hätte auch nicht vergessen, wie oft ihr Partner angedeutet hat, das er wadenlange Pluderhosen, Sport-BH, Bodys und nicht eng am Körper liegende Kleidungsstücke wie Pullover aller Art, ballonartige Röcke und Kleider als TÄGLICHE Bekleidung auf den Tod nicht ausstehen kann. Sie wüsste, dass seine bevorzugten Materialen die sind, die die Form des Körpers betonen, ohne sie zu zeigen, wie Seide, Leder, Nylon und wenn es etwas härter sein darf, auch gerne Lack. Trotzdem wüsste sie, dass es nicht die Materialen sind, die er liebt, sondern die Frau, die sie trägt. Natürlich wüsste sie auch, dass diese Aussage nicht für jeden Moment des Tages, der Woche, des Monats oder Jahres gilt, sondern dass es eine Frage „der überwiegenden Mehrheit“ ist. Jeder Tag das Lieblingsgericht, und irgendwann schmeckt es nicht mehr. Doch sie weiß, wie sein und ihr Lieblingsgericht schmeckt und so steht er unter permanenter Neugierde, um nicht zu sagen Spannung, wann wieder ein solcher Tag ist. Es muss nicht jeden Tag sein, nicht einmal jede Woche und schon gar nicht regelmäßig – aber es sollte ihn wenigstens geben – oder zumindest die Hoffnung darauf…. Sie wüsste, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem ihm das abendliche Onanieren, nachdem sie allein ins Bett gegangen ist, nicht mehr reicht.
Die Frau seiner Träume würde verstehen, dass diese Zeilen nur Ich-bezogen geschrieben werden konnten, denn sie weiß, dass jeder, der einen Wunsch erfüllt haben möchte, zuerst sagen muss:
„Ich möchte…“
Die Frau seiner Träume würde das nicht als Kritik auffassen und auch nicht als persönlichen Angriff, den sie, wie bei jeder Diskussion, gekonnt widerlegen müsste, sondern sie würde darüber ernsthaft nachdenken und diese Zeilen als das sehen, was sie sind: Ein letzter, nahezu verzweifelter Schrei um Hilfe – bevor das Schiff genau in der Mitte bricht und untergeht.
Die Frau seiner Träume hatte er schon einmal getroffen, doch sie ist verloren gegangen auf dem Weg,
irgendwie, irgendwo, irgendwann
Die Sonne des beginnenden Tages weckte ihn aus seinem Albtraum und er war so unglaublich froh, dass es nur ein böser Traum war?
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Ende der Geschichte (hoffentlich nicht) und danke, dass Ihr Euch die Zeit zum Lesen genommen habt.