Fluctuat, nec mergitur
Fluctuat, nec mergitur (Sie schwankt, aber geht nicht unter) ist seit 1853 Wappenspruch der Stadt Paris. Einiges hat diese Stadt gerade in den letzten Jahren mitmachen müssen. Jetzt schaute die Welt bestürzt auf eine brennende Kirche - nicht irgendeine, sondern auf die Kathedrale Notre-Dame de Paris. Sie ist eine Kirche, ein Gotteshaus in dem Gläubige beten. Aber Notre Dame auch nur ansatzweise auf eine Kirche zu reduzieren, der kratzt auch nur ganz außen an der Oberfläche. Notre Dame de Paris ist viel mehr. Für Kunsthistoriker liegt ein nationales (auch europäisches) Kulturerbe in Schutt und Asche, für Franzosen geht es auch sicherlich um ein Symbol der nationalen Identität - auch wenn sie sich in der Französischen Revolution vom Joch "Monarchie und Kirche" befreit haben und so auch ein Vorbild für eine freie, pluralistische und säkularisierte Gesellschaft schufen. Sicherlich hatte die Révolution française im Detail auch unrühmliche Abschnitte - keine Frage.
Schon allein die Symbolkraft dieser Kathedrale bewirkte bei mir einen Schock, als ich vom Brand erfuhr. Ich dachte dabei nicht an Kirche, dachte auch nicht an einen Anschlag - nein ich war einfach nur fassungslos geschockt, gepaart mit der Hoffnung, dass der Schaden so gering wie möglich gehalten würde. Und heute gilt in erster Linie mein Dank und meine Anerkennung der Feuerwehr, die (mit Sicherheit auch unter Lebensgefahr) das Feuer bekämpfte und Kulturgut rettete. Und desweiteren war ich froh über die Anteilnahme - nicht nur aus islamischen Ländern - sondern gerade aus Deutschland, dessen Militär des Kaiserreiches es legitim ansah, die Kathedrale Notre-Dame de Reims in Schutt und Asche zu bomben, um den (französischen) Gegner zu demütigen. Strategisch machte diese Barberei überhaupt keinen Sinn, auch wenn die (deutsche) Kriegspropaganda behauptete französiche Beobachtungsposten in den Türmen der Kathedrale bekämpft zu haben.
In diesen Tagen war es kein Krieg, kein Terroranschlag, noch nicht mal eine profane Brandstiftung - die Ursache liegt (wahrscheinlich) in den Bauarbeiten - ein Klassiker, der oft passiert ist und weiterhin passieren wird. Wer z.B. schon mal geflext hat, weiß wie Funken fliegen und vor allem, dass sie in jede Ritze landen können und dort erstmal vor sich hinschwehlen. Und jahrhundertaltes trockenes Holz ist leicht entflammbar. Was nun auf der Île de la Cité den Brand verursacht hat, werden folgende Untersuchungen aufzeigen. Was bleibt ist erstmal eine große Traurigkeit über die vollstängige Zerstörung elementaren Kulturgutes, dass auch keine noch so große Spende wieder zurück bringen wird.
Und hier mischt sich nun ein schaler Beigeschmack in meine Gedankenwelt. Heute las ich in der Zeitung, dass mittlerweile soviele Spenden und Spendenzusagen eingegangen sind, dass man mit dem Geld -
800 Millionen € - schon jetzt
zwei imposante Kathedralen bauen könnte. Ich zitiere mal einen Teil des Leitartikels: "Vor gerade mal einem Monat wütete der Zyklon "Idai" in weiten Teilen Mosambiks, Malawis und auch Simbabwe und zertörte ganze Landstriche. "Idai" forderte rund tausend Todesopfer. Schulen und Wohnhäuser wurden dem Erdboden gleich gemacht. In der Hafenstadt Beira mit ihren 500 000 Einwohnern ist nichts mehr, wie es war. Und als wäre das nicht schlimm genug, wütet im Katastrophengebiet die Cholera. Die Weltbank schätzt die Schäden auf rund
zwei Milliarden US-Dollar. Bisher zugesagte Spenden ... : vergleichbare magere
251 Millionen Dollar. Was angesichts der Katastrophe in Paris nicht vergessen werden darf, ist die Frage, warum Bilder eines brennenden Dachstuhls viel eher die Spendenbereitschaft anregen als die erschreckenden Bilder von Millionen notleidender Menschen..."
Ich stelle nicht die Spendenbereitschaft für Kathedrale Notre-Dame de Paris infrage, aber es bleibt ein fader Beigeschmack, wenn es um die Verhältnismäßigkeit geht.