Kennst Du das?
Dass Du Dich in einer Situation befindest? Nicht irgendeine, natürlich. Eine Situation, die Dir massiv unangenehm ist. In der Du Dich fragst WIE zum Teufel Du da hineingeraten bist. Kennst Du das?
Ich bin mittendrin. In genau so einer Situation.
Ich stehe in einem Hotelflur. An eine geschlossenen Zimmertür gelehnt. Ich trage ein Kleidchen und weisse Sneaker.
Und eine Augenbinde.
Und Handschellen.
Jap.
Handschellen.
Hab ich erwähnt, dass die Tür geschlossen ist?
Ich warte verzweifelt darauf, dass sie sich öffnet. Dass der Mann, den ich heute treffe, mir die Tür öffnet, mich packt, mich in das Zimmer zieht und die Türe hinter mir schliesst.
Nichts passiert.
Mein Ärger hat sich in Luft aufgelöst.
Mein Verdruss als ich sein Päckchen vor dem Hotelzimmer fand, mein Unmut über die Anweisungen und die Dinge darin, meine anfängliche Verärgerung darüber mich selbst zu fesseln und völlig freiwillig und hilflos vor seiner Zimmertüre zu warten... sind Verzweiflung gewichen.
Wider Erwarten hat sich die Türe nicht für mich geöffnet.
Ich habe nicht mehr das Bedürfnis "das noch auszudiskutieren". Ich kann die Handschellen, die ich mir selbst angelegt habe, nicht mehr lösen. Ich will nur noch in dieses Zimmer.
Eine Türe öffnet sich. Neben mir.
Das ist die falsche Türe!
Ich erstarre und mir wird heiss.
Mehrere Personen treten aus dem Zimmer auf den Flur. Zwei oder drei. Vielleicht auch vier. Sie unterhalten sich und lachen. Dann verstummen sie plötzlich.
Ich bin nicht zu übersehen.
Die Augenmaske ist nicht zu übersehen. Ich senke den Kopf.
Ich drücke meine hinter dem Rücken gefesselten Hände in den Türrahmen. Aber auch die Handschellen sind wahrscheinlich nicht zu übersehen.
Na, gut. Sei's drum.
Ich biete ein freundliches "Hallo!" an.
Sie grüssen zurück, lachen und gehen an mir vorbei. Dann sind sie verschwunden.
Es ist wieder still im Flur.
Ich höre wie der Aufzug auf meiner Etage anhält und sich die Aufzugtüre öffnet. Ich halte den Atem an.
Wie viel schlimmer kann es noch werden?
Schritte kommen auf mich zu.
Ich drücke mich fester gegen den Türrahmen, halte meinen Kopf gesenkt.
Jemand berührt mich an der Schulter. Sein "Hallo" ist halb Flüstern, halb Lachen.
Ich möchte vor Erleichterung weinen. Mich an ihn drücken. Mich an ihm festhalten. Und das tue ich, während er die Tür öffnet und mich hineinschiebt.
Die richtige Türe.
Vergessen ist jede Renitenz.