Individualismus pur
Hallo miteinander, hallo Orgelspieler!
(Übrigens, als ich LQ nachgeschlagen habe, bin ich zuerst auf den Love-Quotient gestoßen, was noch mal was anderes als der hier anscheinend gedachte LQ ist. Vielleicht unbekannte Begriffe mal selbst näher erläutern, damit wir auf einer Ebene diskutieren?)
Für mich ist der Themenaufriss viel zu individualistisch und hierarchisch geschrieben. Es wird so getan als könnten sich Messgrößen wie IQ oder EQ in einem neutralen Raum realisieren lassen.
Wenn Du jedoch in sozialpsychologische oder ähnliche Versuche hineinsiehst, merkst Du schnell, dass sich beide Werte verändern, je nach sozialer Situation. IQ lässt sich ebenso manipulieren, wie auch der EQ.
Der realisierte IQ/EQ ist daher immer zu unterscheiden von dem Potenzial, was in jemandem steckt. Zudem sollten wir nicht vergessen, dass gerade der IQ eine bestimmte Form der Intelligenz misst, die auch nicht ahistorisch oder überzeitlich ist. Vielmehr wird der IQ auf eine Weise gemessen, die eben messbar ist. Andere Formen von "Intelligenz", also weniger auf Mathematik oder Sprechverständnis aufbauen, etwa die gute alte techné, ist nicht gut messbar und wird daher auch nicht gemessen.
(unter techné verstehe ich hier das Verständnis Kunst und Handwerk zu schaffen, also eine praktischere Ausrichtung als logische Intelligenz, die immer auch die Umsetzung mit einbezieht. Natürlich gibt es auch in der Wissenschaft techné, sei es, wenn es um Versuche geht oder Schreibkunst, also die Fähigkeit Erkenntnisse auch zu kommunizieren.)
Was hat das mit dem Thema zu tun?
Wenn Du Menschen hierarchisierst und drei Kennwerte dazu nutzt, solltest Du vorsichtig sein. Denn damit rasterst Du die Gesellschaft nicht nach ahistorischen und allgemeinen Kategorien, sondern nach Kenngrößen, die stark durchdrungen sind von gesellschaftlichen Vorannahmen.
Wenn dabei herauskommt (und so empfinde ich den Einstiegsbeitrag), dass es eine Klasse von "Anormalos" gibt, die einfach überlegen sind, aber vorsichtig mit dieser Überlegenheit umgehen müssen, um nicht unangenehme Reaktionen zu bekommen, würde mich das nachdenklich stimmen. Allerdings nicht in Deiner zugrunde liegenden Analyse. Ja, ich würde auch sagen, dass Menschen mit einem großen Potenzial an IQ und EQ, die dann auch noch ehrgeizig und lernwillig sind, und gute Rahmenbedingungen haben, viel erreichen können, was wiederum von anderen Menschen angefeindet wird.
Mein Einspruch gilt jedoch der Hierarchisierung. Denn die Hierarchisierung basiert auf einer hegemonialen Werteordnung in unserer Gesellschaft, die ich ablehne. Hier gilt:
Einzigartigkeit vor Austauschbarkeit, Wertschöpfung vor Sinnschöpfung, Konsum vor Nachhaltigkeit, Verantwortung vor Arbeit. Eine nicht austauschbare Fähigkeit, im Dienste der Organisation der Herstellung verkaufbarer Güter wird immer extrem besser bezahlt als prinzipiell austauschbare Fähigkeiten die nachhaltig und mit eigener Hände Arbeit Sinn schafft.
Deswegen verdient man in so einer Werteordnung im Management der Autoindustrie das Hundertfache einer Pflegekraft, selbst wenn es ein Überangebot an Manager*innen und ein Unterangebot an Pflegekräften gibt.
Ein Verständnis von Individualismus, das IQ, EQ, LQ oder was auch immer misst, sie bei einzelnen Individuen verortet und darauf aufbauen hierarchisiert, ist für mich ein Kind einer solchen Werteordnung. Du könntest das auch völlig anders aufziehen. Zum Beispiel in dem das Ranking nicht danach fragt, wie gut Du Logiken in einer Zahlenreihe erkennen kannst, sondern was Du damit gemacht hast. Doch eine Grundentscheidung solcher Maßstäbe ist ja die Messung eine individuellen Potenzials in einem individuellen Test unter Laborbedingungen mit anschließender Hierarchisierung.
Gruß Brynjar