Respekt.. ein sehr schönes Thema.
Ich habe gerade mal in meinen 50 Jahre alten Brockhaus geschaut, da steht unter Respekt lapidar „Achtung, Ehrfurcht, Scheu“. Das Google-Wörterbuch definiert Respekt als „auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung“ und „vor jemandem aufgrund seiner höheren, übergeordneten Stellung empfundene Scheu, die sich in dem Bemühen äußert, kein Missfallen zu erregen“.
Es gibt also den, ich will mal sagen, „positiven“ und „negativen Respekt“. In meinem Beruf ist „Respekt“ ein Dauerthema, ich arbeite im Gefängnis. Dort treffe ich täglich auf viele junge – und auch ältere – Männer, die ständig für sich Respekt einfordern. Die stets respektiert werden wollen, denen es aber schwer fällt, selbst zu respektieren. Die Krux ist, dass zwar alle Respekt wollen, aber viele nicht wissen, WARUM, oder WAS respektiert werden soll.
Ich kann jemandes Meinung respektieren, wenn ich sie anerkenne oder zumindest bewundere. Das kann ich sogar sehr gut, wenn die Meinung auch konträr zu meiner eigenen ist, sie aber nachvollziehbar und im Rahmen meines ethischen Empfindens verfasst wurde. Beispiel:
1) „Schwule sind pervers, wenn ich nur dran denke, wie die sich gegenseitig den Schwanz in den Arsch schieben könnte ich kotzen!“
2) „Ich lehne schwulen Sex ab, ich stehe nicht auf Männer. Ich möchte es auch nicht sehen oder mich damit befassen, mich widert die Vorstellung an.“
Beispiel 1) setzt das Gegenüber herab, es ist eine chauvinistische und beleidigende Aussage, die meinen Respekt NICHT verdient hat. Beispiel 2) ist eine sachliche und subjektive Sichtweise, die ich respektiere. So, das ist MEINE MEINUNG, MEIN EMPFINDEN zu dem Thema. Es mögen nun – um bei diesem Beispiel zu bleiben – viele Menschen ankommen und Beispiel 2) angreifen. „Etwas mehr Respekt für Minderheiten! Sei doch mal tolerant! Die Aussage ist homophob!“
Und genau da liegt das Problem, wenn Menschen über „Respekt“ sprechen. Es wird mit allen möglichen Begriffen verquickt. In Beruf und Alltag fahre ich mit folgendem Mantra ganz gut: „Ich respektiere Deine Meinung, aber ich teile sie nicht!“.
Der kleinste gemeinsame Nenner des Respekts ist aber nicht Meinung, Aussehen, Haltung, Einstellung, Beruf, Qualifikation, Stellung, sondern das Menschsein an sich. Auch die abgebrühtesten und bösesten Charaktere sind Menschen, auch psychisch Kranke sind Menschen. Das muss man sich immer wieder vergegenwärtigen. „Ich mag Dich nicht, aber ich respektiere Dich als Individuum.“
Übertragen auf Plattformen wie Joyclub heißt das: Ich muss nicht alle Fetische, sexuellen Vorlieben, oder die Ausgestaltung des eigenen Sexlebens toll finden. Ja, es darf mich sogar bisweilen anwidern! Dennoch respektiere ich die Menschen, die das so ausleben und greife sie nicht dauernd deswegen an. Solange keinem geschadet wird, ist es für mich in Ordnung.
Es gibt ja den Spruch "Respekt muss man sich verdienen", ich finde den so falsch nicht. Ich kann keinen Respekt erwarten, denn was Andere Menschen über mich denken, kann ich nicht bestimmen. Aber ich kann es etwas beeinflussen, wenn ich mich selbst entsprechend respektvoll verhalte. Im besten Fall, merkt mein Gegenüber, dass er sich nicht angemessen verhalten hat und entschuldigt sich sogar, im schlimmsten Fall wird mir Arroganz oder Hochnäsigkeit, vielleicht sogar Schwäche vorgeworfen. Nun, dann ist das so. Das ist das Schöne an der Meinung anderer Menschen: Sie gehört denen, nicht mir.
Ich selbst hatte hier auf Joyclub bisher fast ausschließlich respektvolle Kontakte. Auch wenn man sich einig ist, dass man nicht zusammenpasst, nicht der Typ ist usw. Bei meiner Partnerin bekomme ich oft mit, dass viele Männer den Respekt absolut missen lassen! Dass "Neins" nicht akzeptiert werden, dass Vorlieben ausdiskutiert werden müssen, dass man sich ja vielleicht dennoch treffen könne, auch wenn es nicht das ist, was sie sucht. Da sind einige wirklich penetrant und da werde ich auch sauer!
Hier in dieser Gruppe gab es neulich ein Dategesuch, was zumindest polarisiert hat... Da fehlte mir der Respekt auf beiden Seiten. Zum Einen fehlte mir der Respekt des Themenerstellers gegenüber den Ansprüchen dieser Gruppe, zum Anderen fehlte mir aber auch der Respekt der Gruppenmitglieder, die den Threadersteller persönlich abgewertet hatten. Das ist ja dann auch von der Moderation glücklicherweise gelöscht worden.
Tja und am Ende, wenn man doch niemanden gefunden hat, von allen verlassen wurde, aus welchen Gründen auch immer, dann kommt der schwierigste Teil: Der Respekt vor sich selbst. Ich kümmere mich beispielsweise oft mehr um Frau und Kind als um mich. In der heutigen Zeit, wo "Egoismus" und "Hedonismus" negativ besetzte Kampfbegriffe sind, fällt es einem schwer sich selbst zu respektieren. Und ich musste das auch lernen, habe viel zum Thema gelesen, viele Bücher durchgewälzt, viel geschrieben, reflektiert und sogar meditiert. Und es gelingt mir nach wie vor nicht immer.
Zu dem Thema kann ich im Übrigen "12 Rules for Life" von Jordan B. Peterson empfehlen, am besten auf englisch lesen, in der Übersetzung geht viel Sinn verloren. Eine der Regeln ist: "Behandle Dich selbst so, wie jemanden, für dessen Wohlergehen Du verantwortlich bist."
Respekt. Ich wirke manchmal selbst respektlos. Ich bin nicht perfekt. Auch ich lästere ab und an. Auch mir sträuben sich bei manchen Themen die Nackenhaare. Ich versuche stets, ein besserer Epikur33 als gestern zu sein. Auch wenn ich weiß, dass mir das nicht immer gelingt.