Hypnose als Anleitung zur phänomenologischen Kontrolle
(Undine:) Die Studie habe ich am Rande heute schon in unserem E-Mail-Newsletter erwähnt, hier noch einmal detaillierter und für alle:
"Phenomenological control is the ability to generate experiences to meet expectancies. There are stable trait differences in this ability, as shown by responses to imaginative suggestions of, for example, paralysis, amnesia, and auditory, visual, gustatory and tactile hallucinations.
Phenomenological control has primarily been studied within the context of hypnosis, in which suggestions are delivered following a hypnotic induction.
Reports of substantial relationships between phenomenological control in a hypnotic context (hypnotizability) and experimental measures (e.g., the rubber hand illusion) suggest the need for a broad investigation of the influence of phenomenological control in psychological experiments.
However, hypnosis is not required for successful response to imaginative suggestion. Because misconceptions about the hypnotic context may influence hypnotizability scores, a non-hypnotic scale which better matches the contextual expectancies of other experiments and avoids the hypnotic context is potentially better suited for such investigation.
We present norms for the Phenomenological Control Scale (PCS), an adaptation of the Sussex Waterloo Scale of Hypnotizability (SWASH) which is free of the hypnotic context. Mean scores for the PCS are higher than for SWASH, and the subjective scales of PCS and SWASH show similar reliability. The PCS subjective scale is a reliable tool for measuring trait response to imaginative suggestion (i.e., phenomenological control) outside the context of hypnosis."
https://online.ucpress.edu/collabra/article/7/1/29542/118986/The-Phenomenological-Control-Scale-Measuring-the
Wichtig finde ich dieses Framing vor allem, weil es eine Fähigkeit des Hypnotisanden ins Zentrum der hypnotischen Interaktion stellt. Und zwar nicht als "Suggestibilität" (also die Fähigkeit, auf einen Gedankenvorschlag von außen zu
reagieren), sondern als die Fähigkeit,
aktiv Kontrolle über das eigene Erleben auszuüben.
Der Hypnotisand ist also der eigentliche Akteur, während der Hypnotiseur dafür lediglich eine Hilfestellung und Echtzeit-Anleitung gibt. Das hypnotische Ritual hat in diesem Framing die Aufgabe, dem Hypnotisanden in kleinen, verdaulichen Schritten die Gewissheit erfahrbar zu machen, dass seine Realität veränderlich ist.
Und der eigentliche Hammer der Studie ist, dass einige Menschen ihre phänomenologische Kontrolle
besser ausüben können (vulgo "suggestibler werden"), wenn man das Ganze
nicht Hypnose nennt. Dann nimmt man nämlich auch diejenigen mit, die mit dem Konzept von Hypnose negative Konnotationen haben und deswegen nicht ihr volles Potenzial an phän. Kontrolle ausüben, wenn das Experiment als Hypnose geframed wird.
Außerdem finde ich das Konzept von phänomenologischer Kontrolle (also die Fähigkeit, das eigene Erleben bestimmten Erwartungen anzupassen) hilfreich, um einen inflationären Gebrauch des Hypnose-Begriffs etwas einzudämmen. Sonst landet man am Ende doch wieder bei "alles ist Hypnose", was catchy, aber nicht immer nützlich ist.
Hypnose ist dann eine bestimmte, in unserer Kultur tradierte Sammlung ritueller Anleitungen zur gezielten Ausübung phänomenologischer Kontrolle. Aber nicht jede Anleitung zur Ausübung phänomonologischer Kontrolle ist Hypnose, genau wie nicht jede spontane Ausübung phänomenologischer Kontrolle Selbshypnose ist.
Sprich, wenn z.B. Werbung die Erwartung, dass ein bestimmtes Produkt gut ist, so intensiv befeuert, dass ich das Produkt dann tatächlich auch gut finde, möglicherweise entgegen objektiv-rationaler Kriterien, dann hat mir die Werbung zwar eine Anleitung zur phänomenlogischen Kontrolle gegeben, der ich gefolgt bin, aber das heisst nicht, dass die Werbung auch eine Hypnose war.