@******ber Deinem Konzept kann ich gut folgen, bzw. die Schwermut nachvollziehen. Meine Annäherung und (derzeitiges) Verständnis zu Wabi-Sabi verschiebt sich allerdings ein wenig (im Millimeterbreich
).
Ich frage mich dabei, was die Schönheit ausmacht. Vielleicht ist der "nicht gewollte Verlauf" einer Geschichte das Zünglein an der Waage. D.h. das an dem Zeitpunkt, als die Szenerie entstand - z.B. als der Baum abgestorben ist oder ein Gegenstand abgestellt wurde - ganz andere bzw. gar keine Pläne verhanden waren. Das Abstellen oder Unterstellen des Motorrades hatte einen Grund - vermute ich einfach - es sollte oder soll vielleicht eines Tages restauriert werden, es wurde also bewusst an diesen Ort gebracht, um geschützt zu sein. Also hat ein bewusstes Handeln diese Szenerie entstehen lassen und dieser Grund besteht auch noch. Vielleicht ist mehr Zeit vergangen als anfangs geplant aber ansonsten ist der "Zustand des Sachverhaltes" noch immer vorhanden. Und möglicherweise kann dieser Plan wieder aufgenommen werden.
Zum Verständnis meiner Gedankengänge setze ich hier mal ein nächstes Bild. Hier wurde aus der "Beendigung" einer Tätigkeit heraus, etwas abgestellt. Dass passierte wahrscheinlich öfter. Es gab einen kleinen Holzverschlag und jedesmal, wenn eine Tätigkeit erledigt war, wurden die Dinge hier abgestellt, bis zum nächsten Mal. Aber dieses "nächste Mal" passierte irgendwann einfach nicht mehr. Die Gründe erschließen sich uns nicht mehr. Sie hinterlassen einen Raum für Spekulationen. Darin verbirgt sich der Schwermut, die "Dramatik", vergleichbar dem menschlichen Gefühl von Verlassenheit. "Man hat mich vergessen!" Vielleicht hat noch eine zeitlang jemand daran gedacht, diese Dinge abzuholen und einer weiteren oder anderen Verwendung zuzuführen - aber das geschah nicht mehr. Wind und Wetter nagten an dem Holzverschlag, der irgendwann zusammenfiel und den Blick auf die Dinge freigab , die er "schützen" sollte. Nun sind auch sie mehr dem Verfall ausgesetzt. Im Sinne von Wabi-Sabi - so mein Verständnis - wird das Wabi (sich elend, einsam und verloren fühlen) hier offensichtlicher - es ensteht die Schwermut aufgrund einer "Sinnlosigkeit" des Enstehens, die Melancholie durch das Überschreiten des "point-of-no-return", das Sabi (alt sein, Patina zeigen, über Reife verfügen) nun verwandelt gemeinsam mit der Melancholie des Entstehens und des Verlaufs die Szenerie in etwas völlig Neues. Würde man nun die Pflanzen entfernen, den Verschlag wieder aufbauen, die Kanne polieren etc. dann wäre das Wabi-Sabi zerstört - die Ästhetik dahin. Das Motorad allerdings, restauriert und geputzt, würde seine Ästhetik behalten - und diese Ästhetik ist eine Ästhetik der Perfektion.
Wabi-Sabi ist für mich eine sehr emotionale Sache - die Fotografie(technik), d.h. der Umgang mit Blende, Verschlusszeit, ISO - und das Bestreben nach Perfektion (Goldener Schnitt, Zwei-Drittel etc.) treten hier in den Hintergrund, sie werden zum störenden Element, wenn ich sie im Moment meiner Wabi-Sabi-Begegnung priorisiere.
. © 2015 Arlequin Photographie