Ein Medikament zum Schutz vor Infektionen mit dem HI-Virus hat in den USA fast alle Hürden für eine Zulassung genommen. Ein einflussreicher Expertenausschuss empfahl der US-Arznei- und Lebensmittelaufsicht FDA, die Anti-Aids-Pille Truvada als Medikament zur Aids-Prävention auf den Markt zu bringen. Kritiker warnen davor, dass Truvada dazu verleiten könnte, das HIV-Infektionsrisiko zu unterschätzen.
Nach einer elfstündigen Marathonsitzung und weiteren Anhörungen stimmte eine große Mehrheit der 22 unabhängigen Experten für die Kommerzialisierung der von dem Pharmaunternehmen Gilead Sciences produzierten Pille.
Die FDA hält sich in der Regel an die Empfehlungen der Kommission, auch wenn sie nicht bindend sind. Eine endgültige Entscheidung wird bis zum 15. Juni erwartet.
Drastisch verringertes Infektionsrisiko
In einer klinischen Studie verringerte sich unter anderem das Infektionsrisiko bei heterosexuellen Partnern, von denen einer seropositiv war, um bis zu 75 Prozent.
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In einer anderen Studie unter homosexuellen Nichtinfizierten sank das Infektionsrisiko um bis zu 73 Prozent. Truvada wird heute schon - in Verbindung mit weiteren Medikamenten - zur Behandlung einer HIV-Infektion eingesetzt.
Die Einführung ist nicht nur wegen der hohen Kosten von bis zu 14.000 Dollar (10.800 Euro) pro Jahr und Therapie unter Experten umstritten. Der Chef der Anti-Aids-Gruppe AVAC, Mitchell Warren, sagte nach dem Ausschussvotum, Truvada sei "kein Wundermittel", aber ein "wichtiger" weiterer Beitrag zu einem Sieg über Aids.
Für Millionen Männer und Frauen mit dem Risiko einer HIV-Infektion "bietet jede neue Möglichkeit einer HIV-Prävention zusätzliche Hoffnung".
Ärzte und Pfleger, die im klinischen Alltag HIV-Infizierte und Aidskranke betreuen, äußerten sich dagegen skeptisch. Ärztin Roxanne Cox-Iyamu warnte, dass der Aids-Erreger eine Truvada-Resistenz ausbilden könne.
Angesichts der Ausrichtung der Studien befürchtete sie zudem, dass die Daten zur Wirkungsweise der Pille im weiblichen Organismus nicht ausreichen könnten.
Schwere Nebenwirkungen befürchtet
Die Krankenschwester Karen Haughey verwies auf mögliche Nebenwirkungen wie Leberversagen und schwere Durchfälle. Eine zwingend regelmäßige Einnahme von Truvada verlange den Patienten zudem eine hohe Selbstdisziplin ab.
Die Daten zum Erfolg von Truvada in der Aids-Prävention stammten hauptsächlich aus der iPrEx HIV Prevention Study, die 2010 im Fachmagazin "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde.
In der Studie wurde die Pille von Juli 2007 bis Dezember 2009 an 2499 homosexuell aktiven Männern in den USA, Brasilien, Ecuador, Peru, Südafrika und Thailand getestet. Die Probanden waren nicht HIV-positiv.
Nach einer Zufallsauswahl bekam ein Teil der Testpersonen Truvada, eine Vergleichsgruppe ein Placebo. Diejenigen, die regelmäßig Truvada einnahmen, wiesen bis zu 73 Prozent weniger Infektionen auf.
Die Testpersonen miteingerechnet, die die Pille unregelmäßig einnahmen, traten 44 Prozent weniger Infektionen auf.