Souveranität
Vielem, aber nicht allem bereits Gesagten kann ich (ER von den Delicates) zustimmen.
MorningSun’s Zitat von Sting‘s „A gentleman will walk but never run“ zum Beispiel verweist auf das Vermeiden hektischen Agierens. Zielstrebigkeit ja, Eile nein, und möglichst einen Plan B in der Hinterhand, falls die Zeit nicht mehr ausreichen sollte.
Was mir aber fehlt, ist eine Vokabel, die meine Partnerin über mich einmal gesagt hat, als wir uns kennen lernten. Damals hatte ich Zugang zu ein paar „Gentleman Clubs“ in London (die aufgrund der Gender-Debatte nicht mehr so hieβen, in denen aber im Alltag selten Damen auftauchten), was mein Auftreten und Verhalten womöglich ein wenig mitgeprägt haben mag.
Diese Vokabel ist
Souveranität, und sie gilt m. E. sowohl für das Sozialverhalten als auch für den manchmal schlicht organisatorisch sorgfältigen Umgang mit Umständen wie das Sicherstellen, dass alle Rahmenbedingungen für ein Treffen mit einer oder mehreren Damen so angenehm und unkompliziert wie möglich sind.
„Du hast das Treffen von vorne bis hinten durchgeplant,“ sagt meine Partnerin dazu, „hast an alles gedacht. Ich habe noch gar keinen Wunsch verspürt, was als nächstes schön wäre zu tun oder zu haben, und du hast die notwendigen Dinge bereits vorbereitet oder relevante Informationen parat.“
Wir kennen einen Mann, der ist die Fahrstrecke in einer ihm noch fremden Stadt zwischen dem Flughafen, an dem er eine Frau zu einem tête a tête abholen wollte, und ihrem Hotel ein paar Tage vor ihrer Ankunft mit dem Auto aufmerksam abgefahren, um auf Baustellen-Umleitungen oder verwirrende Autobahnschilder vorbereitet zu sein. Zweck der Aktion war, sich dann bei der Fahrt ganz auf sie konzentrieren zu können und die Wegstrecke wie nebenbei zu beherrschen. Natürlich bekam die Frau von dieser Mühe der Vorbereitung nichts mit, aber so konnte er die Fahrt für sie so angenehm wie möglich gestalten. Übrigens ist sie heute seine Frau.
Vorausschauendes Denken gehört also vielleicht auch dazu. Etwa, dass beim Picknick auch im Hochsommer der Prosecco ausreichend kühl ist und frau nicht aus Plastikgläsern trinken muss. Oder in einer fremden Stadt Telefonnummern von Taxiunternehmen im Handy bereits gespeichert zu haben; zu wissen, wo entlang der mutmaβlich gemeinsam zurückzulegenden Wege ein geeignetes Restaurant oder Café liegt, welche Tische dort die besten sind . . .
Klar scheint mir, dass diskret bzw. unauffällig höfliches Verhalten zu dem gehört, was einen Gentleman ausmacht. Höflich zu sein fällt sicher vielen nicht schwer, aber das auf eine unauffällige, gewandte und manchmal auch charmante Art und Weise zu sein, halte ich für eine Kunst.
Schon
wie er einer Dame den Mantel abnimmt oder bereit hält, die Taxitür öffnet, den Stuhl im Restaurant zurechtrückt (oder auch nicht, wenn das zu auffällig oder umständlich sein würde), zeigt schnell, ob es eine eingeübte Selbstverständlichkeit ist oder eher nicht.