Ist es gemein wenn ich Watzke wünsche das er in der nächsten Saison richtig auf die Schnauze fliegt?
Das ganze hat sich mittlerweile auch von einer reinen Sportartikel Sache in die Wirtschaftsabteilung des Spiegel gemausert.
Trainer Thomas Tuchel hat Borussia Dortmund sportlich und wirtschaftlich vorangebracht. Seine Entlassung erscheint daher aus Sicht der BVB-Aktionäre unprofessionell und ökonomisch unklug.
Der Rauswurf von Trainer Thomas Tuchel bei Borussia Dortmund wird noch immer heiß diskutiert: Die einen schütteln den Kopf, weil Tuchels Erfolgsbilanz eigentlich einwandfrei ist, die anderen spekulieren über interne Querelen im Verein, die die Trennung angeblich unausweichlich gemacht haben sollen. Ein bemerkenswertes Phänomen bleibt dabei allerdings weitgehend unbeachtet: Der Kurs der BVB-Aktie reagierte auf den Trainer-Rauswurf so gut wie gar nicht.
Das ist an der Börse keine Selbstverständlichkeit. Wenn bei anderen Unternehmen die CEOs abtreten - und der Vergleich Trainer/CEO erscheint in diesem Fall durchaus angebracht -, hat das schon zu erheblichen Kursschwankungen geführt. Ein Beispiel ist der überraschende Wechsel von Topmanager Kasper Rorsted vom Konsumgüterhersteller Henkel zum Sportartikelproduzenten Adidas im vergangenen Jahr. Die Nachricht erwischte die Anleger völlig unvorbereitet und ließ die Henkel-Aktie binnen Kurzem um 6 Prozent einbrechen. Gleichzeitig sprang das Adidas-Papier um 12 Prozent in die Höhe.
Zwar kam Tuchels Ende in Dortmund nicht so unerwartet wie seinerzeit jenes von Rorsted bei Henkel. Das Lied von der bevorstehenden "Trennung", wie der BVB den Rauswurf in einer Mitteilung beschönigend nannte, pfiffen vielmehr schon seit Wochen die Spatzen von den Dächern. Aber auch während dieser Zeit waren die Ungewissheit und die Spekulationen über Tuchels Schicksal dem Aktienkurs nicht anzumerken.
Die Gleichgültigkeit der Investoren verwundert umso mehr angesichts des vorangegangenen Kursverlaufs der BVB-Aktie: In den beiden Tuchel-Jahren befand sich das Papier auf einem Höhenflug, wie ihn die Anleger zuvor eher selten erlebt hatten.
Unmittelbar nach dem Börsengang im Jahr 2000, als das Schwarz-Gelbe-Papier zum Ausgabepreis von elf Euro in den Handel gekommen war, setzte der Kurs vielmehr erst einmal zu einer langen und schmerzhaften Talfahrt an. Als der Verein wenige Jahre später einen Schuldenberg von mehr als 100 Millionen Euro angehäuft hatte und zur Existenzrettung sogar das eigene Stadion verkaufen musste, war der Tiefpunkt erreicht: Die BVB-Aktie kostete zeitweise weniger als einen Euro.
2. Teil: Für diese Millionensummen können sich BVB-Fans bei Tuchel bedanken
Dann kam die Wende: Zunächst bekam der Verein ein neues Management um den heutigen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dem mit hartem Sparkurs die wirtschaftliche Sanierung des BVB gelang, Rückkauf des Stadions inklusive. Und vielleicht noch wichtiger: Kurz darauf stieß ein gewisser Kultcoach namens Jürgen Klopp zu den Borussen und brachte den sportlichen Erfolg zurück nach Dortmund. Bis zum Amtsantritt von Thomas Tuchel Mitte 2015 kletterte der BVB-Aktienkurs daraufhin binnen rund zehn Jahren immerhin wieder auf etwa 3,50 Euro.
Was mit der Aktie seitdem passiert ist, dürfte zumindest zu einem guten Teil dem jetzt geschassten Trainer zugute zu schreiben sein: Der Kurs stieg in den vergangenen beiden Jahren noch einmal kräftig an. Seinen seit Jahren höchsten Wert von 6,30 Euro erreichte das BVB-Papier erst vor wenigen Tagen, unmittelbar vor dem Dortmunder Sieg beim DFB-Pokalfinale in Berlin - und dem darauf folgenden Rauswurf des Trainers.
Ein Kursplus von 3,50 Euro auf 6,30 Euro, also um 80 Prozent binnen zwei Jahren - davon können viele Chefs anderer Aktiengesellschaften nur träumen. Zum Vergleich: Die Aktie von Henkel, die beim Abgang von Kasper Rorsted so abrupt den Halt verlor, war zuvor während der Amtszeit des Dänen um insgesamt 240 Prozent gestiegen. Dafür hatte das Papier allerdings von 2008 bis 2016 auch acht Jahre Zeit.
Im Falle von Thomas Tuchel gibt es jedenfalls gleich eine ganze Reihe von Erfolgsbelegen, an denen sich die gute Kursentwicklung der BVB-Aktie festmachen lässt:
Borussia Dortmund schloss Tuchels erste Bundesliga-Saison 2015/2016 mit sensationellen 78 Punkten als Vizemeister ab, geschlagen lediglich vom noch stärkeren FC Bayern München. So viele Punkte hatte bis dahin noch nie ein Tabellenzweiter in einer Bundesliga-Saison erreicht. Wohl gemerkt: Die Spielzeit zuvor - Klopps letzte in Dortmund - beendete der BVB mit 46 Punkten auf Platz sieben der Tabelle, nachdem er im Saisonverlauf zeitweise sogar die rote Laterne des Tabellenletzten getragen hatte.
Tuchel erreichte mit dem BVB in beiden Jahren seiner Amtszeit das DFB-Pokalfinale, wie zuvor auch Klopp in seinen beiden letzten Jahren in Dortmund. Zuletzt konnte Tuchel den Cup Ende Mai dieses Jahres bekanntlich sogar gewinnen, womit Dortmund den ersten Titel seit 2012 errang.
Auch in der jüngsten Bundesliga-Saison schaffte Borussia Dortmund unter Tuchel mit Tabellenplatz drei das ausgegebene Ziel der direkten Qualifikation zur Champions League. Damit gelangte die Mannschaft in beiden Spielzeiten, in denen Tuchel auf der Bank saß, direkt in die europäische Königsklasse. Für den Verein ist das jeweils mit Millioneneinnahmen verbunden, sowie mit höheren Umsätzen etwa im Sponsoring oder im Merchandising.
Tuchel erreichte in 68 Bundesliga-Spielen, in denen er für die Dortmunder verantwortlich war, einen Punkteschnitt von 2,09 - so viel, wie kein anderer Dortmunder Coach in der langen Vereinsgeschichte vor ihm. Auch Meistercoach Jürgen Klopp erreichte in 238 Spielen "lediglich" einen Schnitt von 1,9 Punkten.
Tuchel schuf für den Verein auch auf andere Weise wirtschaftliche Werte, etwa, indem unter seiner Ägide die Marktwerte einiger Topspieler in die Höhe schnellten. Bestes Beispiel: Mittelfeldspieler Henrik Mkhitaryan. Den Wert des Armeniers taxierte Transfermarkt.de 2015, als Tuchel in Dortmund das Ruder übernahm, auf weniger als 20 Millionen Euro. Ein Jahr später, nach der starken Saison 2015/2016 der Borussen, wechselte Mkhitaryan zu Manchester United, und zwar für eine Ablösesumme von 42 Millionen Euro - das war Dortmunder Vereinsrekord.
Auch bei den Spielern Mats Hummels, der zu Bayern München wechselte, sowie Ilkay Gündogan, der zu Manchester City ging, war Tuchels Arbeit für den Verein Millionen wert. Bei beiden Tranfers flossen Ablösesummen, die laut Transfermarkt.de deutlich über den Werten lagen, die die Spieler beim Amtsantritt von Thomas Tuchel hatten.
Nicht zu vergessen Pierre-Emerick Aubameyang, über dessen Abgang aus Dortmund derzeit heftig spekuliert wird. Der Torjäger ist laut Transfermarkt.de inzwischen 65 Millionen Euro wert. Als Aubameyang 2013 nach Dortmund wechselte, zahlte der BVB Berichten zufolge lediglich 15 Millionen Euro für den Stürmer. Noch 2015, als Tuchel in Dortmund das Ruder übernahm, bezifferte Transfermarkt.de den Wert Aubameyangs auf 19 Millionen Euro.
3. Teil: Diese Fehler können BVB-Fans Manager Watzke ankreiden
Die Liste ließe sich zweifellos fortsetzen. Aus Sicht der Börse ist daher klar: Thomas Tuchels Rauswurf beim BVB ist nicht nur kaum nachvollziehbar, er erscheint vielmehr sogar durch nichts zu rechtfertigen. Insbesondere mögliche zwischenmenschliche Animositäten, die es offenbar zwischen Tuchel und Dortmunds Geschäftsführer Watzke gegeben hat, und die letztlich die Hauptursache für den Rauswurf sein sollen, erscheinen als Grund inakzeptabel. In einem Unternehmen, das mit dem Geld Tausender Investoren Millionengeschäfte tätigt, und das als professioneller Player am Kapitalmarkt wahrgenommen werden will, dürfen solche persönlichen Befindlichkeiten einzelner Akteure im Management keine so entscheidende Rolle spielen.
Die Kritik am Rauswurf Tuchels ist aber nur das eine - womöglich sollten BVB-Aktionäre sogar noch einen Schritt weiter gehen. Schließlich ist inzwischen offensichtlich, dass die Verbannung Tuchels keineswegs der einzige Fehler ist, den sich Geschäftsführer Watzke ankreiden lassen muss.
Vielmehr gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass Watzke auch bei Dortmunds einzigem echten Misserfolg in der jüngeren Vergangenheit, nämlich dem Ausscheiden gegen den AS Monaco im Viertelfinale der Champions League dieses Jahres, eine überaus fragwürdige Rolle gespielt hat. Den beiden Niederlagen im Hin- sowie im Rückspiel im April dieses Jahres ging bekanntlich jener verhängnisvolle Sprengstoffanschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus voraus, den das Team nur mit Glück einigermaßen glimpflich überstand.
Watzkes fatale Entscheidung nach dem Sprengstoffanschlag
In der Folge war es dann BVB-Boss Watzke, der zustimmte, die erste Partie nach dem Anschlag nur einen Tag später nachzuholen. Damit geriet der Manager nicht nur in den öffentlichen Dissenz mit seinem Trainer, der die Entscheidung für falsch hielt. Watzke ignorierte vielmehr offensichtlich und entgegen seiner bisherigen Darstellung auch die Proteste von hochkarätigen BVB-Profis, wie jetzt die Zeitung "Die Zeit" berichtet hat.
Als wäre das noch nicht genug, machte der BVB-Geschäftsführer zuletzt auch bei der Suche nach einem Nachfolger für Tuchel keine gute Figur: Als Wunschcoach hatte sich Watzke offenbar den Schweizer Lucien Favre ausgeguckt. Der Name dürfte bei vielen Dortmunder Fans für Kopfschütteln sorgen. Schließlich soll auf den erfolgreichen Tuchel mit Favre ein Fußballlehrer folgen, der in der Bundeliga zuletzt bei Borussia Mönchengladbach nach desolatem Start in die Saison 2015/2016 freiwillig das Handtuch warf.
Favres aktueller Arbeitgeber, der französische Erstliga-Club OGC Nizza, gehört trotz zuletzt guter Ergebnisse auch nicht gerade zu den ersten Adressen im europäischen Fußball. Immerhin beendete Nizza mit Favre auf der Bank die abgelaufene Saison der französischen Ligue 1 auf Tabellenplatz drei, hinter einem nicht zu stoppenden AS Monaco und einem Team von Paris Saint-Germain, das vor Geld kaum laufen kann.
Offenbar wird Favre aber ohnehin nicht nach Dortmund wechseln - der nächste Rückschlag für BVB-Manager Watzke.
Kurzum, aus Anlegersicht bleibt in Sachen BVB-Aktie ein nüchternes Fazit: Hans-Joachim Watzke hat sich zweifellos vor allem in der existenziellen Krise des Vereins vor einigen Jahren um die Rettung von Schwarz-Gelb sehr verdient gemacht. Stand heute sieht es aber so aus, als hätte im Kleinkrieg an der Spitze des BVB der falsche Mann den Kürzeren gezogen.
Quelle: Manager Magazin.