Guten Abend zusammen.
Danke
@****mi für das schöne Thema.
"Old school is the only school"
Diesen Satz kennen wir sicher alle. Klingt schön, ist aber Quatsch. Die Institution Schule mit ihrem Bildungsauftrag, ob angenehm und erfolgreich absolviert oder nicht, macht Sinn und hat unbestritten ihre Daseinsberechtigung an erster Stelle. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass es z. B. in der jüngeren Menschheitsgeschichte keinen einzigen Konflikt gab, der durch Kenntnisse der analytischen Geometrie, Differenzialgleichungen, des Latinum oder der deutschen Lyrik beigelegt wurde. Wo hingegen die Werte der alten Schule die Menschheit dann und wann ganz sicher vor einem blauen Auge oder Schlimmeres bewahrt haben. Vielleicht könnte man sich auf folgenden Satz einigen: "Old school is a very good school".
Old School bedeutet für mich gelebte Sehnsucht. Wobei sich meine Sehnsucht ausdrücklich nur auf Elemente des Ganzen bezieht. Ich lebe im Hier und Jetzt und das ist gut so. In meinen Träumen sehe ich mich nicht in einen anderen Zeitabschnitt versetzt - voller Handküsse, Zylinder, Fräcke, Gaslaternen und Nahtnylons. Es ist einfach nur ein sehr persönlicher und wohl auch sentimentaler Rückblick auf etwas, was aus der modernen Zeit gefallen ist. Ich würde mich auch nicht davor scheuen, von altmodisch, antiquiert und Nostalgie zu sprechen. Ich scheue mich allerdings sehr davor, von "Früher war alles besser" zu sprechen. Das stimmt einfach nicht. Früher war nicht alles besser, es war anders. Jede Zeit oder Epoche hatte ihre schönen und weniger schönen Momente, ihre Vor- und Nachteile.
Old School ist in meinen Augen kein Mittel zum Zweck. Wird man durchschaut, reduziert man sein Verhalten und sich selbst auf ein Klischee, ohne tiefere Bedeutung. Authentizität hingegen gibt Höflichkeit und Manieren eine gewisse Stärke.
Respekt ist das A und O! Respekt kann ich zwar nicht einfordern, aber durch höfliches Verhalten und bestimmte Gesten selbst zum Ausdruck bringen. Aber Genau da liegt ein nur schwer vermittelbarer Knackpunkt: Ich trete in Vorleistung, noch dazu ohne Erwartungshaltung. Diese Vorleistung, dieses selbstlose Verhalten, ist eine Grundsäule der alten Schule. In Zeiten von "Ich nehme, was ich kriegen kann und gebe nichts zurück" klingt das für viele Menschen nicht sonderlich erstrebenswert.
Werte werden von Generation zu Generation weitergegeben. Old School ist also eine Gemengelage ererbter und erworbener Eigenschaften, wie sie auch bei einem wahren Gentleman zum Tragen kommen. Ohne eine gute Kinderstube bleibt die alte Schule in der Regel für viele eine unbekannte und nicht selten übertriebene und lächerliche Welt. Erschwerend kommt hinzu, dass auch Old School seinen Preis hat - nämlich Zeit. Old School bedeutet, sich Zeit nehmen. Zeit aber wird immer kostbarer, niemand hat heutzutage Zeit zu verschenken. Was also soll dieses "antiquierte und zeitraubende Getue", wenn ich mit "High five" oder "Hi" auch zum Ziel komme, noch dazu viel schneller!? Old School und Zeit bedeutet für mich auch, die Gedanken einer Dame zu lesen. Sicher, ein "Ey, willse ficken oder was?" geht natürlich auch. Das nennt man dann wohl Wertewandel.
Das Fehlen der alten Schule und ihrer Tugenden scheint mir weniger ein individuelles Defizit zu sein, als viel mehr ein gemeinschaftliches Opfer unserer Zeit, sprich Umwelt. Und da sehe ich für die Zukunft leider schwarz. Wenn ich dann aber lese, wie wichtig und wertvoll dieses Thema einigen hier ist und das
@********Love vor Jahren Höflichkeit und Respekt an ihre Tochter weitergegeben, um nicht zu sagen, in ihr gepflanzt hat und heute voller Mutterstolz das Ergebnis erntet, geht mir das Herz auf und wer weiß, vielleicht sind wir nicht die letzte Old School-Generation. Zu wünschen wäre es uns (allen)!
Selbstverständlich spreche ich nur für mich. Meine Gedanken und Erfahrungen sind in keiner Weise repräsentativ. Grundsätzlich fällt mein Fazit zu den Themen "Old School" und auch "Gentleman" nüchtern aus. Ohne die richtige Frau ist beides praktisch wertlos, oft hinderlich und in seltenen Fällen sogar toxisch.
Wenn die Frau eine Lady ist oder zumindest einen gewissen Sinn für Anstand und Umgangsformen in sich trägt, klappt es ganz wunderbar. Das ist der Himmel auf Erden! Hinderlich war es, wenn die Frau schlicht zu jung war. Die haben eben ganz andere Werte und Erwartungen, was ich auch verstehe und akzeptiere. Toxisch wurde es immer dann, wenn die Dame auf ihre Selbstständigkeit Wert legt und signalisiert, dass sie diese Art von Höflichkeiten nicht wünscht. Das allerdings werde ich nie verstehen, aber natürlich akzeptieren.
Bei Frauen, denen die entsprechenden Wesensmerkmale fehlen oder die mir mehr oder weniger unbekannt sind, würde ich von Old School eher abraten und es bei einer respektvollen Form von Alltagshöflichkeit belassen.
Übrigens, beispielhafte Aufzählungen, wie ich mich in unterschiedlichen Situationen einer Dame gegenüber benehme und verhalte, wird es von mir nicht geben. Ich mag diese Art von Selbstbeweihräucherung gar nicht. Wichtig ist nicht, was ich tolles kann. Wichtig ist, dass sich eine wahre Dame in meiner Gegenwart als solche verstanden und wertgeschätzt fühlt.
Old School und BDSM
Auch wenn mir persönlich Begriffe wie "Old School-BDSM" oder "BDSM der alten Schule" sehr gefallen, so bin ich doch der Meinung, dass es weder diese noch eine andere Art von BDSM gibt. BDSM ist das, was Paare und alle weiteren Beteiligten verantwortungsvoll, respektvoll und mit der nötigen Sicherheit zeitweise spielen, 24/7 leben und, ganz wichtig, untereinander als Regeln definiert haben. Es mag zwar nur ein BDSM geben, aber jeder kann daraus das Beste für sich machen, z. B. BDSM mit Old School, BDSM mit Herz, BDSM mit ... und natürlich auch BDSM ohne ...
Eine Devota hat Bedürfnisse und diese Bedürfnisse decken sich teilweise mit dem, was die Gesellschaft wohl mehrheitlich als Frauenfeindlichkeit und Gewalt gegen Frauen ansieht und völlig zu Recht aufs Schärfste verurteilt. Nur allein der Begriff "Old School" hält ja schon in den Köpfen vieler Menschen längst überholte Vorstellungen und Rollenbilder aufrecht. BDSM im Allgemeinen und verantwortungsvolle Dominanz im Speziellen hat nichts, aber auch gar nichts mit Frauenfeindlichkeit und Gewalt gegen Frauen zu tun. Das ist derselbe Blödsinn, wie Frauen können nicht einparken oder Männer dürfen nicht weinen.
Wo steht geschrieben, dass ich meine Sub nicht wertschätzend behandeln soll? Unangenehm wird es doch nur dann, würde ich meine Sub permanent auf Händen tragen und mit Höflichkeit und Manieren ersticken, egal wie viel Dame in Sub stecken mag. Dann würde sie früher oder später garantiert ausbrechen. Sie braucht und liebt ja den untergeordneten Part innerhalb unserer D/s-Beziehung, und das Gefühl von "Mein mächtiger Herr wertschätzt mich und für mich nimmt er sich selbst gelegentlich ein wenig zurück. Ich muss für ihn wertvoll sein". Diese Gewissheit gibt ihr zusätzliche Sicherheit und dazu eignet sich Old School sehr gut, finde ich. Aber sie will eben auch unmissverständlich Machtgefälle spüren. Die Kunst besteht also für mich darin, die goldene Mitte zu finden zwischen Wertschätzung und Machtgefälle, zwischen Handkuss für Sub und Sub als Tischdeko.
Mir bricht kein Zacken aus meiner dominanten Krone, wenn ich aus einem tief empfundenen Bedürfnis heraus meine Sub dann und wann wertschätze und ihr damit zu verstehen gebe: Du bist meine Königin!