Das Programm seiner Regierung hat am Sonntagabend Ministerpräsident Alexis Tsipras vor der Vollversammlung des griechischen Parlaments erläutert. Dabei hielt er im Wesentlichen an seinen Wahlversprechungen fest.
Ziel sei ein „sozial gerechtes Griechenland“ und eine Absage an das Klientelsystem, an die „unfaire Besteuerung der Bürger“ und an die Bürokratie. Regierungschef Tsipras sprach von einer „Regierung der Nationalen Rettung“ sowie von einer „Regierung der sozialen Rettung“. Bis Ende Juni forderte er fünfmonatiges „Überbrückungsprogramm“ der internationalen Geldgeber. Ein Eckpfeiler seiner Politik sei die „Bekämpfung der humanitären Krise“, die sich in den vergangenen fünf Jahren über Griechenland ausgebreitet hat.
Schluss mit Privilegien
Zu den ersten Maßnahmen, die die neue griechische Zweiparteienregierung aus dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) und der rechtspopulistischen „Unabhängige Griechen“ (ANEL) durchsetzen möchte, gehört die Wiedereinstellung von entlassenen Staatsdienern. Dazu fallen in erster Linie die Schulwächter und die mehr als 500 Putzfrauen des Finanzministeriums sowie entlassenes Verwaltungspersonal der Universitäten. Die dafür benötigten Gelder sollen aus dem vorgesehenen Budget für Neueinstellungen von Beamten für das laufende Jahr entnommen werden. Weiterhin werden die schwächeren sozialen Schichten kostenlos Ausspeisung, elektrischen Strom und Gesundheitsfürsorge erhalten. Im Gegenzug soll die öffentliche Verwaltung in den kommenden sechs Monaten radikal umstrukturiert werden, und auch die Privilegien von Parlamentariern und Ministern sollen drastisch gekürzt werden. So kündigte Tsipras an, den Fuhrpark von 750 Pkw’s für Parlamentarier um die Hälfte zu reduzieren. Mindestens eines der drei Regierungsflugzeuge wird verkauft. Der staatliche Fernseh- und Rundfunksender ERT, der 2013 geschlossen wurde, soll „von Null an“ wieder aufgebaut werden. Weiterhin wird eine Untersuchungskommission ins Leben gerufen, die unter die Lupe nehmen soll, wie Griechenland in das mit den internationalen Geldgebern geschnürte Spar- und Reformprogramm Memorandum hineingeraten konnte.
Bisher nicht bearbeitete Datensätze, wie etwa die so genannte Lagarde-Liste, auf denen mutmaßliche Steuerhinterzieher vermutet werden, sollen ebenfalls gründlich überprüft werden, um Geld in die Staatskassen zu spülen.
Anhebung des Mindestlohnes
Einschneidende Veränderungen wird es im steuerrechtlichen Sinne geben. Jahreseinkommen von bis zu 12.000 Euro bleiben künftig steuerfrei. Die von der Vorgängerregierung erhobene Immobiliensteuer ENFIA wird komplett abgeschafft. Eventuell noch ausstehende Schulden aus dem Jahr 2014 sollten jedoch beglichen werden, forderte Tsipras in seiner Rede am Sonntag.
Weiterhin wird der Mindestlohn schrittweise bis zum Jahr 2016 wieder auf 751 Euro angehoben. Rentner, die weniger als 700 Euro im Monat erhalten, werden eine 13. Zusatzrente als Weihnachtsbonus bekommen.
Der Staatsbesitz Griechenlands soll verwertet aber „nicht ausverkauft“ werden. Öffentliche Unternehmen, wie die Elektrizitätsgesellschaft DEI und die Wasserwerke stehen nicht mehr auf der Privatisierungsliste.
Mit Blick auf die EU-Partner stellte Tsipras allerdings fest, dass man sich an getroffene Vereinbarungen halten werde.
Ende des „Brain Drain“
Der Polizei ordnet die neue Regierung eine völlig neue Rolle zu. Die Ordnungshüter werden besser ausgebildet und auch ihre Arbeitsbedingungen sollen sich verbessern. Was Immigrantenkinder betrifft, die in Griechenland geboren und aufgewachsen sind, so sollen diese automatisch die griechische Staatsbürgerschaft erhalten. Im Bereich der Bildung will man sich auf die Forschung konzentrieren, um zahlreiche Griechen, die im Ausland in diesem Bereich tätig sind, wieder zurückzuholen. Dem sogenannten „Brain Drain“ also dem Talentschwund, soll damit ein Ende bereitet werden. Beharren will das Kabinett Tsipras auf der Forderung nach Rückzahlung eines während des II. Weltkrieges von Hitlerdeutschland aufgenommenen Kriegskredites (Besatzungsanleihe). Auch Entschädigungsforderungen für die Zeit während des II. Weltkrieges stehen auf der Tagesordnung.
Die Debatte über die Grundsatzerklärung der Regierung wird in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch beendet. Anschließend steht in der Vollversammlung des Parlaments die Vertrauensabstimmung an, die namentlich erfolgt. Die aus den Wahlen am 25. Januar hervorgegangene Regierung aus SYRIZA und ANEL hat eine Mehrheit von 162 der insgesamt 300 Sitze.
Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi