„Nun weiß ich nicht, ob jemand von Euch schonmal ein Vorstellungsgespräch im öffentlichen Dienst hatte?
Hab ich nicht.
Freunde von mir.
Von dem was ich gehört habe, herrscht in der Kinder- und Jugendarbeit ein eklatanter Mangel an Fachkräften. (Ein Bekannter - Elternbeirat, der auch bei Einstellungsgesprächen dabei ist - hat erzählt, wie schwierig es ist unter den aktuellen Bedingungen halbwegs anständiges Personal zu bekommen.)
Und besonders gute Arbeitsbedingungen und/ oder Vergütung können städtische Einrichtungen nicht anbieten. Dementsprechend human sollen die Vorstellungsgespräche gelaufen sein.
Zwei Bekannte/ Freunde - Quereinsteiger - haben sich dann doch lieber für die Arbeit in einem Verein entschieden.
Ein Freund - Erzieher - hat sich dann doch lieber für die Anstellung in einem Betriebskindergarten entschieden.
Alle drei hatten im Vorfeld schon ihre Arbeits-Erfahrungen in städtischen Einrichtungen gemacht und dementsprechende Fragen im Vorstellungsgespräch gestellt. Die städtische Einrichtung wollte sie dennoch haben. Sie aber nicht die städtische Einrichtung.
Vielleicht nimmt dir das ein wenig den Druck? Ernst nehmen sollte man es dennoch. Das ist klar.
Nach einer Reha ist eine Anstellung in einer städtischen Einrichtung vielleicht ein gutes Sprungbrett.
Pass bloß auf, dass du da nicht ausbrennst.
Die Verwaltungsvorschriften sind zum Teil weltfremd, jedes Kind, welches nicht den Vorgaben entspricht, ein Störfaktor, die Personaldecke so dünn, dass man kaum allem gerecht wird (Aufsichtspflicht!), Eltern hätten gerne diese und jene Veranstaltung für ihre Kinder, doch Null Zeit sich selbst freiwillig zu engagieren (irgendwer anders solls machen) und kleinste Anschaffungen, die man für sein Projekt benötigt sind ein bürokratischer Kraftakt.
Da braucht man in der Tat ein "dickes Fell" und eine gute Portion Humor.
Das ist aber nicht so einfach, wenn einen traurige Kinderaugen anschauen.
Viele Menschen brennen bei so einem Job früher oder später aus.
Mich wundert ein wenig, dass du nach einer Reha-Maßnahme "hohe Belastbarkeit" in das Anschreiben geschrieben hast. Ja, die Coaches von der Agentur für Arbeit/ Job-Center drängen die Arbeitssuchenden schon mal gerne dazu, "hohe Belastbarkeit" rein zu schreiben, da die Arbeitgeber sich das wünschen.
Ich habe mich geweigert und andere Attribute verwendet, die meine Stärken ausdrücken.
Beim Gespräch habe ich offen und ehrlich angesprochen, wo meine Belastungsgrenzen liegen. (Bin noch eingeschränkt. Minijob-Bereich.) So konnte das bei der Arbeit von Anfang an berücksichtigt werden. Weniger Ärger für den Arbeitgeber und für mich. Meine Ehrlichkeit kam gut an.
Damit will ich dir jetzt nicht unterstellen, keine hohe Belastbarkeit zu haben.
Ich erwähne es nur, da es bei Menschen, die gerade aus einer Reha-Maßnahme kommen, doch eher selten ist, dass hohe Belastbarkeit zu ihren Top-5 Stärken zählt. Auch dann, wenn sie wieder vollzeit erwerbsfähig sind, gibt es in der Regel Schwachpunkte. Und man kann nicht mehr alles mitmachen, da die Gesundheit bereits angeschlagen ist. Nicht als Dauerbelastung.
Juristisch ist das Attribut "hohe Belastbarkeit" im Bewerbungsschreiben in solchen Fällen heikel. Denn die Bewerbungsunterlagen gehören zum späteren Arbeitsvertrag.
Die Kombi "kürzliche Rehamaßnahme" + "hohe Belastbarkeit im Bewerbungsschreiben" ist insbesondere für die Arbeitgeber attraktiv, die lieber den Angestellten kostengünstig entsorgen wollen als die Arbeitsbedingungen so anzupassen, dass die Erwerbsfähigkeit des Angestellten erhalten bleibt. Macht eine Vorerkrankung Probleme - eine, wegen der man in Reha war - wurde bei der Bewerbung (hohe Belastbarkeit) gelogen. Und der Arbeitgeber ist fein raus.
Wie auch immer...
Der Arbeitgeber hat in seiner Stellenausschreibung "hohe Belastbarkeit" gefordert und du hast wie bestellt geliefert.
Nimm es bitte nicht persönlich, sollte der Job dich auf kurz oder lang überfordern.
Das ist in städtischen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit die Regel, nicht die Ausnahme.
Bei allem Ideenreichtum & Kreativität ist Konzentration auf das realistisch Machbare gefragt.
So könnte man "Ich habe ein Dickes Fell." in Bezug auf so eine Einrichtung auch umschreiben:
Konzentration auf das realistisch Machbare!