Ich kenne keinen Fall einer Doktorarbeit, die dem Erst- und Zweitkorrektor (was sagt der eigentlich?) übern Zaun auf den Schreibtisch geworfen wurde. Dissertationen sind begleitete Arbeiten, in denen ein Doktorvater lenkt, Themen zusteuert, Artikel abzweigt und vorveröffentlicht, und dem Gesamtprodukt seine Richtung gibt - steht am Ende ja auch sein Name drin.
Wie also ein "nicht verstanden" zustande kommen kann, kann widerum ich nicht verstehen. Man mag Beweggründe bei Deinem Bekannten vermuten, was aber hier auch nicht nötig ist.
Um aber nicht völlig am Thema vorbeizureden: Wissenschaftssprache an sich entwickelt sich aus den Wissenschaftlern heraus, die Dinge erforschen, beschreiben und gemeinsam verstehen müssen. Begriffe werden festgelegt, damit alle zusammen wissen, wovon die anderen reden.
Dann kommt noch hinzu, dass sich bei internationalen Themen Wissenschaftler in einer gemeinsamen Landessprache verständigen müssen, die oft nicht ihre Muttersprache ist. Englisch ist hier verbreitet, da es relativ einfach zu lernen und strukturell nicht so komplex ist. Aber ein nicht-Muttersprachler tendiert dann dazu, Wendungen und Konstrukte seiner Sprache nachzubauen, was es wieder komplexer macht. Wenn er gleichzeitig noch die internationalen Fachtermini zu verwenden sucht, und möglicherweise noch neue aus seinen Ergebnissen definieren und beschreiben will, wird's anspruchsvoll.
Das kann für Außenstehende wie jede Menge Quatsch klingen. Für Wissenschaftler in ihrem Feld ist das Alltag, die merken es nicht. Für feldübergreifende Forschung ist es anstrengend, aber lohnend, sich in die Sprache des anderen Zweigs einzuarbeiten. Bis dahin alles noch okay.
Schlimm wird es erst bei sogenannter Wissenschaftsprosa; wenn ein Autor versucht so kompliziert wie möglich zu schreiben, um seinen Kollegen zu zeigen dass er viel besser denken und formulieren kann als alle anderen zusammen. Junge Wissenschaftler stöhnen dann und glauben, sie hätten nichts kapiert und müssten genauso sein. Alte Wissenschaftler lachen über diese Ich-kann-aber-besser-als-Du Schwanzvergleicherei und schreiben dann über den Kollegen gehässige Kommentare in ihren eigenen Werken.
Und so justiert sich die Sprache dann wieder - wer versucht, damit rumzuprahlen, wird ausgebremst. Möglicherweise ist es das, was Deinem Bekannten passiert ist; und der Kommentar des Doktorvaters ein Hinweis darauf, dass er endlich mit der Schwafelei aufhören soll? Wir werden es nie erfahren.