Ich versuch das jetzt mal weniger physikalisch als philosophisch zu beantworten.
Zeit ist nur dann wahrnehmbar, wenn sie mir aktiv ins Bewusstsein rückt, denn wenn mein Geist auf andere wahrnehmbare Elemente konzentriert ist, verliert die Zeit ihre Wichtigkeit.
Bedeutet im Umkehrschluss, dass ich Zeit nur dann wahrnehme, wenn die Tätigkeit absolut oder relativ unangenehm ist.
Beispiel: Absolut unangenehm ist mir das Warten an einem kalten Bahnhof auf meinen Zug. Ich warte darauf, dass dieser Zustand zu ende geht - auf das Ankommen des Zuges. Mir rückt die Zeit, die bis dahin vergehen muss - denn von der Zeit ist die Ankunft abhängig - ins Bewusstsein und macht das warten endlos lang.
Relativ unangenehm sind mir Situationen, die ich eigentlich als neutral oder gar positiv empfinde, aber trotzdem schneller vorbei sein sollen, weil mich etwas gar angenehmeres erwartet. Hier sehne ich also nicht unbedingt das Ende des aktuellen Zustands herbei, sondern eher den Beginn eines neuen. Auch das rückt mir Zeit ins Bewusstsein und lässt mir sie länger vorkommen.
Diese Argumentation bezieht sich nur auf Zustände, die von der Zeit abhängig sind, quasi Termine, welcher Art auch immer.
Es gibt aber auch Zustände, die nicht von der Zeit abhängig sind, aber deren Dauer man beeinflussen kann. Dadurch entsteht beispielsweise Eile: Eine Bemühung die zeitliche Dauer zu verkürzen. Auch in diesem Fall rückt einem die Zeit stark ins Bewusstsein und lässt jede Sekunde eine Sekunde zu viel erscheinen.
Jedoch ist man in Eile oft viel zu sehr auf eine schnelle Abhandlung der Tätigkeit fixiert, als dass man sich auf die Wahrnehmung von Zeit konzentrieren könnte. Somit erscheint die Zeit einem kurz.
Ähnlich verhält es sich, wenn man das Bedürfnis verspürt einen Zustand zu verlängern.
Erlebt man einen angenehmen Zustand, der von Zeit abhängig ist (vmtl. bestes Beispiel: Urlaub), rückt einem eben nicht die Zeit ins Bewusstsein, sondern die angenehmen Dinge, die man erlebt. Die Zeit vergeht schnell.
Muss man etwas Wichtiges in einem bestimmten Zeitfenster erledigen, rückt beides ins Bewusstsein, aber es hilft kein Abwarten, sondern nur Handeln, dementsprechend steht die Handlung im Fokus.
Meine These: Zeit dauert länger, je mehr Zeit man hat sie wahrzunehmen.
Warum wir unsere Zeit als wichtiger wahrnehmen als die von anderen? Weil wir egozentrisch sind. Hat mans eilig, sind alle in der Umgebung nur lahme Schnecken und machen alles falsch und ungeschickt. Hat man Zeit, interessiert man sich nicht dafür und liest die Schriftzüge auf Dingen, die einem am Arsch vorbei gehen und hält vermutlich wen anders auf.
Und meiner Meinung nach ist sinnvolles Zeit verbringen überbewertet. Für mich ist das fast ideologisch... Nach dem Motto, wenn ich mich nicht bilde oder arbeite, tu ich nichts fürs Gemeinwesen, die Wirtschaft, Kultur oder andere fiktionale Konzepte.
Ich persönlich denke, es ist sehr wichtig für Seele und Geist, den größeren Teil seiner Zeit mit seinen Neigungen zu verbringen.
Wie sagte Nietzsche doch so schön: "Wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave." - I, Aph. 283
Ich hab nur dieses Leben und möchte es nicht der Allgemeinheit spenden und schon gar nicht zum größten Teil.
Wie verbringe ich meine Zeit? Wenn ich nicht grade ellenlange Posts über eben diese schreibe, verbringe ich meine Zeit am allerliebsten so, dass ich sie nicht wahrnehme.
Ich liebe Tage, in die ich einfach hineinleben kann, ohne auf die Uhr zu schauen... Nichts steht an, kein Druck, keine Aufgaben, aber alle Freiheiten.
Ich hoffe, man kann mir folgen.