Der Wolf und die Hexe
Der Wolf und die Hexe, sie standen im Schnee,wo die wilden Tiere gingen,
im Dunkel der Bäume, am finsteren See,
wo die Raben so düster singen.
Die Hexe sagte zum Wolfe dann:
„Ich erzähle dir eine Geschichte,
nichts worüber man lachen kann,
so lausche meinem Berichte.
Im Schatten der Nacht, im Schutze der Bäume,
wir uns nicht fürchten sollen,
Doch sorgten wir stets für böse Träume,
bei denen, die uns nicht wollen.
Die Menschen, sie verstehen es nicht!
Welch Quelle von Weisheit und Wissen,
sie stellen in ein falsches Licht,
weshalb sie uns hassen müssen.
Mein Wolf, was wir sehen, fühlen und hören,
das lernt man nicht im Kolleg.
Sie lassen auf Regeln und Gesetze schwören,
doch das ist nicht unser Weg!
Fühlst du den Frost in deinem Fell?
Siehst du das Licht meiner Augen?
Oh sag mir, mein treuer und lieber Gesell‘
was soll dieses Schulwissen taugen?“
Der Wolf schaute die Hexe traurig an,
„Darf ich dich, meine Freundin, was fragen?“
Sie streichelte ihn zärtlich, wie man es nur kann,
„Mein Wolf, Du kannst alles mir sagen!“
„Warum werd‘ ich verfolgt und gejagt?
Warum sieht man in mir nur das Böse?
Mein Fell zerschunden, mein Fleisch zernagt,
warum foltert man mich mit Getöse?
Sie töten meine Brüder und stellen mir Fallen,
in denen ich elend soll sterben,
Sie wollen mein Fell, das Fell von uns allen,
sag, wer soll mein Wissen einst erben?
Immer wieder greifen sie an,
sind ständig mir auf den Fersen,
nie ruhen oder rasten ich kann,
dämonisieren mich in ihren Versen!
Was kann ich dafür, dass als Wolf ich geboren?
So ist nun mal meine Natur!
Nur deswegen soll ich in der Hölle schmoren?
Rechtfertigt das diese Blutspur?
Ich weiß nicht mehr weiter, geliebte Maid,
Wieviel kann ein Wolfsherz ertragen?
Wieviel an Verfolgung, Hass und Leid,
bevor sie mich stell’n und erschlagen?“
Die Hexe nahm den Wolf in den Arm,
sie trocknete ihm seine Tränen.
Hielt ihn mit ihrem Mantel warm
und strich ihm durch seine Strähnen.
„Mein lieber Wolf, du kannst nichts dafür,
was sie fürchten, das müssen sie töten!
Das taten sie schon mit Urgetier,
mit Elfen, Trollen und Jöten.
Du bist viel zu mächtig,
deshalb fühl’n sie sich klein,
bist ihnen verdächtig,
deshalb sollst du nicht sein.
Sie jagen dich nicht weil sie hungrig sind,
sondern weil sie allein herrschen wollen.
Für Natur und Magie sind sie heute so blind,
s‘ist viel altes Wissen verschollen.
Sie wollen nicht teilen das Land mit dir,
denn nie haben die Menschen genug.
Und um noch mehr zu bekommen, das glaube mir,
greifen sie gerne zu Lug und Trug.
Doch all ihre Lügen vermögen nicht,
dir deine Wildheit und Schönheit zu rauben!
Wenn für die Häscher verlöscht das Licht,
wird man an dich immer noch glauben!
Glaub mir mein Wolf, ich kenne dein Leid!
Die Norne das Schicksal uns webt.
Sie verfolgen mich auch schon seit langer Zeit,
Ich habe das Gleiche erlebt.
Sie verbrannten, ertränkten und folterten mich,
zwangen mich zu falschem Geständnis.
Auch hatten sie Angst vor mir, sicherlich,
Angst vor meiner magischen Kenntnis.
Hexen und Wölfe passen nicht mehr,
in diese magielose Welt.
Wir lauschen dem Wind, dem Regen, dem Meer,
Wir brauchen kein Ruhm und kein Geld.
Wir schauen zum hellen Mond empor,
und lernen von der dunklen Nacht,
einst kommen mehr von uns hervor,
mit flammenden Herzens Macht.
Einst glänzen wir hell, beleuchten den Pfad,
der lange war vergessen.
Es wird Sühne geben für diesen Verrat,
und all den üblen Exzessen.
Wir schreiben die Geschichte neu,
mit all der verbotenen Lehre!
Denn Du und ich, sind wild und frei,
Sonne und Mond zur Ehre!
Die Jungen werden wiederentdecken,
was die Alten schon längst vergessen,
sich gen unendlichem blauem Himmel strecken
und sich nicht mehr im Kampfe messen.
Zurück zu den Wurzeln, zurück zu dem Land,
zurück in die tiefblaue See,
erklimmen die Berge und tanzen im Sand,
und laufen barfuß durch Schnee.
Sie werden der Natur gewahr,
was diese hat zu bieten,
der Erde Schatz, der Tiere Schar,
Wurzeln, Blätter und Blüten.
Umarmen das Leben, spüren das Band,
das ihre Ahnen von Beginn an geknüpft,
lösen sich von all dem wertlosen Tand,
der ihnen ins Leben gehüpft.
Leb dich aus mein Wolf und sing dein Lied,
heule den Mond an, geh wandern!
Ich bin deine Stimme, dein Bindeglied,
zwischen dieser Welt und der andern.
Unsere Seelen verbunden sind,
wir durchschreiten Zeit und Raum,
unsere Liebe stets von Neuem beginnt,
wir sehen uns in der Welt und im Traum.
Mein Wolf wenn Du fällst, ich tröste dich,
nehme die Schatten von deinem Herzen,
egal was passiert, ich kümmere mich,
und lindere all deine Schmerzen.
Wir stehen zusammen, egal was passiert,
wir bestimmen der Welten Lauf,
du kriegst mein Gewand, auch wenn’s selbst mich friert!
Wolf und Hexe hält niemand auf!“
Der Wolf sprach zur Hexe: „Gefährtin mein!
Wie liebe ich dich so sehr.
Meine Treue zu dir ist fester als Stein,
ich gäb für dich mein Leben und mehr!
Was hast du nur alles erlebt und ertragen
und doch bist du tapfer und stark!
Niemals hört man dich jammern und klagen,
dabei verletzte man dich so arg.
Deine Schönheit hat niemals gelitten,
trotz aller harten Tortur,
bis jetzt hast du alleine gestritten,
doch entbiet ich dir hier meinen Schwur:
Meine Hexe, meine Gefährtin, mein Stern,
fortan gehst du nicht mehr allein,
ich schütze dich, halte Böses dir fern,
und will dein Behüter sein.“
Der Wolf und die Hexe, sie standen im Schnee,
wo die Wilden Tiere gingen,
im Dunkel der Bäume, am finsteren See,
wo die Raben so düster singen.
Wolfenmond war, in der Januarnacht,
ihre Seelen tanzten wie Flammen,
erfüllt von der Liebe Kraft und Macht,
blieben sie für immer zusammen.
Copyright by Waldwolf,
Inspiriert von "the witch and the wolf" von Anne Stokes