Lang ist es her...
Vor mehr als 26 Jahren war die Bibermaus wieder solo, nachdem sie einem unzuverlässigen Typen den Laufpass gegeben hatte.
Eine DDR-weit vertrieben Zeitschrift bot eben mal so jungen Frauen an, dass sie kostenfrei eine Kleinanonce abdrucken lassen können.
Damals war der Weg eher weniger gebräuchlich und so etwas wie Partnervermittlungen gab es nicht.
Der Zufall wollte es, dass der Biberzahn genau diese Ausgabe der Zeitschrift in die Finger bekam und gegen seine Gewohnheit auch die wenigen Anoncen ansah.
Vor wenigen Wochen war der zweite Versuch gescheitert, seine längst geschiedene erste Ehe noch mal zu kitten. Das Sprichwort "Die Katze lässt das Mausen nicht" hatte sich leider bewahrheitet - seine Ex wandelte erneut auf Abwegen. Das war dann das endgültige aus für diese knapp 12 jährige Beziehung...
Der Kopf war nach dem gescheitereten Rettungsversuch inzwischen frei, um wieder nach vorn zu gucken.
Es passte also, das damals eine 24 jährige Frau mit der stolzen Größenangabe von nicht weniger als 1,84 m nach einer "Briefbekanntschaft oder vielleicht mehr.." suchte.
Der Biberzahn schlussfolgerte, dass bei Frauen mit der Größe vermutlich nicht allzuviele Interessenten auftauchen würden und hoffet auf eine Chance, vielleicht doch eien Antwort zu bekommen.
Das Jonglieren mit Worten berherrschte der Biberzahn damals schon ganz gut und so schaffte er es, in den engeren Kreis derer zu kommen, die da ein Interesse bekundeten.
Ganz wenige waren es nicht, die da geschrieben hatten.
Es gab einen Antwort auf den Brief und das was da - und das wie es geschrieben war hatte irgend etwas, was mehr als nur interessant war. Telefonieren war damals in der DDR nicht so alltäglich wie heute, denn damals waren private Telefonanschlüss relativ rar.
(Unbegreiflich - mann konnte trotzdem ganz gut leben....
)
Nach dem zweiten Brief entschloss er sich an einem Samstag vormittag völlig spontan, sich in seinen aus der gescheiterten Ehe als einziges geretteten himmelblauen Trabant zu schwingen und über die damals noch sehr holprige Autobahn (wenigsten über einen relativ großen Teil) in die Stadt der interessanten Dame zu fahren.
Immerhin waren das rund 250 km - für die damalige Zeit und für einen Trabbi mit seiner sehr "sportlichen" Federung fast eine kleine Weltreise....
Nach knapp 3 Stunden stand er dann vor der Tür der interessanten Dame, in der Hand einen kleinen Blumenstrauß und klinelte....
Einmal, zweimal, dreimal.... Nix... keine Reaktion.
Auch Nachbarn waren nicht da.
Nach 3 Stunden Belagerung der leeren Wohnung trat er den Rückweg an, nicht ohne ein paar Zeilen im Briefkasten zu hinterlassen.
Die Blumen standen am Abend wieder auf seinem Wohnzimmertisch, denn auf Verdacht und zum Klauen wollte er sie dann doch nicht dort lassen.
Natürlich war er da nicht der Lustigste am Start.
Leicht angefressen (kann man "maximal stinkig" so beschrieben.???..:-) ) wegen dieser Schnapsidee gut 500 km und ein Wochende ins Blaue gesetzt zu haben, trollte er sich über die Autobahn. Nur gut, dass er nicht auch noch Landstraße fahren musste.
An der Tanke schusselte er beim Einrasten der aufgestellten Motorhaube (beim Trabbi lag der 25 Liter Tank im Motorraum und war nur über die aufgestellte Motorhaube zugänglich...) und als er den Tankverschluss mit einem kräftigen Ruck öffnete, klappte die Motorhaube herunter und gab ihm zu seiner himmelhochjauchsenden Freude einen deftigen Schlag auf den Hinterkopf und sorgte dort für eine deftige Beule.
Statt eines netten Nachmittags mit einer vermutlich netten jungen Frau tat ihm nun der Rücken von der Fahrt und der Kopf von der Motorhaube weh.
Auch am Sonntag hatte er nicht wirklich Bock, einen neuen Brief zu schreiben.
Am Dienstag aber war Post von IHR da, die sich sehr gewundert hatte, weil sie ja nix ahnte, aber erklärte, dass sie auch traurig sein, dass ich nicht noch 30 Minuten gewartet hab. Da war sie nämlich von ihren Eltern zurück gewesen....
Tja, das war Pech.
Aber das kribbelnde Flämmchen in der Magengend begann sich zu melden, obwohl wir uns noch nie gesehen hatten - von 2..3 schwarz-weiß Fotos mal abgesehen.
Am folgenden Wochenende hatte sie Dienst und so vergingen die Tage bis zum nächstfolgenden Samstag quälend langsam.
Aber er schaffte es, bereits Mittags bei der interessanten Dame zu sein.
Wie und was dann passierte können wir eigentlich beide nicht mehr so richtig erklären.
Wir sahen uns und es blitzte bei beiden.
Da war sofort etwas, was uns signalisierte - das ist es!
Als wir uns am Sonntag verabschieden mussten war es für beide so, als ob wir uns schon ewig kenen würden und als ob wir uns für lange trennen müssten. Immerhin war der Bibezahn damals schon deutlich über 30, was damals ja schon die fast ältere Genration war...., aber er war verliebt wie ein Gymnasiast...
Und offenbar nicht nur er.
Das alles passierte im Juni des Jahres.
Im August fuhren wir in den ersten gemeinsamen Urlaub, der dann auch nicht folgenlos blieb.
Aber auch wenn das nicht wirklich geplant war, so waren wir uns sofort einig - wir werden ein gemeinsames Kind haben. Wir wollten es beide!
Noch bevor der Kleine im Juni des folgenden Jahres gesund und munter zur Welt kam hatten wir uns das Ja-Wort gegeben, obwohl sie eigentlich nie heiraten wollte und er nie wieder, war das für uns einfach ohne Alternative - es war die selbstverständlichste Sache der Welt.
Wir hatten es auch geschafft eine gemeinsame Wohnung zu beziehen und alles verleif fast wie ein Traum.
Die Post hat Briefstapel zu transportieren gehabt und wäre das Porto damsl so hoc, wie es heut ist - man hätten die Geld verdient...!
Na klar, es war in den folgenden Jahren nicht alles eitel Sonnenschein. Es gab auch Momente wo Gewitterwolken den Himel verdüsterten.
Aber nachdem Donner, Blitz und Wolken verzogen waren, war nicht nur die Luft wieder rein, sondern wir merkten immer wieder, wie groß die Liebe ist.
Mit der Wende kamen recht unruhige Zeiten, weil auch wir wie viele andere ihr Leben und ihren Job neu sortieren mussten.
Eine wichtige Zeit für uns. Eine Zeit wo es Probleme und Sorgen in Hülle und Fülle gab.
Arbeitslosigkeit war ja etwas, was wir nur vom Hörensagen kannten. Nun traf es uns selbst wie aus heiterem Himmel.
Er nutzte entschlossen eine Umschulung und wurde selbstädig. NAtürlich nicht ohne kräftig einzubüßen, weil er vieles nicht wusste (woher auch?) und die auf den Ämtern genaus so viel Ahnung hatten...
Aber der Einstieg klappt dann doch. Dann wurden wir beide selbständig. Und das in einem Umfeld, wo nichts so schnell stieg, wie die Arbeitslosigkeit.
In unserer Gegend waren es bis knapp 30% Arbeitslose, weil praktisch alle Großbetriebe entweder massiv schrumpften oder gänzlich in der Versenkung verschwanden.
Aber wir haben gemeinsam diese Zeit überstanden.
Wolf kann mit Fug und Recht sagen, dass sich das seine Ex nicht einmal im Ansatz angetan hätte. Sie wäre bei den ersten Problemchen auf und davon gewesen, wie sie es ja auch mit ihren späteren Partnern gemacht hat.
Nicht aber seine Maus!
Sie hielt auch in wirklich schweren Phasen durch und das hat uns nicht etwa wegen des Geldes zusammengeschweißt - das war nix zum Schweißen.... sondern genau deswegen weil wir uns gegenseitig die Kraft gaben, nicht alles hinzuschmeißen.
Jetzt, nachdem wir die Silberhochzeit hinter uns haben, schauen wir fast verwundert darauf zurück, wo die Jahre geblieben sind.
Wir sind heute nicht weniger verliebt wie damals.
Wir haben gemeinsam neue Wege und neue Grenzen gesucht und gefunden.
Wir sind glücklich, dass wir uns haben.
Und wir freuen uns über den Entschluss auf eine Anonce oder den brief reagiert zu haben.
Und vielleicht wer es dann auch der Schlag auf den Hinterkopf, der das Denkvermögen anregte - bei beiden.