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sich in engen Strukturen der normalen Arbeitswelt nicht einfügen können, bzw. wollen
... war mal Eckpfeiler einer politisch-sozialpsychologisch-philosophischen Theorie.
https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Marcuse
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Marcuse nie gelesen habe, aber sein Geist durchwehte in Form des Begriffs der Totalverweigerung fraglos die politischen und ideologischen Prägungen meiner Jugend.
Die Frage der Erwachsenen, was ich denn einmal werden wolle, habe ich damals immer als unerträglich empfunden. Das war irgendwie wie: sich eine Mütze aufsetzen und die zum Berufsfeld passende Uniform anziehen und dann den Rest seines Lebens in diesem selbstgewählten Gefängnis als Rädchen in der Maschine verbringen. Unter Verzicht auf das Leben selber.
Zwischendurch habe ich mich auch jahrelang geärgert, dass ich damit so viel meines Potentials verschenkt habe. Irgendwie war das ja auch pubertär. Einige pragmatische Kompromisse bin ich dann eingegangen und hatte auch durchaus so was wie Erfolg. Quintus beschreibt ganz gut, wie das gehen kann.
Dank meiner Erfahrung, meiner Bildung, meines Alters und meiner Intelligenz kann ich meinen scheinbaren krönenden beruflichen Misserfolg in einen historischen Kontext einordnen, in dem die Lehmann Brüder eine wichtige symbolische Rolle spielen.
Wir haben gegenwärtig die Situation, dass die EZB einerseits mit de-facto-Negativzinsen versucht, die Wirtschaft anzukurbeln, während in Basel gleichzeitig gesetzliche Bestimmungen zur Eigekapitalbasis vereinbart wurden, die verhindern, dass die benötigten Kredite tatsächlich gewährt werden dürfen.
Irrer gehts kaum.
Für mich ist ausgemachte Sache, dass Marcuse, und alles, was gebildete Menschen mit seinem Namen assoziieren mögen (Studentenbewegung und sexuelle Befreiung, Frankfurter Schule, Totalitarismusdebatte, und natürlich auch der Marxismus ebenso wie Heidegger diese wunderbare alte Nazisau) mitnichten auf den Müllhaufen der Geschichte gehören, wie man uns seit dem Endsieg des Kapitals anno 89/90 weißzumachen versucht, sondern dass das alles nochmal gaaaanz großes Tennis wird.
Wir brauchen gar keine Terroristen, um den "Weltinnenraum des Kapitals" (Sloterdijk) in die Luft zu jagen: Der macht das gerade ganz von alleine, wenngleich eine Explosion in Zeitlupe schwer als solche zu erkennen ist.
Was das alles mit dem Thema zu tun hat?
Das ist eine Frage der Ethik.
Das hat was mit Verantwortung zu tun. Einstein hat bekanntlich nach dem zweiten Weltkrieg die Frage nach der Kollektivschuld der Deutschen aufgerufen. Weit bekannter als Marcuse ist Adornos Bonmot: "Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen."
Wer sich heute beim Sprechblasenbingo in einer Marketingsitzung oder bei der Softwareentwicklung für ein Abgassystem beruflich erfolgreich positioniert, trägt nach Einstein eine ähnliche Mitverantwortung für die Gesamt-chose wie der Bahnwärter in Lehrte Anno 44, der sicherstellte, dass die Güterwaggons auch brav in Ausschwitz landeten, und nicht in Kassel.
Wenn hochbegabte Menschen in
diesen Strukturen sich selber im Wege stehen, weil sie andauernd so ein ungutes Gefühl haben, weil sie sich nicht identifizieren können mit dem, was uns in den letzten 35 Jahren als erstrebenswert, als Erfolg, "verkauft" wurde, dann könnte dieser Misserfolg, diese Veweigerung, in wenigen Jahren in ganz anderem Licht erscheinen.
Ich weiß nicht, ob es im Rahmen der Entkapitalisierung später ähnliche peinliche Befragungen geben wird, wie sie britische und amerikanische Offiziere im Rahmen der Entnazifizierung in der deutschen Bevölkerung durchgeführt haben.
Könnte ja sein.