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Der Gentleman - was macht ihn aus?

********roes Mann
10 Beiträge
Themenersteller 
Der Gentleman - was macht ihn aus?
Was einen Gentleman ausmacht ist gar nicht mal so klar definiert. Ursprünglich stand der Begriff mal für den niedersten englischen Adelsstatus, zu Shakespeares Zeiten war er eng mit dem Recht Waffen zu tragen verknüpft.

In der Sharpe Fernsehreihe sind die Gentlemen eher verkommene und karriereorientierte adlige Offiziere denen das Wohl ihrer Soldaten häufig egal ist.

Als Definitionen zu meinem Gentleman on a Budget Beitrag wurde viel genannt: Die "Innere Einstellung", die Ausstrahlung, Umgangsformen, Selbstsicherheit und Autorität, jedoch ohne den Anschein etwas besseres zu sein, Fairness, Empathiefähigkeit, Bescheidenheit, Großzügigkeit, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Lockerheit, charmant sein, Stil, Etikette, zu wissen wie man eine Frau behandelt, aber nicht einfach nur ein Sugardaddy, Charakter, Bildung, Erziehung...

...puh.

In einem meiner Bücherrregale steht dann noch "The Compleat Gentleman", ein Buch dass den Gentleman als modernen Ritter katholischer Ideale verortet. (und für mich mit all den Begleiterscheinungen dann überhaupt nicht mehr taugt.)

Dennoch schauen wir auf bestimmte Archetypen und Menschen und sind uns sofort klar: "Ja, das ist ein Gentleman!"

Ich werde mich hier hüten, auch nur zu versuchen, eine allgemeingültige Definition herzuleiten. Das wäre zum Scheitern verurteilt.

Was ich aber machen kann, ist aufzuschreiben, was meinGentleman Ideal ausmacht, und was ich dadurch für Ansprüche an mich selber stelle.

Für mich ist ein Gentleman untrennbar mit der britischen Stiff Upper Lip und dem Bild der Gentlemens Clubs verbunden: Haltung, Benehmen, Höflichkeit trotz Gegenwind, und ein Drang zu Unerschütterlichkeit. Dazu kommen die äußerlichen Merkmale: Man achtet auf sich und das eigene Erscheinen. (In einem Ratgeber wird so zum Beispiel der Gentleman aufgefordert, sich nur mit kalten Wasser rasieren zu lassen, damit man im Fall des Falles auch im Feld ohne den Butler oder der Möglichkeit heißes Wasser zu bereiten glattrasiert dem Feinde entgegen tritt!)

Im alltäglichen Umgang mit anderen ist man sich des eigenen Status bewußt, tut aber so, als wenn er irrelevant wäre. Man ist also auch Dienstboten und Untergebenen gegenüber höflich, man beschützt Schwächere und zollt anderen Respekt. Ein Gentleman ist nicht bescheiden, er praktiziert Understatement.

Gleichzeitig hat man aber auch Ansprüche, an sich, aber auch an das Leben: Nicht unbedingt materiell, aber dennoch auch: Das Leben soll angenehm sein, man priorisiert also Ausgaben und Aufmerksamkeit dahingehend. Man kann zwar alles selber machen, tut es aber nicht. Zeit und Muße sind der Luxus, den man sich gönnt.

Aus dem Anspruch kommt der Stil. Und auch wenn ich sehr feine Menschen in zerrissenen Klamotten und mit bunten Haaren kenne: Für mich gehören zum Gentleman-sein eben auch Leder, Tweed und Bartwachs. Nicht weil diese Dinge teurer Luxus sind, sondern weil sie zuṁ erstrebten Erscheinungsbild gehören. An dieser Stelle erinnere ich auch daran, dass der Anzug aus der Historie heraus ein demokratisierendes Kleidungsstück ist. Er wurde vom Arbeiter ebenso getragen wie vom Aristokraten. Die Idee des Anzugs grenzte sich ab von der Ständekleidung. Und ein Anzug "zwingt" die Person in ihm in eine Haltung und ein bestimmter Habitus geht mit ihm einher.

Der Gentleman, so wie ich ihn verstehe, muss diesen Anzug nicht immer tragen - aber man sieht der Person eben an dieser Haltung an, dass sie es normalerweise tut.

Die Accessoires des Gentlemans sind eben auch nicht nur Selbstzweck - Visitenkarten, Taschentücher, etc. sind dazu über- oder gereicht zu werden, die Taschenuhr statt dem Handy signalisiert den gelassenerem Umgang mit der Zeit, und so weiter.

Und dann gibt es ja noch die Kinky Seite des Gentleman-Seins: Hier wird der Anspruch und der Status fast schon absurd überhöht. Aus der Dame wird das Subjekt, der Umgang bleibt höflich, aber die Attitüde des Herrenclubs wird betont. Das ist etwas, was im Alltag nichts zu suchen hat, aber beim Flirt mitunter aufblitzt. Der Gentleman im Kink ist höflich, respektvoll, aber dreist:

***_M Frau
958 Beiträge
Wunderbar
****mi Frau
3.150 Beiträge
JOY-Angels 
Schön geschrieben, gibt einen Blog zum Thema Gentleman, dort sind auch vor allem die Werte beschrieben, die ich persönlich mit einem Gentleman verbinde, damit kann ich mich auch gut identifizieren.😉

https://gentleman-blog.de/was-bedeutet-gentleman-sein/
********roes Mann
10 Beiträge
Themenersteller 
Noch ein Nachtrag: Mir persönlich ist es wichtig, dass ich all das da oben jederzeit (ironisch) brechen kann, und das auch immer wieder tue. Denn in Reinform ist der Stiff-Upper-Lip-Gentleman ein Musterbeispiel toxischer Maskulinität, und das wiederum will ja niemand *g*
Dem perfekten Gentleman bin ich vor Jahren mal begegnet. Seitdem ich das für mich irgendwie der Standard, an dem ich Gentleman sein „Messe“. Mir ging es nicht gut, er hat sich um mich gekümmert und nach Hause gebracht. Er war die ganze Zeit freundlich, liebevoll, hat mich nicht belehrt, sondern war einfach da. Es war sein ganzes Benehmen.

Übrigens hatte er bunte lange Dredlocks, eine zerrissene Jens und einen Kapuzenpulli an. Ich hab ihn leider nie wieder gesehen, ich hätte mich gerne bedankt.
***na Frau
634 Beiträge
Zitat von ****mi:
Schön geschrieben, gibt einen Blog zum Thema Gentleman, dort sind auch vor allem die Werte beschrieben, die ich persönlich mit einem Gentleman verbinde, damit kann ich mich auch gut identifizieren.😉

https://gentleman-blog.de/was-bedeutet-gentleman-sein/


Auch ein sehr schöner Blog! Danke schön

Da werden die wichtigsten Attribute beschrieben, die vielen fehlen!

Und aufs Understatement bezogen: da passt auch hervorragend der Spruch „ein Gentleman genießt und schweigt“ 🥰
Er hat es nicht nötig, „jede Trophäe zu zeigen“ (so wie hier auf Joy und ja klar, jedem das Seine! 😊)

Auf die Haltung und Anzüge bezogen, die der TE ansprach👌🏽: es erinnert mich stark an bestimmte Schauspieler, die z.B. den Charakter James Bond spielten, oder Tommy Shelby, oder eben Leo DiCaprio in diversen Rollen.
Ich mag es total, wie diese Männer rüberkommen und das ist ja leider heutzutage selten geworden.

Schöner Beitrag 👌🏽
*****XXX Mann
182 Beiträge
Sehr schön und respektvoll ge-/beschrieben, @********roes
Herzlichen Dank!
Damit kann ich mich voll identifizieren, auch wenn ich weder Bartwachs noch Tweed trage... dafür ist der Koffer meiner Gitarre aus Tweed *zwinker*

Auch für den Link zum Blog vielen Dank, @****mi
*********orse Frau
10 Beiträge
Schöner Beitrag,
ich persönlich verbinde den Gentleman mit ausgeprägter Aufmerksamkeit der Lady gegenüber, respektvollem Benehmen, fast schon einer Dienlichkeit, die gerade aus diesen Gründen, sollten sie so sein, erwidert gehört.
Ein Gentleman ist niemand der sich einfach kleidet als wäre er einer, sondern den Respekt spüren lässt ohne seine maskuline Ader verschwinden zu lassen. Vor einem Gentleman möchte ich mich genauso wichtig fühlen wie er sich. Als Frau möchte ich mich respektvoll und behütet aufgehoben wissen. Sanft und trotzdem in selbstbewussten Händen. Natürlich gehört eine gepflegte Erscheinung dazu... Grundvoraussetzung.
Am Ende sind aber auch die "Gentleman" versaut und dreckig 😊. Man bittet darum 😉😊.
*******mide Mann
13 Beiträge
sehr schön und umfangreich beschrieben;
aus meiner Sicht wäre noch hinzuzufügen, dass es gentleman-like ist, die verschiedenen Facetten auch zu leben und zu genießen ohne sie zum Selbstzweck werden zu lassen.
*******he77 Frau
599 Beiträge
Alles schön und gut. Aber meine Erfahrung im Leben: don't tell it, show it. Also warum all die vielen Worte, die sich dann doch nur sehr um das eigene Dasein oder besser gesagt Soseinsollen drehen, anstatt sich mit echtem Interesse anderen zuzuwenden? Letztlich ist das es, was für mich einen Gentleman ausmacht... und die wenigen, die ich bisher kennenlernen durfte, waren es einfach. Wohingegen diejenigen, die behaupteten es zu sein, diesem Anspruch häufig nicht gerecht wurden.
********roes Mann
10 Beiträge
Themenersteller 
Ich versichere, dass ich außerhalb dieses Forums noch nie gesagt habe "ich bin ein Gentleman, weil...". Und auch sonst solche Erklärungen weglasse.

Hier aber, wo viele Diskussionen oder Unterhaltungen mit "aber das muss man doch nicht definieren, dass MERKT MAN DOCH EINFACH!" mehr oder weniger drastisch beendet werden, da frage ich mich, schon, ob das wirklich so ist...

Denn ich bin mir ziemlich sicher: Niemand wird dazu geboren, sondern lernt das erst im Laufe des Lebens. Einige früher, andere später, wieder andere gar nicht. Manche von der letzten Gruppe wollen einfach nicht, und andere bekommen gar nicht erst die Chance, vielleicht weil sie die "falschen" Eltern haben, oder alle um sie herum still und leise davon ausgehen, dass der Weihnachtsmann den Stil und das Benehmen vorbeibringt?

Mir ist es lieber, wenn ein Gedankenaustausch angestoßen wird. Ich muss ja nicht mit allem übereinstimmen, und auch meine Ideen sind zunächst erst einmal genau das: Meine. Die müssen nicht für alle richtig sein. Auf jeden Fall ist es mir lieber, wenn andere auch ihre Stil-Ideen und Vorstellungen teilen, als dass wir alle nur besserwissend auf unseren Thronen hocken und die Leitern hochziehen...
***_M Frau
958 Beiträge
Die adlige Oberschicht erkannt man früher an einer bestimmten Haltung, egal, was sie anhatten. Ich frage mich, ob das angeboren oder anerzogen ist.
Das scheint aber heute nicht mehr so verbreitet zu sein. Ich kenne mehrere Mitglieder des Hochadels, und stelle da jetzt keinen wesentlichen Unterschied mehr fest.
****omm Mann
1.936 Beiträge
Liegt vielleicht auch daran, dass die gesellschaftliche Stellung des Adels heute nicht mehr die herausragende Bedeutung vergangener Epochen hat.
***_M Frau
958 Beiträge
Ich habe mich wahrscheinlich falsch ausgedrückt. Ich habe von meiner Kindheit und Jugend gesprochen. Ich habe das damals selbst noch erlebt. 50 Jahre her. Kann man natürlich auch Epoche nennen - lach.
********roes Mann
10 Beiträge
Themenersteller 
Ich bin da bezüglich dieser Frage definitiv Team "anerzogen". Eine Ex von mir hat in ihrer Jugend in einer Tanzschule für besagten Adel gearbeitet, und das da teilweise noch live miterlebt.
*********orse Frau
10 Beiträge
Übrigens macht einen Gentleman auch aus, nicht schlecht über andere Menschen zu sprechen "polyamouroes". Erstens, weil er es nicht nötig hat Vergleiche aufzustellen, zweitens weil er besonnen ist.
Im Übrigen haben Gentleman überhaupt nichts mit Adel zu tun. Das ist ja Spinnerei ... sorry, die wenigsten Männer hier werden wohl adelig sein und selbst wenn es jemand sein sollte, heißt es nicht, daß er Gentleman ist.
****mi Frau
3.150 Beiträge
JOY-Angels 
Zitat von *********orse:
Übrigens macht einen Gentleman auch aus, nicht schlecht über andere Menschen zu sprechen "polyamouroes". Erstens, weil er es nicht nötig hat Vergleiche aufzustellen, zweitens weil er besonnen ist.
Im Übrigen haben Gentleman überhaupt nichts mit Adel zu tun. Das ist ja Spinnerei ... sorry, die wenigsten Männer hier werden wohl adelig sein und selbst wenn es jemand sein sollte, heißt es nicht, daß er Gentleman ist.

Heute haben sie nichts mehr mit Adel zu tun, aber seinen Ursprung hatte er im Adel, das war die Voraussetzung, wäre es heute noch so, wären Gentleman wohl ausgestorben…😉

Weshalb es auch heute wohl immer noch mit großem Wohlstand assoziiert wird.
Eine eindeutige Definition gibt es am Ende wirklich nicht, aber heute steht es doch eher für bestimmte Werte und der Art des Umgangs mit seinen Mitmenschen….
***_M Frau
958 Beiträge
Da ist aber jemand sehr schnell mit Vorwürfen zu Hand, offensichtlich kein Gentlemen.

Ich habe niemals behauptet, dass ein G. adelig sein muss, sondern nur, dass mir ein besonderer Stil, eine besondere Haltung seinerzeit bei solchen Personen aufgefallen war. Sicherlich Zufall.

Ich kenne auch heute einen Menschen mit einer für mich unerreichbarer Klasse und Niveau. Es ist eine Frau, eine in der Szene sehr bekannte Frau einer anderen Seite.
*******gut Mann
62 Beiträge
Für mich geht es dabei häufig eher um die Abwesenheit einiger Attribute..

Ein Gentleman ist weder laut, grob, geizig, prahlerisch, selbstverliebt, respektlos, oder voreingenommen. Habe ich etwas vergessen? *zwinker*

Das, was dann bleibt empfinde ich als „gentleman like“!
***_M Frau
958 Beiträge
Das würde ich Takt und Anstand nennen. Sie haben Recht, heute keineswegs mehr selbstverständlich.
*******mide Mann
13 Beiträge
Interessante Diskussion, auch wenn sie ein wenig kontrovers wird. Hier im Rahmen eines Forums scheint die Gentleman-Eingrenzung weniger auf Aristokratie zu beruhen, sondern auf - für manche noch oder ständig zu suchende - Attribute. Der Weg ist das Ziel.
Ich denke wir sind uns alle einig, dass wir das Außergewöhnliche und nicht unbedingt das vom Mainstream Vereinnahmte der Aura eines Gentlemans zuordnen. Sei es materiell oder ideell.
Und eigentliche Selbstverständlichkeiten des guten Umgangs und des Stils darf man durchaus und hoffentlich auch außerhalb der Eingrenzung finden und erwarten.

Nun hat das Außergewöhnliche und Besondere (leider oder Gott sei Dank) auch die Eigenschaft, dass es an Wert und Reiz verliert, je mehr man es zerredet oder zer-schreibt. Ich denke in diese Richtung ging auch die Botschaft von @*******he77 .

Jedenfalls danke für die Stil-Ideen bisher; ich bin auch für wohl-dosierten Austausch.

Das wäre mein -vorerst- immaterieller Beitrag hierzu.
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