Das unglaubliche Doppelleben
Wir lieben unser Doppelleben, die Kombination aus braver Bürgerlichkeit und der Zeit, die wir an Orten verbringen dürfen, an die der Bürger nicht glaubt. Doch wie schreibt man von einem Ort, den es nicht geben darf?Von einem Un-Ort also,
dessen Schreie un-erhört,
seine Besucher un-sichtbar,
seine ganze Existenz schier un-glaublich
obwohl doch nicht un-wirklich ist?
Versuchen wir es als Ballade, die dem werten Leser gnädig die Möglichkeit lässt, das ein oder andere Detail des Schreibers Kopf und nicht dem Leben selbst zuzurechnen...
BALLADE VOM UN-ORT
Die Nachricht war ein Blitz in ihrem Kopf,
Das Denken dran wie Schmetterlinge die,
Schon längst aus ihrem Bauch hinfort gezogen,
Vermehrt zu einer ganzen Kolonie, zurückgekehrt.
"Er nimmt mich mit!"
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Ein Zugtor senkt sich langsam nieder.
Ein Bild, wie es aus Schauspiel nur bekannt.
Es gibt den Blick frei in die Burg,
Von deren starken Mauern fest umarmt
Sie jetzt das Schokolädchen sein darf.
Sie lässt zurück die Welt,
In der sie Mutter heißt und Frau und Freundin und Kollegin,
Um hier als Schokolade süß zu schmecken
Und um zu schmelzen
Und von Händen wahrer Herren neu geformt zu werden.
Den Blick gesenkt, wie es die Regel streng verlangt,
Steht sie in einer großen Runde.
Sie spürt, wie links und rechts sich Brüste bebend heben
Und schwer nur wieder senken,
Wie ihre eignen, die entblößt den strengen Augen
All dieser edlen Herren ausgesetzt
Sich stolz doch schüchtern nun nach vorne recken.
Sir Tom tritt bald hervor,
Sein flackerndes Gesicht im Schein der Fackeln kaum zu deuten.
Er hebt ein wenig nur das Haupt
Und fragend hört sie seine klare Stimme:
"Bist du bereit, dich diesen Herren dienend hinzugeben
Und allezeit auf ihre Lust bedacht zu sein?"
So wundervoll klingt diese Frage
Und jede Silbe ist ein heftiger Affront
Entgegen alles, was sie ist und was sie sein will
Bevor sie heute Tor und Graben überschritt.
Doch jetzt und hier darf sie mit fester Stimme sagen:
"Ja, ich will!"
Kaum sind die Worte ganz verklungen
In der Umrandung dieser Burg,
Wird sie genommen ihren wahren Wert zu prüfen;
Ein Edler greift und führt sie fort.
Er stellt sie zitternd an das Kreuz
Und prüft präzis mit Hand und Auge
Den Zustand des verschenkten Körpers.
Auf sein Geheiß umgreift sie ihre Backen
Und gibt durch sanftes Ziehen Preis
Ein Bild, das zu verhüllen alle Tage ihres Lebens
Ihr doch die Mutter stets gelehrt.
Nie war sie je in ihrem Leben nackter
Und niemals froher so entblößt zu sein.
Über die Länge dieser Nacht lässt sich nicht sprechen,
Noch gibt es Worte, was genau in ihr geschah.
Wenn sie dran denkt, denkt sie an winden und an schreien
Dann sieht sie Lippen prall geschwolln und so bereit
Sie hört sich flehen halb gestammelt, halb gesungen
Fühlt Härte die tief in ihr Innerstes gedrungen
Erinnert Geilheit, wie sie keiner jemals sah.
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"Ihr wollt schon los?"
Die Sonne brennt, es geht auf zwei.
"Ja, wir müssen noch zur Schwiegermutter zum Kaffee."
"Dann bis zum nächsten mal!"