Ach Weihnachten, Zeit der Besinnlichkeit bis zur Besinnungslosigkeit. Ich persönlich bin ein großer Fan - insbesondere der Vorweihnachtszeit. Da gibt sich jeder nochmal so richtig Mühe zu zeigen, was er hat, auch wenn man eigentlich nichts hat.
Kann man sonst eher nicht durch viel goldenen Schmuck am Körper protzen, so hat man nun wenigstens die Möglichkeit seinen Weihnachts-Swag im Fenster, Vorgarten, oder auf dem Balkon zu präsentieren. Und der deutsche Durchschnittsbürger lässt sich da nicht lumpen. Ich vermute ja die Lichterketten meiner Nachbarn aneinander gereiht ergeben die berühmte Strecke Erde-Mond-Bielefeld. Auch farblich rückt man seit einigen Jahren vom dezenten Bernstein-Gelb ab und widmet sich mehr dem Flutlicht-Weiß - die Proletarier unter den Weihnachts-Enthusiasten in Form eines schlichtes Dauerleuchtens, während die wahren Könige jeden Epileptiker umgehend ins Krankenhaus befördern. Besonders freue ich mich über diesen schicken Kaleidoskop Effekt an der Hauswand auf der anderen Straßenseite, ich kann es von meinem Schlafzimmer aus sehen, das weckt Kindheitserinnerungen - die ganze Nacht.
Nun sitze ich nicht den ganzen Tag daheim und sonne mich im Lichterglanz meiner Nachbarn, nein ich genieße auch den Bummel durch die vorweihnachtliche Stadt. Das beginnt bei mir ja schon mit umfangreichen Vorbereitungsmaßnahmen. Regelmäßig leihe ich mir die Eishockeyausrüstung des Nachbarjungen - nein nicht den Stock, nur die Polsterung. So gewappnet stürzt es sich gleich viel entspannter in die Massen. Erinnert ihr euch an den 9. November 1989 -all die glücklichen Menschen auf den Straßen, das Gedränge am Brandenburger Tor? Jetzt stellt euch vor, all die Menschen hätten das Lächeln von Grumpy Cat.
Ich starte meine Tour durch die City in der Regel an einem beliebigen Ortseingangsschild (weiter kommt man mit dem Wagen sowieso nicht) und lasse mich dann von den Menschen Richtung Innenstadt schieben. Man kann sich hierbei auch nicht verlaufen. Es ist da wie mit den Flüssen, da mündet ja alles irgendwann ins Meer. In der Stadt mündet alles in einen Glühweinstand auf einem der zentralen Weihnachtsmärkte. Die Kunst ist, bis dahin alle Besorgungen zu machen. Das ist nicht immer leicht, denn es gilt, im Vorbeigehen geschickt die freien W-LAN Hotspots der großen Geschäfte zu nutzen, um durchgehend Empfang für den Einkauf bei Amazon zu haben.
Am Ende des Einkaufsbummels steht dann die obligatorische Belohnung für all die Strapazen und Mühen - der Weihnachtsmarkt! Selbstverständlich gehört hierzu eine große Tüte gebrannter Mandeln (Grüße an meinen Zahnarzt) und der Glühwein - ich vermute, eine süße Mischung aus Lambrusco und Methanol. Ich klammere ich mich dann im Regen an meine beiden Köstlichkeiten und schwelge in vorweihnachtlicher Besinnlichkeit.
So vergeht für mich die Zeit bis Weihnachten wie im Fluge und es kommt die Zeit
der Abrechnung - Verzeihung - der Familienessen. Hier bin ich stets aufs Neue beeindruckt, von der schier unermüdlichen Schaffenskraft meiner Mutter. Da wird das ganze Jahr über auf diesen einen Moment hingearbeitet, es wird tranchiert, reduziert, gratiniert, deglaciert. Da wird aus einer Tomatensauce zum Fest ein Sugo, der Kartoffelbrei zum Erdapfel-Schaum und Wackelpudding zu Ambrosia mit Fruchtaroma. Selbst mein Papa lässt sich beim Genuss all der üppigen Speisen zu einem wohlwollenden "Jo, schmeckt!" hinreißen.
Ich genieße diese Stunden im Beisein meiner Familie sehr - wenn meine Mutter die Zeit bis zur Bescherung stets damit überbrückt meiner Partnerin zu zeigen, wie süß ich doch als Kind war und irgendwann dazu übergeht zu fragen, was sie denn falsch gemacht habe, dass ich immer noch nicht verheiratet bin und sie keine Enkel hat - wird sie auch nicht kriegen, weiß sie auch. Aber man wird es ja mal sagen dürfen.
Bescherung ist dann unser Höhepunkt! Wir pflegen daheim unter dem Tannenbaum eine 3 Klassengesellschaft der Päckchen. Da gibt es die praktischen, das sind die von meinem Papa. Man erkennt sie am Geschenkpapier (sofern vorhanden). Es ist das gleiche, was es auch schon zum letzten Geburtstag gab - war halt noch was da. Ich finde gut, dass er da in eine ökologische Vorreiterrolle schlüpft und aktives Recycling betreibt. Dann gibt es die von meiner Mama, die High Society der Päckchen - perfekt angezogen mit farblich abgestimmte Bändchen und Schleifchen. Das Papier stets gold- und silberlastig, so dass ich schon überlegt habe, ob es sich lohnen würde, es später aus dem Altpapier zu fischen und beim Juwelier schätzen zu lassen. Und dann sind da noch meine. Man könnte annehmen ich habe einen Sponsoringvertrag mit Tesa. Hab ich nicht, aber soll ja halten.