Das kann ich dir wohl sagen, was das Hauptproblem ist, weil ich recht nahe beim HSV dran bin, und dies auch schon seit über 40 Jahren. Des Problem isch, dass Markus Gisdol im Grunde eine recht passable Rückrunde, vergangene Saison, gespielt hatte, 8 von 11 Heimspielen gewonnen und mit seinem Spielsystem auf einem guten Weg war. Die Defensive stand plötzlich ausgezeichnet, das Gegenpressing und schnelle Umschaltspiel klappte, man bewegte sich in der Rückrunde tatsächlich auf CL-Niveau von der Punkteausbeute her.
Dann aber versagte man ihm in der Sommerpause die dringend benötigten und von ihm geforderten Spieler fürs OM. Die gesamte Transferpolitik versagte auf der ganzen Linie. Der Aufsichtsrat blockierte wochenlang sämtliche Transfers und Sportchef Jens Todt hatte trotz monatelanger 'Sichtungen' keinen Plan B in der Hand. Die Personaldecke war viel zu dünn. Als sich dann noch der wichtigste Stürmer beim Torjubel verletzte - Nikolai Müller - wars aus mit der Torgefahr. Zudem bauten Leistungsträger wie Bobby Wood, Mavraj, Holtby und Kostic total ab. Kurzum, die komplette Offensive ging völlig den Bach runter. Und somit auch Gisdols Spielsystem.
Desweiteren wollte man sich nicht noch mehr von Geldgeber Kühne abhängig machen, weil der derweil schon 21% der HSV-Anteile erkauft hatte, all das Geld aber durch totale Inkompetenz fehlinvestiert wurde. Hier ist an oberster Stelle Dietmar Beiersdorfer als VV zu nennen. Auch Herribert Bruchhagen konnte daran nichts mehr ändern und Jens Todt blieb nach wie vor seinen Arbeitsnachweis schuldig.
Der Absturz begann sich abzuzeichnen, und auch in der Winterpause handelte man nicht, tätigte keinen einzigen Neuzugang und zog es anscheinend vor, sehenden Auges in den Untergang zu rennen.
Doch erklärt dies lediglich den momentanen Ist-Zustand. Es geht ja schon seit Jahren so.
Die Hauptmisere beim HSV liegt in der Vereinssatzung. In der Zerstrittenheit der Funktionäre in den einzelnen Gremien. Der Amateurbereich hat unglaublich viel Stimmrecht und blockierte die vergangenen Jahre eine konstruktive, zukunftsorientierte Ausgliederung mit seinen diversen Vetorechten. Knapp 800 Amateuren stehen deutschlandweit fast 79.000 Mitglieder des HSV-Profifußballs gegenüber. Es gibt aber keine Briefwahl, oder Fernwahl zu den Jahreshauptversammlungen, sondern die finden stets in Räumlichkeiten statt, in denen nur knapp 1.500 - 2.000 Leute Platz finden, die aber überwiegend von Leuten aus den Amateurabteilungen gefüllt sind. Und somit jegliche Wahl beeinflussen. Anträge zur Fernwahl werden regelmäßig abgeschmettert.
Im Grunde ist der HSV-Verein organisiert wie ein Taubenzüchterverein, um es mal so drastisch zu formulieren. Und das lähmt natürlich in der heutigen, schnellebigen, modernen Fußballzeit.
Ein kurzer Einblick nur, die Sache ist noch vielschichtiger. Letztendlich geht es auch um persönliche Eitelkeiten, um Machtgelüste, Wichtigkeit gewisser Personen, die meinen, wichtig sein zu müssen, die den Verein gern so belassen wollen, wie er 1897 gegründet worden ist. Die Namen sind hinlänglich bekannt. Und nur mit äußerster Knappheit und ziemlich verrückten Umständen ist nun ein neuer (altbekannter) Mann an die Spitze gewählt worden vor drei Wochen. Bernd Hoffmann. Doch er kommt zu spät, um das Unheil noch abzuwenden. Dennoch ist er dabei, aufzuräumen in der Führungsetage. Aber immerhin, es tut sich (endlich) etwas Entscheidendes. Ein paar Leute haben einen klaren Weg vor Augen, und niemand will wirklich absteigen.
Entgegen landläufiger Meinungen, dass dem HSV ein oder zwei Runden in der 2. Liga gut tun würde, sehe ich das ganz und gar nicht so. Mir sind das Dino-image und die scheiß Stadionuhr auch völlig wurscht, das sind wahrlich alte Zöpfe; gegen einen kompletten Umbruch habe ich aber ganz und gar nichts einzuwenden. Denn so wie jetzt kann es definitiv nicht weiter gehen, und das haben wohl auch (endlich) ein paar andere Leute verstanden jetzt.
Fakt ist, man hat einen hervorragenden Nachwuchsbereich, ein Leistungszentrum und einen finanzstarken Mäzen im Rücken. Der aber hatte schlussendlich einfach keinen Bock mehr, noch mehr Geld in inkompetente Hände zu legen.
Wie auch immer, ob 1. oder 2. Liga - sollte man denn die Lizenz erhalten - es wird einen Neuanfang geben, die Weichen werden jetzt gestellt. Ich, und viele andere auch, bleibe dem HSV verbunden und bin gespannt, wie es weiter geht. Noch ist man ja nicht abgestiegen.