Schicksal
Der Zufall ist ein wissenschaftlicher Begriff, der in mehreren Mutterwissenschaften beheimatet ist und dort untersucht wird. Er beschreibt das Eintreten eines Umstandes, der kausal nicht aus den Variablen hergeleitet werden kann und insofern indeterministisch ist.
Das ist nicht falsch, jedoch sehr knapp zusammengefasst.
Es könnte ja zunächst einmal lediglich bedeuten, dass das Modell die falschen Variablen enthält.
Fest steht: ein reiner Indeterminismus ist einfach unwissenschaftlich, zumindest im Sinne des Positivismus. Wenn mein Experiment keine Vorhersagen ermöglicht, kann ich es auf den Müllhaufen der Wissenschaftsgeschichte werfen. Insofern ist der Zufallsbegriff in Darwins Mutationskonzept ein unwissenschaftliches Neben-Hilfs-Konstrukt, das dennoch mit statistischen Mitteln durch das Selektions-Konzept aufgefangen wird.
Der Zufall ist der Darwinschen Theorie aber nicht wesentlich, das dürfen wir nicht vergessen.
Der Gegensatz, der zwischen Darwinisten und Kreationisten am Zufallskonzept aufgespannt wird, ist eine Schieflage: Auch Darwins Evolution folgt einem "Plan" bzw gewissen Gesetzmässigkeiten.
Darüberhinaus müssen wir unbedingt unterscheiden zwischen strenger nicht-determiniertheit (also reinem Zufall) und Nicht-Berechenbarkeit. Letzterer ist ein für die Chaostheorie sehr wichtiges Konzept, hat aber ontologisch einen völlig anderen Charakter.
Die Mathematik als "Kernkompetenz" der modernen Naturwissenschaften hat gerade im 20. Jhdt. sehr intensiv und formal korrekt die Grenzen ihrer eigenen Möglichkeiten herausgearbeitet, vor allem an diesem Begriff der Berechenbarkeit (heute geht es um NP-Vollständigkeit). Dies wird oft vergessen oder ist vielen nicht bewusst.
Determinismus als Ursache-Wirkungs-Konzept verstanden (Kausalität), muss beim infiniten Regress notwendig versagen bzw sich in ein Logik-Wölkchen auflösen: Wenn ich in der Zeit immer weiter zurückgehe und nach der letzten Ursache suche, lande ich notwendig bei der Idee des unbewegten Bewegers, die schon in der Scholastik diskutiert wurde.
Bei diesem Gedanken faseln zwar viele Abonnenten von Peter Moosleitners interessantem Magazin sofort was vom Urknall, outen sich damit aber nur als Menschen, die nicht wissen, wovon sie reden.
Delta (t) = 0 ist mathematisch nicht definiert.
Und damit ebenso grenzenlos wie Gott.
Viele der führenden Physiker des 20. Jhdts wie Max Planck, Albert Einstein oder Erwin Schrödinger waren zutiefst religiös und werden ihren Grund dazu gehabt haben.
Schicksal ist hingegen deterministisch konnotiert.
Jein.
Das Kausalitätsprinzip ist Kernelement des Rationalismus. Durch den Sieg der französisch-angelsächsischen Entente im zweiten Weltkrieg ist dieses Denken in der zweiten Hälfte des 20 Jhdts im Wissenschaftsbetrieb zur alles beherrschenden Geistesströmung geworden.
Es gab und gibt aber zu allen historischen Zeiten eine ganz andere Sicht auf die Dinge, die nicht nach der URSACHE fragt, sondern nach dem ZIEL (Telos). Es sind also teleologische Konzepte, nicht zu verwechseln mit theologischen.
Ich habe noch lange nicht abschließend durchdrungen, welche Rolle wir Deutschen hierbei spielen, aber fraglos war Goethe mit seiner Gestalt-Theorie einer der herausragendsten Köpfe dieser Weltsicht.
In einer teleologischen Welterklärung steckt AUCH eine gewisse Determiniertheit ("Bestimmung"), aber die ist irgendwie "weicher" als der unelastische Stoss zweier Billardkugeln.
Mann KANN den Schicksalsbegriff deterministisch verstehen, aber nicht als Ursache-Wirkungs-Konzept. Die Idee des Schicksals kann nur teleologisch (oder gar nicht) verstanden werden. Aber wenn man sie verstanden hat, lässt sie einen nicht mehr los. Und Freiheit schmeckt fad.