Dreifachbestrafung???
Nach der Diskussion am vergangenen Wochenende, rund um die roten Karten für Hummels und Klavan, erschien nun folgender BEricht, der das Bestrafungsszenario mal von einer anderen Seite aus betrachtet:
Bericht in az-online.de (Quellennachweis)
Warum es dem Geist des Fußballs entspricht, dass regelwidrige Torvereitelungen immer mit Rot bestraft werden sollten
Gelsenkirchen/Mönchengladbach/Sinsheim. Nach den beiden berechtigten Roten Karten für Mats Hummels (Borussia Dortmund) und Ragnar Klavan (FC Augsburg) beklagt der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Wolfgang Niersbach, in der BILD-Zeitung „diese Dreifach-Bestrafung“ sei angeblich „eine der größten Ungerechtigkeiten des Regelwerks“. Hummels und Klavan verhindern am 8. Spieltag der Bundesliga durch eindeutige Foulspiele im Strafraum eindeutige Torchancen, verursachen dadurch eindeutige Strafstöße und sehen daher eindeutige rote Kartons.
Der „Pfiff der Woche“ notiert in seiner heutigen Ausgabe, warum der Platzverweis für Spieler, die illegal Tormöglichkeiten vereiteln, voll und ganz dem Geist des Fußballsports entspricht.
Warum die Rote Karte gut für den Fußball ist
Der Fußballsport ist nämlich wegen seiner Tore weltweit so attraktiv – und nicht wegen der geschicktesten Torverhinderer und besten Foulspieler. Aber der Reihe nach. Zunächst zu den Szenen. Und die sind regeltechnisch klar. In der 80. Minute von Gladbach foult Dortmunds Mats Hummels seinen Gegner Harvard Nordveidt, der einschussbereit vor BVB-Keeper Roman Weidenfeller steht. FIFA-Referee Manuel Gräfe aus Berlin entscheidet korrekt auf Foul, Strafstoß und Rot für Hummels.
Zu diesem Zeitpunkt ist Ragnar Klavan bereits seit mehr als einer Stunde frisch geduscht. Augsburgs estnischer Abwehrspieler kassiert schon in der 15. Spielminute auf Schalke für sein Foul an Adam Szalai von FIFA-Schiedsrichter Marco Fritz aus Korb in Baden-Württemberg die Rote Karte. Da das Vergehen im Strafraum geschieht, gibt’s auch hier mit Recht den Strafstoß.
Den hätte es, neben dem Feldverweis, auch in der 9. Minute von Mainz geben müssen. Hoffenheims David Abraham hält und bringt den 05er Niki Zimling zu Fall. Hier ist dem renommierten FIFA-Unparteiischen Wolfgang Stark (Ergolding), neben Dr. Felix Brych (München) Kandidat für die WM 2014, allerdings kaum ein Vorwurf zu machen, wie auch – sehr fair – viele Fernsehkommentatoren (etwa bei ARD und Sky) feststellen. Ohne mehrfache Zeitlupe ist Abrahams Foul schwer wahrzunehmen, und bei einer solch gravierenden Entscheidung lässt man als Schiedsrichter dann im Zweifel weiterlaufen.
Rote Karte garantiert attraktiven Fußball
Drei Szenen am 8. Spieltag – und für alle drei sieht das Fußball-Regelwerk den Strafstoß und die Rote Karte vor. Warum? Das „International Board“, also die FIFA-Regelkommission, die über das Regelwerk wacht, ist daran gelegen, dass der Fußballsport so einfach und so attraktiv bleibt wie bisher. Denn darin liegt sein weltweites Erfolgsrezept. Die Menschen gehen in die Stadien und schalten zu Millionen die Fernseher ein, weil sie ein möglichst schnelles Spiel ohne großartige Unterbrechungen und Verzögerungen sowie – vor allem – viele Tore sehen wollen.
Also möglichst viele Tore – und genau deswegen hat das „International Board“ die Regel eingeführt, dass diejenigen, die regelwidrig Tore und klare Torchancen verhindern, mit der Roten Karte bestraft werden. Egal, wo das Foul passiert. Denn der Sinn dieser Regel liegt natürlich nicht darin, den armen Schiedsrichtern einen Feldverweis nach dem anderen aufzubürden, sondern der Sinn dieser Regel liegt in der Prävention, in der Abschreckung: Die Akteure wissen, wenn sie sich so verhalten, dass sie zum einen vom Platz fliegen und zum anderen mindestens einen direkten Freistoß für den Gegner riskieren – und im Strafraum einen Strafstoß.
Warum die Rote Karte Foulspiele verhindert
Daher ist die Wirkung dieser Regel, dass die Verteidiger im Zweifel einmal mehr zurückziehen, eben nicht foulen – so, wie man es Woche für Woche in allen Spielklassen von Kreis- bis zur Bundesliga sieht: Der Abwehrspieler verzichtet auf ein Foul, weil er weiß, dass er dafür möglicherweise vom Platz gestellt wird. Die Regel, die etwas verkürzt auch als „Notbremsen-Regelung“ bezeichnet wird, hat sich seit vielen Jahren in der Praxis bewährt, weil bestimmte Foulspiele gar nicht erst passieren. Jeder, der als Schiedsrichter mal auf dem Feld stand, die Praxis kennt, weiß das.
Fazit: Ungerecht ist nicht die Folge des Fouls, also die Konsequenz für den Sünder und seine Mannschaft. Ungerecht ist vielmehr das Foul selbst, die „Notbremse“, die regelwidrige, grob unsportliche Vereitelung einer tollen Tormöglichkeit des Gegners, die mit Fairplay nichts zu tun hat. Eine vorschnelle Regeländerung, die lediglich mehr Foulspiele zur Folge hätte, ist keine Lösung. Die gute Lösung ist ganz simpel: Einfach solche Foulspiele sein lassen.
Aus der Regel 12:
Ein Spieler, Auswechselspieler oder ausgewechselter Spieler erhält die Rote Karte und wird des Feldes verwiesen, wenn er eines der folgenden (…) Vergehen begeht: Vereiteln einer offensichtlichen Torchance für einen auf sein Tor zulaufenden Gegenspieler durch ein Vergehen, das mit Freistoß oder Strafstoß zu ahnden ist.
Die Regel war eindeutig. Und gut ist, daß sie keinen Ermessensspielraum zulässt. Der Schiedsrichter muss nur entscheiden, ob ein regelwidriges Verhalten vorliegt oder nicht. UInd dann noch, ob es eine klare Torchance war oder nicht.
Mit der Begründung, die ich im Sinn der Regel völlig nachvollziehen kann, habe ich weit mehr Verständnis und eine neue Sichtweise. Das war gut erklärt.
LG S*herz