Nun zu dem was ich denke.
Mir ist aufgefallen, daß ich in meinem ganzen Leben nicht eine einzige liebevolle Ehe miterlebt habe. Natürlich kenne ich Leute die lange Zeit verheiratet waren, aber da sind immer irgendwo finanzielle oder soziale Zwänge mit im Spiel, die kann ich nicht wirklich ernsthaft dazu zählen und auch Ehen die schlimme Krisen überlebt haben, haben das eigentlich durch die Bank aus anderen Gründen überstanden.
Die Ehe meiner Eltern ist gescheitert, was ja heute nichts ungewöhnliches mehr ist. Den Grund habe ich jedoch nie wirklich in Erfahrung bringen können. Eines hatte aber meine Mutter mit vielen Frauen in ihrer Generation gemeinsam - sie hatte keinen richtigen Beruf gelernt von dem man sein Leben bestreiten kann, sondern so einen "Hilfsfachangestelltengehilfinnen-Beruf", der eigentlich darauf abzielt einen Zahnarzt, Steuerberater oder Anwalt kennen zu lernen und dann Kinder zu bekommen. Bei meiner Patentante habe ich das wesentlich bewußter miterlebt. Ihr war es gelungen einen Bankdirektor zu heiraten, der hat sie aber geschlagen, vergewaltigt und zuhause ein Terror-Regime aufgezogen. Aufgrund ihres niedrigen Einkommens war sie nicht in der Lage sich von ihm zu trennen und ihre Kinder sind irgendwann ausgebüxt.
Ich selber war sicherlich ein Wunschkind, mir wurde aber konsequent eingetrichtert, daß ich wertlos, faul, ungeschickt und dumm bin. Ich war zu nichts zu gebrauchen. Ich habe mich daran gewöhnt alles falsch zu machen. Ich habe mir überlegt hier Beispiele rein zu schreiben, aber im Grunde interessiert das auch niemanden, an mir sind auf jeden Fall ziemlich viele Kochlöffel, Besenstiele und Teppichklopfer zu Bruch gegangen.
Geblieben davon ist mir die Angewohnheit mich für alles rechtfertigen zu müssen. In der Ausbildung wurde mir gesagt, daß ich unbedingt frühstücken müsse und vor allem reich an Kohlehydraten essen muß. Da diskutieren Lehrer mit einem fast erwachsenen Mann herum was er zu tun und zu lassen hat... Meine Angewohnheit war es jedoch mich morgens so früh wie möglich im Bad einzuschließen und erst wenn ich den Schulbus in der Ferne anrauschen hörte schnell los zu sprinten, damit ich nicht schon morgens von den Männerbekanntschaften meiner Mutter ein par hinter die Löffel kriege. Bis heute verspüre ich keinerlei Notwendigkeit zu frühstücken. "Ausgiebiges Frühstück am Sonntag" hieß für mich den männerfeindlichen Theorien von irgendwelchen Esotherik-Tussies zuhören zu müssen.
Ich wurde nie das Gefühl los, mich für jede winzige Kleinigkeit rechtfertigen zu müssen. Alles was ich tue ist grundsätzlich falsch und so kann ich leicht auf einen gefährlichen Selbsthass-Trip kommen. An schlechten Tagen fühle ich mich schuldig, weil ich in der Fußgängerzone Platz brauche um zu laufen. An ganz schlechten Tagen getraue ich mich nicht meiner Mutter zu zeigen was für ein Mensch ihr Sohn geworden ist.
Ich habe erst vor wenigen Jahren mal für mich formuliert, daß ich mir erlaube Fehler zu machen und Fehler zu haben. Diesen Fehler in meiner Persönlichkeit eingeschlossen.
Der Mann mit dem meine Mutter heute verheiratet ist hat mir mit 15 Jahren gesagt, daß ich ja nächstes Jahr wenn ich in die Lehre komme ausziehen kann und er dann in meinem Zimmer endlich seine Papageienzucht einrichten kann. Als ich darüber nachgedacht habe, woher so viel Kälte in einem Menschen kommt ist mir aufgefallen, daß das alles bereits seit Generationen in der Familie weitergetragen wird. Bei meinen Eltern ist mir das zweifelsohne klar, da ich ja die Großeltern kenne, aber auch bei meinem Stiefvater wurde ich dahingehend schnell fündig.
Erst jetzt als ich über diesen thread hier nachgedacht habe, kam ich auf die Idee, daß bei mir vielleicht auch irgendsoetwas seine Auswirkungen hinterlassen hat.
Dieser Erkenntnisweg ist so peinlich, daß er schon wieder geil ist.
Ich habe also wirklich von Haus aus ein niedriges Selbstwertgefühl, so wird man natürlich überall schnell zum Außenseiter. Trotzdem habe ich es geschafft in meinem Leben mehrere Beziehungen zu Frauen zu haben die länger als ein Jahr gingen. Meine letzte dauerte sogar 6 Jahre an. Als meine damalige Freundin mal meinte ob ich mir eigentlich grundsätzlich vorstellen könnte zu heiraten war meine Antwort: "Ja komm geh ma!"
Ich mag diesen Ausspruch bis heute. Schlagfertigkeit ist ja immer das was einem 5 Minuten später einfällt, in dem Fall war das nicht so. Mir war klar, daß das nicht am selben Tag geht, aber ich habe es ehrlich gemeint, wäre mit ihr aufs Standesamt gegangen und hätte mal nachgefragt was wir da alles im Vorfeld machen müssen. Am Ende der Beziehung hat sie mir gesagt, daß sie das sowas von unromantisch fand und ab da angefangen hat sich von mir zu distanzieren.
Auch sie hatte so einen Hilfsjob und ich habe sie nach Leibeskräften unterstützt, daß sie eine Technikerschule besuchen kann. Ich habe u.a. auf sehr viel verzichtet. Nicht nur auf Sex, wir haben uns in der Zeit auch manchmal fast einen ganzen Monat lang nur einmal längere Zeit gesehen. Sie war einfach ständig vollkommen übermüdet. Am Ende war unsere Beziehung vollkommen asexuell und zu einer Belastung für uns beide geworden. Also hat sie mich ziemlich kaltherzig abserviert und ein emotionales (und sexuelles) Wrack hinterlassen.
Ich habe danach bestimmt 4 Jahre lang keine Frau mehr angeschaut und als ich tatsächlich mal wieder eine sehr junge, idealistische und von mir sehr (vielleicht zu Unrecht) vergötterte Frau bei mir auf dem Sofa sitzen hatte, habe ich mich nicht getraut sie anzufassen.
Irgendwann habe ich dann auch mal solche Datingseiten ausprobiert, weil ich dachte, daß da ja Frauen mit ihrer Anmeldung signalisieren: "Ja ich möchte gerne von einem süßen Mann angesprochen werden". Aber das ist ja auch eine totale Fehlanzeige. In 24 Monaten hatte ich ganze 3 Dates. Die meisten Frauen da haben mich schon abserviert, wenn ich nur ihr Profil angeschaut habe.
(das war jetzt ausnahmsweise nur Spaß)
Aber so war es gefühlt, wirklich offen geht da niemand mit einem um. Die Minderwertigkeitskomplexe wurden jedenfalls eher größer, bis ich mich überhaupt nicht mehr getraut habe mit einer Frau zu sprechen, weil ja sowieso alles was ich mache falsch ist.
So und jetzt zur Ausgangsfrage: Glaubst Du wirklich, daß ich mit weniger als einer Beziehung die sich absolut auf gegenseitiger Augenhöhe befindet zufrieden bin?
Glaubst Du wirklich, daß ich nach etwas anderem Sehnsucht habe als nach Partnerschaft?
Sex gibt es zu kaufen. Unverbindlichen Sex kann man mal haben. Aber ein anderes Ziel als Liebe gibt es für mich nicht. Ich bin da durchaus realistisch was die Erfolgschancen in meinem Alter angeht, aber sich ein anderes Ziel zu stecken macht überhaupt keinen Sinn.
Wenn jemand das wirklich denkt, daß das so einfach ist - der Mann will nur bumsen - Punkt. Das fällt dem Mann so leicht. Jeder hätte ja einfach so die Möglichkeit eine glückliche Ehe einzugehen, also warum macht er es nicht?
Wer so denkt ist ja mindestens so emotional vernarbt wie ich! Davon abgesehen sind das ja die Rollenbilder von 1823.