Wie bitte? Kein Sex?
Wie bitte? Kein Sex?Super! Das erste Date dank Joyclub seit gefühlten 30 Jahren. Und die Dame? – ich war hingerissenen: „Halb zog sie ihn, halb sank er hin ...“ Oder so ähnlich. Schmetterlinge, die sich weit über den Blinddarm ausbreiten; Hormone, die Samba tanzen; Gefühle die abgehen wie Schmidts Katze bei Feueralarm. Mein Hirn fühlte sich an, als hätte es einige Stunden im Weinkeller bei edlen Tropfen verbracht, hatte sie doch in der letzten CM geschrieben, dass sie mich – sobald sie meiner habhaft würde, sofort „vernaschen täte“. Natürlich übermittelte ich standesgemäß ein seriöses, neueres Foto und meine Telefonnummer. Wir hatten gescherzt und gelacht und uns sogar geneckt – telefonisch. Und ein bisschen kam ich mir vor wie ein 16jähriger Teenager auf Speed. Das Vernaschen verlor seine kannibalistischen Schrecken; vielleicht wäre ich sogar bereit, mich einzuverleiben lassen wie jene Spinnenmännchen, die nach dem Akt von der Dame ihres Netzwerkes als Fastfood verwertet werden. Sei' s drum. Wir leben in einer Welt des Restrisikos.
Dann kam die Stunde der Wahrheit. Ich stand in einem öffentlichen Café, wo wir verabredet waren, der potenziellen Genießerin gegenüber. Zweifellos, sie war attraktiv, wenn nicht sogar heiß. Ganz heiß. Hot! Ich schluckte. Ich bebte. Ich hyperventilierte. Da war sie also, der Traum meiner arbeitslosen Tage, der Deckel meines toten Dackels, die erotische Naturgewalt meiner zügellosen Sehnsucht, die Sinnformel meines beknackten Universums ...
Wir suchten den Tisch aus, ich taumelte mehr als dass ich ging, wir setzten uns und bestellten einen Kaffee und sahen uns in die Augen. Sie nippe am Kaffeebecher und bemerkte wie zufällig versonnen: „Ich glaube, wir werden keinen Sex haben!“
Nun war es ausgesprochen, überfallartig, mit der Wucht eine Handtasche, in der sich ein Backstein verbirgt. Was ist das? Kein Sex? Eine neuer Trend, von dem ich bisher noch nichts mitbekam? Eine Spielart der Erotik, erfunden und gefördert vom Verein der verklemmten Mechanikerinnen? Das klangt am Telefon ganz anders; eher wie: dein Rohr bekommen wir schon frei! – oder so ähnlich. Ich bin nur mäßig handwerklich begabt – zugeben.
Die Erde tat sich unter mir auf. Sofort rechnet ich innerlich durch, woran es liegen könnte. Hatte ich ihr etwas verschwiegen, dass jetzt offenbar wurde? Zu große Ohren, zu viele graue Haare, falsche Augenfarbe. Sah ich aus wie Quasimodo auf der Besetzungscouch mit Megan Fox oder wie das Biest kurz vor der Polka mit der Schönen? Es brach aus mir heraus und ich rief etwas lauter als schicklich:
„Wie? Kein Sex?“
Einige ältere Damen schauten irritiert von der Kirschtorte auf. Eine von Ihnen lächelte seltsam. Der Kellner ließ das Tablett fallen und es gab im Café einen kurzen Tumult als sei die Nachricht eingetroffen, dass Alice Schwarzer den Papst heiraten wolle oder Christian Grey doch lieber entschieden habe, schwul zu werden.
Ich stammelte was, von „Zahlen!“ und gab zerstreut dem Kellner als Trinkgeld mehr als das Doppelte dessen, was der Kaffee kostete. Dann verabschiedete ich mich artig von der Dame, die auf keinen Sex stand. Sie schaute jetzt sehr konzentriert auf das Stück Käsekuchen auf dem Teller vor sich. Merkwürdig, so hungrig oder unterernährt sah sie gar nicht aus, sie, die mich gestern noch „vernaschen“ wollte. Frechheit! Konnte ein Stück Käsekuchen attraktiver sein als ich?
Dann ging ich meiner Wege und wir sahen uns nie wieder. Soll sie doch mit Käsekuchen Sex haben!
©Dreamy2016
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