2. Teil
Künstliche Intelligenz
Die künstliche Intelligenz wird sich in den Kameras weiter ausbreiten. Sie ist jetzt schon präsent.
Die größte Verbesserung in der Kameratechnologie der letzten Jahre war für mich der Motiv-, Gesichts- und Augen-Fokus der DSLMs. Bis dahin war der Autofokus eine Ingenieuraufgabe. Von einem AF-Feld, über 3, 5, 9 bis aktuell über 100, immer weiter über das Bildfeld verteilt, immer kleiner, immer präziser, immer lichtempfindlicher. Ingenieurskunst!
Ein bewegtes Motiv, z.B. ein fahrendes Auto über das ganze Bildfeld im Schärfebereich zuhalten, ein Gesicht oder sogar ein Auge zu erkennen und genau darauf scharf zu stellen, dazu reicht die Ingenieurskunst nicht aus. Dazu braucht es Intelligenz, die inMillionen von Bildpunkten ein Gesicht oder ein Auge lokalisieren kann. Früher saß diese Intelligenz hinter der Kamera, jetzt steht sie in der Kamera zur Verfügung. Künstliche Intelligenz!
Die großen Konkurrenten der Kamera, die Smartphones, sind schon viel weiter. Wenn man sieht, was Apple, Google oder Huawei bei einer Aufnahme für unterschiedliche Prozesse auslösen, um ein präsentables Bild zu erzeugen, das ist schon beeindruckend. Da werden Belichtungs- und/oder Schärfenreihe aufgenommen, aus denen das endgültige Bild zusammengesetzt wird (deep fusion, eine Alternative zu HDR), und die Bildelemente werden separiert und getrennt behandelt. Der Hintergrund wird dunkler, das Gesicht heller, die Haut wird geglättet und die Haare geschärft.
Wer mit jpeg fotografiert und auf Bildbearbeitung verzichtet, wird es immer schwerer haben, mitzuhalten. Urlaubsfotos, Familienfotos oder Schnappschüsse kommen aus einer KI-Smartphone-Kamera gefälliger als aus einer orthodoxen jpeg-Kamera. Die klassischen Kameras sind stolz, dass sie bei den traditionellen Werten wie Auflösung, Rauschverhalten oder Schärfe immer noch führen, aber das wird für die Masse der Fotografierenden immer weniger wichtig, da das Bildniveau der Smartphone-Fotos gut genug ist und der Mehraufwand für noch bessere Bilder sich für Viele nicht rechnet.
Die Kameraindustrie fängt an, dagegenzuhalten. So hat Leica Mitte 2019 eine „zweite digitale Revolution“ ausgerufen (Vorstandschef Matthias Harsch). Trotz guter Zahlen will Leica 100 von 800 Mitarbeitern betriebsbedingt abbauen, aber gleichzeitig 30 bis 40 Software-Experten einstellen, um den Kunden neben „bester Wetzlarer Optik“ auch „modernste automatisierte Bildoptimierung“ bieten zu können. Über ein Leica-Phone wird gemunkelt; die Kontakte zu Huawei stehen, da könnte das benötigte Knowhow herkommen.
Die zweite Firma, die 2019 im Bereich KI aktiv geworden ist, ist Sony. Sony hat den Bereich „Sony AI“ (artificial intelligence) gegründet, der mit Büros in Japan, Europa und des USA vertreten sein wird und zum Anfang drei Leuchtturm-Projekte in den Bereichen Gaming, Fotografie und Gastronomie durchführen soll. Hoffen wir, dass AI-Fotografie nicht nur der Verbesserung der Sony-Smartphones dient, sondern auch den klassischen Kameras zugutekommt.
Das ist jetzt meine Sicht der Dinge. Ich würde mich über weitere Beiträge zum Thema freuen. Vielleicht habe ich etwas übersehen, was ihr für wichtig erachtet? Oder es gibt eine andere Sicht der Dinge? Dann könnten spannende Diskussionen entstehen.
8-bit sind nicht genug
Wer seine Fotos am Computer nachbearbeitet, wird schnell an die Grenzen des jepg-Formats stoßen. Deshalb gibt es seit langem das RAW-Format, bei dem die Bilddaten mit 12- oder 14-bit gespeichert werden. Auch bei Videos wächst der Bedarf an Nachbearbeitung. Video im RAW-Format blieb aufgrund der anfallenden Datenmenge bisher nur den Hi-End-Maschinen und externer Speicherung vorbehalten, aber als Zwischenschritt werden Log-Formate immer populärer. Dabei werden die Daten vor der finalen Bearbeitung (Kontrast, Sättigung, Schärfe) abgegriffen und als eher flaue, kontrast- und farbarme Videos ausgegeben. Die Optimierung erfolgt dann am PC. Die entsprechenden Einstellungen nennen sich C-log, S-log, N-log, F-log, OM-log oder P-log – je nach Hersteller Canon, Sony, Nikon usw.
Auch bei Fotos out-of-the-cam wird 10-bit kommen. Die kommende Canon EOS 1Dx Mark III wird neben jpeg auch HEIF unterstützen. HEIF ist ein Foto-Datenformat innerhalb des HEVC-Standards und wird derzeit auf Smartphones angeboten, Apple und Hi-End Geräte ab Android 9. Es bietet 8- und 10-bit Datentiefe und die Möglichkeiten einer Tiefenmaske. Photoshop und Lightroom unterstützen HEIF. Tiefenmaske kann die neue Canon nicht, dazu wären zwei Objektive nötig, aber 10-bit ist ein Thema. In der Reportage-Fotografie ist Zeit ein KO-Kriterium. Die Bilder vom Fußballspiel sollen sofort nach dem Abpfiff in den Redaktionen sein und auf die Websites kommen. RAW-Daten sind zu groß und damit zu langsam in der Übertragung und für eine RAW-Entwicklung ist oft keine Zeit. Andererseits bietet das gute, alte 8-bit jpeg oft nicht genug Reserven, um Tiefen aufzuhellen oder andere Korrekturen auszuführen. Da bietet das 10-bit HEIF Vorteile. Moderne Browser können HEIF-Bilder direkt darstellen, ebenso der Windows Explorer/Apple Finder.
Den HEVC-Codec und 10-bit finden wir übrigens auch auf dem Fernseher. UHD-HDR heißt das bei 4k-Fernsehern.
Video wird wichtiger
4k-Video wird Standard, fast immer ohne Crop-Faktor. Was ist mit 8k? Bisher gibt es 8k-Videokameras nur als professionelle Geräte, z.B. hier
https://www.canon-europe.com/photokina/8k-camera/. Letztes Jahr zeigte Sharp auf der CES den Prototypen einer 8K Video-Kamera für MFT, Zielpreis war $ 4000. Auf den Markt gekommen ist die Sharp-Cam noch nicht. Panasonic wollte 2020 eine 8k Kamera fertig haben, die mit einem Organic Sensor mit einem Global Shutter ausgestattet sein sollte. Mehr als eine Ankündigung gab es auch noch nicht, und vor ein paar Wochen hat Panasonic erklärt, dass man das Imaging Sensor Business an eine südkoreanische Firma verkauft habe, da man sich vom Konsumenten-Geschäft trennen wolle. Ein weiterer Kandidat wäre Sony, Sensor-Know how hätten sie. Den Global Shutter hat Sony noch nicht fertig.
Bei den Datenformaten konkurrieren AVC/H.264 und HEVC/H.265. HEVC ist der modernere Codec mit höherer Datenkompression bei gleicher Bildqualität. Dafür benötigt HEVC deutlich mehr Rechenleistung, nicht nur in der Kamera, sondern auch bei der Videobearbeitung und der Wiedergabe.
Mittelfristig wird sich HEVC durchsetzen.