Der symbolische Interaktionismus
Theoretische Grundlagen
Das auf G.H. Mead zurückgehende Konzept des symbolischen Interaktionismus geht davon aus, dass der Mensch nicht nur in einer natürlichen, sondern auch in einer symbolischen Umwelt lebt und begreift ihn demgemäß als ein Wesen, das den Dingen seiner Umgebung Bedeutungen zuschreibt. Die Kategorie der Bedeutung kennzeichnet zentral symbolisch-interaktionistisches Denken. Die Übernahme von Rollen mit dem Ziel, Erfahrungen über ihre Inhalte zu gewinnen, ist ein Vorgang, der realitätskonstituierenden Charakter hat. Dieser Vorgang der „Sozialisation im Alltag“, also das Übernehmen, Spielen und wieder Abgeben von Rollen ist symbolisch vermittelte Interaktion, in der Erfahrungen konstituiert, Erfahrungsaustausch gefördert und Wirkungen konstruiert werden, Die Kompetenz, Aussagen und Verhaltensweisen zu vermitteln welche eine neue Realität symbolisieren und interpretieren, ist eine kommunikative. Sie wird möglich, durch die enge Verknüpfung von Sein und Handeln, von Sinn und Handeln und von Symbol und Handeln in der spezifisch homininen Aktivität der Externalisierung. Der Prozess Externalisierung – Objektivierung – Internalisierung organisiert die Außenbeziehung des Einzelnen zu seiner Umwelt (Gesellschaft). Gesellschaft konstituiert sich über Bedeutungsvermittlungsprozesse, über symbolische Interaktion. Dies wird auch in den Prämissen von Blumer deutlich:
• Menschen handeln den Dingen ihrer Umwelt gegenüber auf der Grundlage von Bedeutungen die diese für sie besitzen.
• Die Bedeutung dieser Dinge entsteht in, beziehungsweise wird abgeleitet aus den sozialen Interaktionen die Menschen miteinander eingehen.
• Diese Bedeutungen werden in einem interpretativen Prozess im Zuge der Auseinandersetzung mit diesen Dingen benützt und gegebenenfalls verändert.
Kommunikation erscheint im symbolischen Interaktionismus als ein Prozess, in dem Menschen mit Hilfe von Symbolen (verbal oder nonverbal) einander wechselseitig Bedeutungen ins Bewusstsein rufen. Erfolgreiche Kommunikation im Sinne von „Verständigung“ bedarf im symbolischen Interaktionismus daher einer wechselseitigen Orientierung der Kommunikationspartner. Dieses wechselseitige Orientieren der Kommunikationspartner aneinander ist impliziter Bestandteil des Kommunikations-prozesses, denn im Zuge symbolisch vermittelter Interaktion, aktualisieren wir in unserem Bewusstsein und im Bewusstsein des/der Kommunikationspartner nicht bloß Bedeutungen, sondern wir nehmen damit zugleich auch die Haltung des/der Anderen uns selbst gegenüber wahr. Kommunikation impliziert, „dass der Einzelne Kommunikator sich vorstellt – in sich selbst hervorruft, wie der Empfänger seine Kommunikation aufnimmt. Diese wechselseitig erwarteten Interpretationsleistungen bestimmen demnach auch den Ablauf der jeweiligen kommunikativen Interaktion.
Wie zuvor erwähnt, kann Kommunikation als ein Vorgang verstanden werden, durch welchen Bedeutungen mit Hilfe generalisierbarer Symbole und damit intentionaler und inhaltlicher Sinn ausgetauscht werden kann. Dieser Austauschvorgang ereignet sich zwischen Menschen, die ihre subjektive Rolle artikulieren und dadurch Erwartungen und Erwartungserwartungen austauschen. Hierbei bilden sich Bedeutungen auf einer, für beide Kommunikationspartner neuen Ebene. Ohne ein übergreifendes Systemverständnis ist es allerdings nicht möglich die Prämissen interpretativen und antizipierenden Handelns als kommunikative (interaktive) Basis der Bedeutungsgenerierung zu formulieren. Erst auf der Basis eines umfassenden Verständnisses und der Axiome, dass Zusammenhänge sich über ein Prozess der Reduktion von Sinnkomplexitäten bilden, lässt sich eine Aussage über die Struktur symbolisch vermittelten Handelns machen. Handlungen sind hierbei Veräußerungen von Handlungsplänen und Handlungsstrategien, die Bedeutungen in Bezug auf „erwartete Erwartungen“ vermitteln. Durch diesen Vorgang der Veräußerung (Externalisierung) wird die Realität des gesellschaftlichen Alltags konstituiert, Alltagswissen gebildet und handelnd vermittelt, durch einen permanenten Prozess des Produzierens und Interpretierens von Bedeutungen.
Der symbolische Interaktionismus versteht den kognitiven Konsens einer Gesellschaft als einen Prozess flexiblen Rollenhandelns. Zuvor angesprochenes Alltagswissen ist demnach nicht ein Sinnkonzept, dem der Einzelne, wie es das normative Paradigma annimmt, auf Grund von zu erwartenden Kontrollen und Sanktionen entspricht, sondern ein Sinnkonzept, durch das Normen, Werte, Erwartungen und Möglichkeiten sozialen Handelns als kognitiver Rahmen individueller Selbstverwirklichung gebildet wird. Die Orientierungen handlungsleitender Systeme bilden sich über einen, im Verlauf der Sozialisation und der persönlichen Lerngeschichte erworbenen, subjektiven Sinnzusammenhang gesellschaftlichen Handelns.
Im symbolisch vermittelten Prozess des Erfahrungs- und Erkenntnisaustausches hat des Weiteren der Begriff des Rollenhandelns eine zentrale Bedeutung. In der Rollentheorie des symbolischen Interaktionismus übernehmen die, an der Interaktion beteiligten Kommunikationspartner, wechselseitig die Rollen des Anderen. Diese gegenseitige Rollenübernahme ist unabdingbar für eine effektive Kommunikation, denn sie bewirkt die Dynamik des Handlungsverlaufes. Des Weiteren sind die Kommunikationsmöglichkeiten von den historisch-gesellschaftlichen Interessen entkoppelt, sodass die Möglichkeit des Einzelnen seine Kompetenzen bewusst wahrzunehmen und daraus seinen Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstbehauptung zu entsprechen, jederzeit gegeben. Die Kompetenz (Rollenkompetenz) besteht also darin, die Interaktionsnormen zu beherrschen, sie bewusst und flexibel einzusetzen und nicht von ihnen abhängig zu sein.
Habermas beschreibt Rollenkompetenz wie folgt:
- Die Fähigkeit zur Rollenambivalenz, also verschiedene Rollenansprüche wahrnehmen und auf die Erfüllung subjektiver Überforderungen verzichten zu können. Sie ist die Fähigkeit zur Frustrationstoleranz.
- Die Fähigkeit zur Rollenambiguität, also die Balance zwischen der Übernahme von Rollen und dem Selbstentwurf von Rollen so zu halten, dass ein subjektiv vertretbares Maß an Selbstdarstellung dabei entsteht.
- Die Fähigkeit zu flexibler Über-Ich-Formation, also internalisierte und akzeptierte Normen bewusst und reflexiv anzuwenden und nicht aus der Mechanik der Konditionierung.
Der interaktionistische Sozialisationsbegriff beschreibt den Sozialisationsprozess
• nicht als Übernahme von Rollenmustern, sondern als Übernahme von Leit- und Leistungsbildern
• als einen interaktiven Austauschprozess in einem übergreifenden, allgemeinen und sozialen Bezugsrahmen.
Aus dem Sozialisationsverständnis des symbolischen Interaktionismus folgt, dass die Gesellschaft als ein Prozess miteinander in Interaktion stehenden Individuen begriffen werden kann, die ihre Kultur, dass heißt ihre aufeinander bezogenen Bedeutungen und Wertungen in einem spiralförmig verlaufenden Interpretationsprozess vermitteln. Der Sozialisationsstand eines Menschen ist nicht ein Konditionierungsergebnis, sondern der Entwicklungsgrad einer Kointerpretationsspirale, im Verlaufe derer Bedeutungen übernommen und immer wieder modifiziert werden.
…
Freu mich auf eure Antworten