Ist der Spiesser ausgestorben?

Ich hatte immer den Eindruck, eigtl. gibt es ihn überhaupt nicht, den Spiesser. Es gibt Merkmale des typischen Spiessers, und viele davon hast Du genannt, aber einige davon weist auch jeder einzelne von uns auf (da möchte ich wetten), und wenn man dann mal mit einem vermeintlich typischen Spiesser redet, kommt er auf einmal mit so völlig revolutionären Ansichten daher, dass man komplett umgehauen ist.

Ich glaube also, ich bin dem Spiesser noch nicht begegnet. Wie ist das mit Euch?

LG, Laura
(ist auch spiessig: hat jahreszeitlich passende Blumen in den Balkonkästen )

als Berufsbild ist er ausgestorben,
aber umgangssprachlich als Ansammlung aller erdenklichen Klischees (im übrigen gibt es den sogar definiert in der Wissenschaft) gibt es ihn schon noch.
Man spaziere einfach durch die Einfamilienhausneubausiedlungen und sehe ihn mit dem Benzinrasenmäher, neben seinen 7,8 Autos und 2,3 Kindern über seine Anlagen gebeugt.

J&A

Also ich wohne ja jetzt hier ländlich auf'm Dorf im absoluten Wesend von Deutschland. Und ich kan Euch sagen: JA er lebt noch! Nicht der Holmichel, sondern der Spiesser! Er versucht zum Bespiel durch Tarnung sein Spiesbürgertum geschickt, z.B. mit einer Harley zu verstecken, jedoch bricht es gerade Samstags aus Ihm heraus, wenn er mit Laubsauger, Besen, Chemikalien und Wasserschlauch bewaffnet sichdem Kampf mit dem unsagbaren Feind stellt, der umgangssprachlich auch Strassendreck genannt wird.Auch vermag er es nicht zu verkraften, dass andere nicht so spiessig sind und vergisst daher nicht auf dem Ordnungsamt den Nachbarn anzuchmieren, der den Bürgersteig nicht als hygenisch sauber zu haltende Zone ansieht.

Öhm...also ich hab ne Berufsunfähigkeitsversicherung. Bin ich jetzt raus...?

Aber ohne Witz: Klar lebt der Durchschnittspießer noch - und zwar da, wo ein Mädel im kurzen Rock Fahrrad fährt und nach einem ungünstigen Windstoß ein paar Tage später Dorfgespräch ist.

LEIDER nicht persönlich gesehen, ist nämlich ein verdammt hübsches Mädchen, sondern von selbigem nur erzählt bekommen...Mist aber auch!

Wie schlimm ist nun eigentlich die Bedrohung durch den Spießer einzuschätzen?
Doch lieber wieder das Profil löschen oder wenigstens mit Augenbalken versehen

Spießig sind für mich die Oberlehrer, die mir sagen, dass man nicht über den Grünstreifen gehen darf, nicht die Geschwindigkeit überschreiten oder auch die "Gesundheitsapostel", die fast schon militant über Raucher herziehen.

Am Schlimmsten sind jedoch die Huper auf Straße, die jedes mal ihre Hupe betätigen, wenn sie sehen, dass einer irgendetwas verkehrt macht. Denen möchte ich als Fahrradfahrer am Liebsten eine Weckerhupe schenken und auch hier im Joyclub gibt es Oberlehrer und Spießer zu Hauff.
Aber gut, dass es hier keine Hupen gibt.
Das wäre ein Krach.

Ich fürchte ich mutiere langsam zum Spießer

Zunehmend ertappe ich mich dabei zu grollen wenn so kleine Höflichkeiten wie "guten Morgen" oder "Auf Wiedersehn" nicht gesagt werden, jemand ohne zu fragen sich an meinem privaten Zartbitter Vorrat gütlich tut oder ein hirnloses Etwas das Größenverhältnis zwischen Lücke und Einkaufswagen "etwas" unterschätzt und laut und vernehmlich zwischen den parkenden Autos durchschrammt.

Die "Ich-hab-recht-Huper" sind allerdings extrem lästig. Sowas kenn ich aus meiner zweiten Heimat Italien nicht. Da regt man sich zwar gern auf und auch lautstark, aber selten aus Besserwisserei.

Ja da musst Du aufpassen.
Das sind die ersten Vorboten.
Aber auch ich ertappe mich manchmal auch dabei, wenn mir ein Guten Morgen nicht erwidert wird, lautstark noch mal zu grüßen.

Und? Wird der deutlichere Gruß dann erwidert?

Als Morgenmuffel hätt ich manchmal gern eine Kelle, auf der einen Seite mit Morgen und auf der anderen mit Wiedersehn beschriftet.

Mit der könnte ich bei mangelnden Umgangsformen meinem Gruß ein wenig Nachdruck verleihen.

Wenn man den Worten meines 18 jährigen Sohnes glauben schenken darf, so bin ich ein Spieser ohne Ende.

• Ich halte es für völligen Quatsch, wenn er mit seinen Kumpels von Freitag Abend bis Sonntag Abend durchgehend so ein Internet Wargame spielt.

• Ich reg mich auf, weil er sein Geld nur für neueste Spiele und Konsolen ausgibt.

• Ich krieg nen Anfall, wenn er mit seinen Kumpels türkisch-deutsch spricht, wo alle in der Clique seit Generationen im Allgäu leben.

• Ich krieg die Krise, weil er seiner Freundin mindestens 100 SMS am Tag schickt, wo er sie doch sowieso täglich 3-4 Stunden sieht.

• Weil ich seinen Musikgeschmack (ist das eigendlich Musik) zum kotzen finde.

Er kann noch mit viel mehr Spiesigkeiten aufwarten, denen ich verfallen sein soll. Komisch, wo ich mich doch immer für nen echt coolen Typen gehalten habe. Aber so kann man sich irren.

Nur weil ich nicht alles für Gut heiße, was unsere Jugend für absolut cool hält, denke ich, daß der Spieser in mir doch relativ gering geblieben ist. Nun ja, Ansichtssache, oder muß ich in meinem Alter noch zu den Grünen wechseln und im Bundestag Socken stricken, um vielleicht dem Klischee zu entrücken.

Mike

Naja, sind wir (sagen wir mal die älteren) nicht alle irgendwo ein bisserl spiessig?
Spätestens wenn man Kids hat, erwischt man sich doch öfters dabei, dass man Sachen macht, die man früher bei seinen eigenen Eltern schlichtweg zum kotzen fand.

Ach ja: Zumindest mal nen Gruß erwiedern empfinde ich als Höflichkeit, nicht als Spiesserei.

Wir sind trotz sehr hohen Alters noch immer nicht spießig geworden und warten noch auf den Moment, wo es kippt.

Steht denn fest, dass es irgendwann kippen muss?
Das wäre je schrecklich.
An dem Tag wo ich den Hut im Auto auflasse, möchte ich gegen einen Baum fahren.

Ich glaube es gibt auch Menschen, die sind schon als Spießer auf die Welt gekommen und hatten den Hut schon damals auf.

@ sagitta
Das stimmt soweit, aber ist Dir nicht auch schon manchmal aufgefallen, wie berechen- bzw. vorhersehbar das Verhalten der allermeisten Menschen ist und egal welche große eigene Überzeugung und freundschaftliche Hilfsenergie dagegen zu stehen scheint - scheint es Naturgesetz zu sein.
Das haben wir leider zu oft miterlebt, ähnlich dem Eintritt der Demenz. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit...

ist doch eine Hoffnung! Jedoch ist das Mittelmaß, der Kleinmut und Neid ubiquitär und in der ehemals geteilten Stadt stark ausgeprägt. Dafür anfällig, ebnen die Spießer Ideologien und Organisationen den Weg sogar über die Rücken derer, die mit dem Überleben beschäftigt sind.

Ein schlagendes Beispiel ist doch diese Plattform: Ich habe selten so viele verklemmt SpießerInnen so viel um den Brei herumschreiben gesehen, wie hier. Auf einer Wallfahrt geht es vermutlich heißer her. Es ist um so erbärmlicher, wenn dann jemand (solvent, gut situiert, angesehenes Joy-Mitglied) von sich behauptet, er "ficke" gut: Ich würde ihm nicht einmal abnehmen, dass er gut Auto fahre oder einen Pfannkuchen gut hinbekommt. Die Spießerinnen habe ich so erlebt, dass sie so verkrampft sind, dass es stinkt, und man am Ziel seines Strebens hier dann doch keine Lust mehr auf etwas mit ihnen hat.

Keine Ahnung, wie man zum Spießer wird; vermutlich wird man dazu gemacht und man läßt es in einem Prozess des Lebenslaufes geschen, in dem sich das Subjekt zum Produkt billiger Vernunftsvorstellung macht und als SpießerIn unter SpießerInnen herauskommt. Mißbrauchte Freiheit und Korruption der Lebenssinns schafft die schlaffen Spießer, die bereits das Leben als Tote erleben. Auch das Schönste, selbst wenn sie es in den Händen halten, können sie nicht begreifen - weil sie nicht teilen. Welchen Wert hat ein Leben als Spießer; lohnt es sich denn nicht, sich, wenn nötig, ganz und gar für Freiheit und Menschlichkeit einzusetzen?

Ich möchte nicht näher darauf eingehen und erst recht keine konkreten Beipiele nennen. Als abschließende Worte ein Zitat von Brecht, der ja hierzulande jedem Spießer bekannt sein sollte:
"Das Gedächtnis der Menschheit für erduldetes Leid ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. ... Und doch wird mich nichts davon überzeugen, daß es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Laßt uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Laßt uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen, ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden." B. Brecht: Zum Völkerkongreß für den Frieden. Wien 1952. In: B. Brecht: Schriften zur Politik und Gesellschaft, Bd. II, Berlin u. Weimar 1968, S. 219 f.

Vielleicht ist das Spießertum ja die Strafe für Feigheit?!

gelesen und heimlich korrigiert, aber inhaltlich 1+!
J&A

des JC scheinen tatsächlich extrem viele Spieser rum zu treiben. Schade, daß man keine Namen nennen darf, doch vielleicht würden ja auch einige mich auf diese Liste setzen.
Die Frage ist doch erst mal, was ein Spieser ist. Man müßte doch erst mal analysieren, wen man als Spieser bezeichnen kann. Sind es die Oberlehrer, die Besserwisser, die Katholiken, die Moslems?
Bin ich ein Spieser, weil ich versuche, als Vater meinem Sohn Grenzen aufzuzeigen? Weil es Dinge gibt, die ich eher nicht toleriere, die ich für falsch halte, was vielleicht andere für supergeil finden?

Je mehr man über Spieser schimpft, desto intoleranter ist man doch selbst. SUUM QUIQUE, jedem das seine und wenn jemand mit Hut Auto fährt, dann soll er es doch machen, solange er nicht mich beschimpft, weil ich meine gehäckelte Klorolle nicht an der Heckscheibe zeige. Die hab ich meinem besten Freund geschenkt, der sie seit vielen Jahren mit führt und sich einen ablacht, weil Antispieser sich drüber aufregen.

Mike

Das könnte man dazudefinieren, stimmt:
Als personifiziertes statistisches Mittel zeichnet es ihn aus, dass er nicht nur seinen Rasen in der so vorgegebenen Länge und Dichte hält, sondern auch den Nachbar dazu anhält, das Gleiche zu tun und sogar mit der Sanktion der Ordnungsamtsanzeige droht.
Er ist derjenige, der eine Anzeige über die unpassende Fassadenfarbe des Nachbarhauses verfaßt, obwohl er selbst Farbenblind ist.

Selbstgefälliges Lästern über die Heckablagenhäkelklorolle finden wir, einhellig mit der medizinischen Meinung, ist gesund.
Jede Form von Ein- und Angreifen beim bzw. des Besitzers ist schon wieder Spießertum vom Feinsten.

Für mich ist ein Spiesser jemand, der intolerant den Dingen gegenüber auftritt, die für ihn selbst keinen direkten offensichtlichen Nachteil erwirken, er sich aber dennoch darüber echauffiert. Er ist ziemlich egoistisch und unbelehrbar. Er spielt sich gerne als Weltverbesserer auf, hat aber meistens noch nicht sehr viel von der Welt gesehen oder viel mehr, sie "nicht verstanden". Der echte Spiesser ist einsam aus Leidenschaft.

Diese Definition gefällt mir bislang am besten und trifft relativ genau den Punkt.
Meinen Glückwunsch.


Mike

das ist doch eine Definition für Arroganz. Wieso sollten Spießer aus Leidenschaft einsam sein und Dinge kritisieren, die sie nichts angehen? Spießer sind vor allem zahlreich, zynisch und machen es sich bequem, weil sie den Wert der Dinge nicht erkannt haben und sich selbst in grotesker Weise viel zu ernst nehmen.
Ein Beispiel dafür ist doch auch das Gehabe der Spießer bei den Parties; zwar geben sie sich locker, doch haben sie es nötig die jeweils zu ihnen gehörige Spießerin zum wichtigsten Besitz und Prestige zu machen: Hat der Spießer eine zu ihm gehörige Spießerin, meint er den tieferen Sinn des Lebens verstanden zu haben. Er fühlt sich aufgrunddessen in jeder Hinsicht legitimiert, über jeden Zweifel erhaben. Besonders ignorant zeigt er sich dann dem offensichtlich wirklich offenen und vielleicht auch intelligenteren Mitmenschen.

Diese machen ihn latent aggressiv, weil sie ihm zeigen, dass er seine Lebenslüge wird nie verwirklichen können. Begegnet der Spießer diesen Menschen, spricht er sie häufig an, nur um sie zu überhören, um ihnen seine Derbheiten oder völlig abstruse Dinge/Anschuldigungen ins Gesicht zu sagen und um ihm als besondere Legitimation seines Unwesens z.B. seine Spießerin vorzuführen (das ist natürlich sehr verkürzt dargestellt). Das verblüffte Gegenüber erlebt dann, dass dieses Verhalten von der Spießerin für völlig normal und auch begrüßenswert gehalten wird.

Dieses Verhalten habe ich bei realen Treffen in Berlin häufiger erlebt und ich meine es auch auf den JC-Foren erkennen zu können. Das Spießertum gründet sich meiner Meinung nach in einer geistigen Korrumtion oder Verwahrlosung, welche die Spießer in ihrem charakteristischen Mangel an Soziabilität in menschlichen Belangen stets zu kurz greifen läßt.

Ich verwehre mich der spießigen Düpierung, weil ich das Unwesen der SpießerInnen in der Quintessenz für unzivilisiert und entmenschlichend halte.

Also gut ! Worüber redet ihr inszwischen ?
Darüber, was ein Spiesser ist ?
Darüber, ob ihr spiessig seid ?
Darüber, ob es den Spiesser noch gibt ?

Ich für meinen Teil denke, dass jede Sichtweise, die sich vor der
Vielfältigkeit menschlichen Denkens, Fühlens und Lebens fürchtet,
potenziell Spießertum in dem Sinne fördert, dass gedanklich,
emotional und praktisch Grenzbarierren aufgebaut und verteidigt
werden, ggf. mit Hilfe von Anwälten - oder mit Gewalt.

Ich für meinen Teil denke aber auch, dass sich das Gewand,
in dem sich Spießertum als Mentalität präsentiert, heute ein
anderes ist als vor 40 Jahren. Man schaue sich nur die Rituale
und Haltungen an, die gerade die ehemaligen 68er oder die
ehemals Friedensbewegten inzwischen pflegen.

Und ich für meinen Teil denke, dass auch hier im JC viele User
eine Mentalität mitbringen, die man als spiessig bezeichnen
könnte - und spreche mich übrigens davon selbst auch nicht frei.
Offen über Sex reden zu können und vielleicht da und dort mal
durch nette Clubs ziehen und mit dem oder der einen oder anderen
zu spielen... ist noch kein Beleg dafür, dass "ich" ein Nicht-Spießer bin.

Lieben Gruß
Dieter

Average minds discuss events. Small minds discuss people."

Admiral Hyman Rickover

Der Spruch ist super !
Und ein Paradebeispiel für die Spießigkeit der geistigen Oberliga.