Ich habe keinen Meistertitel - jedenfalls nicht im Bereich Fotografie - aber ich denke, gute Manieren, professionelle Distanz etc. stehen dabei nicht auf dem Lehrplan. Im übertragenen Sinne mag ein Installateur einen Meistertitel haben, wenn er allerdings unter "Rohr verlegen" in der beruflichen Ausübung bei weiblichen Kunden andere Absichten hat, dann ist das durchaus unprofessionell. Schwarze Schafe gibt es immer und es wird richtig mies, wenn Machtpositionen ausgenutzt werden. Aber da bewegen wir uns sicherlich im Bereich des Strafrechts.
Der Beruf Fotograf hat sich gewandelt. Meine Großmutter fotografierte, ob sie sich als Fotografien sah, weiß ich nicht. Mein Großvater hatte sich in den späten 20er / frühen 30er der 1900erten Jahre für seine Tätigkeit als Maler wohl mit einer Kamera bezahlen lassen, weil er dachte, dass wäre ein schönes Geschenk für seine Frau. Nun, schnell erledigte meine Oma bis 1945 so ziemlich alle Fotoarbeiten im Dorf, von Festlichkeiten über Passbilder. Und dabei entwickelte sie einen wunderbaren Stil.
Nach 1945 übernahm ein Großonkel diesen Bereich, d.h. er lebte davon, baute ein Fotogeschäft mit Studio auf. Wie oft habe ich dort als Kind meine Filmrollen abgegeben und ungeduldig auf den Anruf gewartet: "Die Abzüge sind fertig!" Nun, sicher ist, dass meine Oma nie eine klassische Ausbildung zur Fotografin genossen hat. Und in der Familie wird erzählt, dass sie ihr Wissen an meinen Großonkel - der ihr Schwager war - weitergegben hat. Dieser nämlich, in der Zeit des Nationalsozialismus, war mehr oder weniger in der kommunalen Verwaltung tätig und nach dem Zusammenbruch arbeitslos. Im Familienverbund beratschlagte man also, mit was und wie er zukünftig seine Familie ernähren könne. Ich denke - weiß es nicht sicher - auch er hat keine klassische Ausbildung zum Fotografen-Gesellen durchlaufen. Interessant ist eine aus der Zeit noch vorhandene Genehmigung der britischen Militärregierung, die es im erlaubte als Fotograf zu arbeiten - und die war notwendig, da er mit Chemikalien und leicht entflammbaren Materialien hantierte. Über die eigentliche Qualifikation als Fotograf steht dort nichts. Er eröffnte also ein Fotogeschäft, meine Oma stellte die "bezahlte" Fotografie ein. Das nennt man dann wohl pragmatische Familenpolitik.
Nun denn - um es abzukürzen - als ich Fotograf werden wollte (die Zeit für mich einen Beruf zu erlernen war Anfang der 80er), sagte man mir, ich solle etwas vernünftiges lernen, mit dem man eine Familie ernähren kann. So war ich nie "Auszubildender zum Fotografen". D.h. aber nicht, dass ich im Laufe der Jahre nicht auch Fotografie gelernt habe. Allerdings überwiegend als Autodidakt. Und ich habe damit - die Pandemie hat mir einen Dämpfer verpasst - durchaus meinen Unterhalt damit verdient. Dennoch unterteile ich auch gerne meinen fotografisches Gesamtbereich. Es gibt Dinge, da bin ich vielleicht Hobbyist (weil niemand dafür zahlt und weil ich gerne experimentiere) und es gibt Dinge, die ich im Auftrag mache bzw. meinen Unterhalt damit verdiene. Aber diese Dinge sind nicht zu trennen. Das Eine beeinflusst das Andere.
Nun noch zu den Begrifflichkeiten - ich hatte das Thema vorgegegben (Fotograf - Shutterbug - Knipser). Mit der Bezeichnung Fotograf identifizieren wir schnell den Profi. Der macht alles richtig, hat 'ne sündhaft teure Ausrüstung, ist der Meister schlechthin und schwebt vergleichbar Genesis 1.2 gottgleich über dem Wasser. Die Realität sagt etwas anderes und der Fotograf bekommt Konkurenz: Den "Shutterbug"!
Diesen Begriff habe ich in einem Fotoprojekt in den USA kennengelernt. What the fuck is a shutterbug? Nun, ein Shutterbug ist ein Hobbyist, der so tief in der Materie steckt, dass er so manchen Meister in die Tasche steckt und (überwiegend) hoch professionelle Bilder schießt. Nur verdient er damit kein Geld. Er ist purer Idealist und fotografiert nur dann, wenn es ihm gefällt oder er inspiriert ist. So gesehen bin auch ich (und jeder gute Fotograf, behaupte ich) in verschiedenen Bereichen ein Shutterbug.
Bleibt noch der Knipser (Wer zum Fotografieren keine Zeit hat, muss knipsen): Knipsen ist etwas anderes - zumindest in Deutschland. Das kann zum Einen wildes Erstellen von Schnappschüssen sein, aber auch ganz bewusst eine Kunstrichtung. Zwei Damen, die ich mal in einem Projekt kennengelernt habe, hatten jeweils ein ganz spezielles Hobby. Die Eine knipste mit dem Handy (kein Smartphone) und zwar auf eine Art und Weise, dass sie schon in Ausstellungen zu sehen war. Die andere Dame ebenfalls, sie war mit einer Polaroid unterwegs. Beide bezeichneten sich ganz selbstbewusst als Knipser und waren stolz darauf. Ich könnte das z.B. nicht, denn bei beiden läuft unterschwellig eine Herangehensweise ab, die sie selber nicht definieren können und auch nicht wollen und dadurch Kunstwerke schaffen. Ich wäre aufgeschmissen. Im Übrigen "knipst" hier in Luxemburg auch der Fotograf - andere Länder, andere Begrifflichkeiten.