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Sexualität und Zeitgeist

Sexualität und Zeitgeist
Klingt irgendwie altmodisch, aber was fällt Euch dazu ein?

Anfang des 20. Jhds, die "Golden Twenties", die 30iger Jahre, die 40iger, die 50iger der Adenauer Zeit, die Sixities und Kolle, und alle weiteren Jahrzehnte bis heute, ist das ein Thema zum Nachdenken?

Zazie_M
**********henke Mann
9.663 Beiträge
Was ist die Frage bzw. ...
... die Hypothese?

Lautet sie vielleicht: Wie wurde Sexualität in unterschiedlichen Epochen gelebt?
Eigentlich müsste man dann schon...
..."etwas" früher beginnen. Beim Fin de Siècle. Oder während der Französischen Revolution. Im Italien der Renaissance. Im Mittelalter. Zur Zeit des Lukullus. Im alten Ägypten. Oder... im Island des 17. Jahrhunderts? Oder im Amerika des 13. Jahrhunderts? Was ist in Afrika passiert? Trotzdem eine interessante Frage, wie die Wechselbeziehung zwischen Gesellschaftsentwicklung und der gelebten Sexualität aussieht, und was das - wenn man in unsere Zeit schaut - für Folgen haben könnte.
keine zensur
*smile* Na, dann denkt doch nach! Freie Assoziation erlaubt.
Zazie_M
******aas Mann
1.567 Beiträge
Assoziationen
Manchmal kommt mir der JC vor wie eine staubige Grundschule:
Lehrer, gelangweilt: "Kinners, wir schreiben heute einen Aufsatz. Thema ist..."
Okayyyy.

Da wir noch keine Richtung, keine These und keine Agitation haben... - tue ich das mal auch nicht, sondern stelle ein paar Schlagworte zusammen (und zu blöd, dass es hier keine Tabs gibt).

Also, hier die komplett subjektive Liste von Frauen- und Männeridealen bezüglich Sexappeal, aus Männersicht, für Deutschland, quer durch die Jahrzehnte.

Epoche.......Frauenideal.....................Männerideal
20er............Marlene Dietrich..............Gustaf Gründgens
30er............Eva..................................Adolf
40er............Nicht-Trümmerfrau...........lebendig
50er............Ruth Leuwerik.................Johannes Heesters
60er............Karin Dor.........................Joachim Fuchsberger
70er............Romy Schneider...............Udo Lindenberg
80er............Nena, Sandra, Madonna..David Hasselhoff, Schimanski
90er............Jennifer Lopez.................Kurt Cobain
00er............Paris Hilton......................George Clooney

Dr. Zazie, übernehmen sie!
Okay, das ist wirklich gut, Frau Lehrerin ist zufrieden.

Da kann man was damit anfangen. Ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. So klingt das hübsch harmlos, aber ich habe ein bisschen was anderes im Sinn.

Gerade das Paar "Eva und Adolf" steht für sehr gefährliche Beziehungen zwischen Frau und Mann, nicht nur privat, auch gesellschaftlich gesehen.

Der Mann, der Übermensch, nicht nach Nietzsche, darf die gehorsame, eilfertige Frau als Schmuck betrachten, erniedrigen und zerstören.

Er hat nicht nur Eva auf dem Gewissen, auch Angelika Raubal, - und Millionen anderer Menschen.

Meine Frage ist, wie Zeitgeschehen und Sexualität miteinander verbunden sind, oder ob das nicht relevant ist.

Wie konnte die Liberalität der Weimarer Republik abstürzten! In Berlin durfte man offen homosexuell, lesbisch und auch SM frönen; und es gab Treffs, die gesellschaftlich heute erst wieder salonfähig sind.

Auch die 10ner Jahre Anfang des 20. Jhds. waren nicht ohne...; dann die heutige Situation wird es (noch) liberaler, konservativer, oder haben wir das schon in unseren 10ner Jahren schon mitgemacht?


Genug Aspekte für eine Diskussion?

Zazie_M
Würde auch gerne wissen, worauf Du hinaus willst.

Mir fällt dazu vor allem ein, dass der Diskurs über Sex und die gelebte Sexualität zwei verschiedene paar Schuhe sind. Wir könnten jetzt für jedes Jahrzehnt herausfinden, wie über Sex geredet wurde (Kontext, Thematisierung, Machtfragen), aber geht das nicht am interessanteren Teil vorbei? Fallen wir so nicht auf die Propaganda der jeweiligen Zeit herein?

Was mich mehr interessieren würde, ist, wie Sex tatsächlich gelebt wurde, d.h. welche Spielregeln es für die Anbahnung von Sex gab und unter welchen Bedingungen er zustande kommen konnte.

Eine andere Frage wäre noch die nach den Praktiken, aber die sind IMHO nur wenig zeitgeistabhängig.
Okay, für mich als ehemalige, abgebrochene Politikwissenschaftsstudentin ist das mit der Machtfrage und Propaganda hochinteressant.

Aber, vielleicht habt Ihr Euch alle damit schon auseinander gesetzt, wie Politik, Propaganda, Kultur und als Teil der Kultur, eben unsere
Sexualität in Beziehung stehen. - Möglicherweise ist das für Euch schon ein Allgemeinplatz, also zum Gähnen.

Gestern habe ich einen, schon etwas veralteten, Artikel über die Geschichte des Kusses gelesen. - Im 16. Jhd. war der Kuss zwischen Verlobten ein rechtsverbindliches Mittel, um im Falle des Todes eines "Vertrags"partners Geschenke usw. behalten zu können. - Wie hübsch materiell, die Angelegenheit.

In Bayern2 gab es gestern eine Sendung darüber, wie man(n)/frau heute online einen Partner sucht und manchmal auch findet. Und Sex-Online-Webseiten wurden als Subkultur, die noch nicht erforscht ist, definiert.
Aber, vielleicht habt Ihr Euch alle damit schon auseinander gesetzt, wie Politik, Propaganda, Kultur und als Teil der Kultur, eben unsere
Sexualität in Beziehung stehen. - Möglicherweise ist das für Euch schon ein Allgemeinplatz, also zum Gähnen.

nee, wir ham da nur auch keine Ahnung von

Und Sex-Online-Webseiten wurden als Subkultur, die noch nicht erforscht ist, definiert.

Cool, und ich bin dabei...

Aber mal im Ernst: Das Thema finde ich auch sehr spannend, und ich werde mal schauen, ob ich beim nächsten Bibliotheksstreifzug etwas zur historischen Entwicklung der Sexualität finde... aber so einfach kann ich dazu nichts sagen.

Du fragst: "Wird es noch liberaler oder konservativer?" Vielleicht ist ja das Spiel seit der Pille nicht mehr dasselbe. Für die Liberalität hatte Frau früher das Risiko einzugehen, mit unehelichen Kindern wirtschaftlich ruiniert zu sein oder bei der (illegalen) Abtreibung draufzugehen. Dementsprechend war die libertäre Haltung sicher nicht per se erstrebenswert.

Heute ist das anders, aber haben sich die Verhaltensweisen geändert? Der Umgang mit der erotische Anziehung von Mann und Frau scheint mir (von einigen Ausnahmen abgesehen) noch nicht auf dem Stand der biotechnischen Möglichkeiten angekommen zu sein. Soll heißen: Gegenseitige Annäherung, Kommunikation von Gefühlen und Wünschen, ist für die meisten Menschen immer noch ein großes Problem, obwohl im Grunde nicht viel zu befürchten ist. Aber für das, was Jahrtausende tabuisiert worden ist (aus den o.g. Gründen), kann man vielleicht auch nicht innerhalb von ein paar Jahrzehnten eine geeignete Sprache finden.

War Adolf ein armer Irrer, der seine Sexualität in Gewaltfantasien sublimiert hat? Bestimmt. Und: Warum sind Männer so versessen darauf, irgendeinen gehobenen Status in irgendeiner bedeutenden Organisation zu bekommen? Genau, weil Frauen das geil finden. Und Uniformen kommunizieren das so schön eindeutig, wer wo steht, und gut geschnitten sind die ja auch...

Lass mich das mal verallgemeinern: Ist der uniformierte, selbstbewußte, unbedingt erfolgreiche, gutaussehende, führende Mann nicht auch heute noch das Leitbild von Männlichkeit? Gut, die Uniformen sind vielfältiger geworden... aber da hätten wir doch einen Forschungsgegenstand, in der Frage, wie die entsprechenden Attribute zu ihrer Zeit gelebt und kommuniziert worden sind.

Die Herausarbeitung des Archetyps "Frau" übernimmt bitte wer anderes...
Entschuldige, ich kann gerade nicht so schnell antworten, mich hat die Grippe erwischt.

Also, ich stehe nicht so auf Uniformen. - Aber natürlich heißt es allgemein soziologisch gesehen, das Frauen Sicherheit wollen. - Das "erfolgreiche Männchen in der Horde" die besten Chancen hat.

Nun, ich bin mir da nicht mehr so sicher. Ich kenne Frauen, die durchaus für ihre Lebensgefährten den Unterhalt sichern. - Vielleicht wird da mal das Verhältnis Fifty-Fifty, und der Mann nicht nur der "erwählte Erhalter der Frau", sondern auch umgekehrt.

Nochmal zum Thema Zeitgeist, da gehört für mich schon die Entwicklung eines Staates dazu. Und wie da die Sexualität behandelt wird, ist durchaus ein Beweis für den kulturellen Zustand der Gesellschaft, meine Hypothese.

Beispiele:

In den 50iger Jahren des 20. Jhds., also nach den Nazis, war bieder und keusch die Mode. Selbst ein Lied wie "Aber der Nowak läßt mich nicht verkommen" konnte man nicht ohne weiteres kaufen; das lief unter Jugendschutz.
Das harmlose Lied war also ein Skandal. - Während vorher die Propaganda doch ganz anderes lief. Die" hehren, hohen Frauen" waren nicht nur Mütter für bald sterbende Soldaten, sondern auch gefährliche Trägerinnen eines dämonisierten Sexus, eben die "Überfrauen" der "Übermenschen".- Sehr zerstörerisch für alle anderen...

In Ex-Jugoslawien wurde in den 90igern das Ganze auch so der Welt vorexerziert. Vielleicht erinnerst Du Dich daran?

• Jetzt bist Du wieder dran.
Ich drück die Daumen, dass die Grippe Dich bald wieder loslässt...

Also, ich stehe nicht so auf Uniformen.

Interessante "Uniformen" sind heute auch eher bei Bankern, Juristen oder Fußballspielern anzutreffen, als bei Soldaten. Die Kommunikation von Rang und Status über Kleidung funktioniert bei Dir wirklich nicht?

Nun, ich bin mir da nicht mehr so sicher. Ich kenne Frauen, die durchaus für ihre Lebensgefährten den Unterhalt sichern.

Ob sie damit auf Dauer glücklich sind? Auch vermute ich, dass Frauen so etwas wie "Potenzialanalyse" machen. Es kommt gar nicht sooo darauf an, tatsächlich erfolgreich zu sein, sondern es reicht aus, so zu wirken, als könne man es. Woran Frau aber nun erkennt, ob Mann erfolgreich sein könnte, hängt zumindest teilweise von der psychologischen Prägung der Frau ab. Welche oft "nicht zielführend" ist.

Das harmlose Lied war also ein Skandal. - Während vorher die Propaganda doch ganz anderes lief.


Hmm... hört sich gefährlich an. Kann man das irgendwo nachlesen? Mein Eindruck ist eher, dass die 50er die Naziideologie noch ziemlich unreflektiert weitertragen.

http://www.schule-museum.de/frauenleben/seiten/5frauen.htm

Die Frau auf dem Bild aus den 50ern finde ich ziemlich süß... wenn ich den Text daneben lese - OMG! *alarm*
Toller Link, danke!

Natürlich war die Nazi-Ideologie in den Fifties noch da, dennoch wollte man die Andersartigkeit, den Neuanfang betonen, und der hieß für die Frau "brav und bieder".

Der Film "Die Sünderin" ist ein Beispiel dafür, er war skandalös, weil es EINE Szene darin gab. Da gab es die große Empörung.

Beim 3. Reich gab es auch in relativ harmlosen Filmen Oben-Ohne-Tänzerinnen. Ein dämonisierter Umgang mit Sexualität hat nichts mit Liberalität zu tun, genauso wenig wie das brave 50iger Frauchen.

Das Lied "Aber der Nowak läßt mich nicht verkommen" nimmt das alles auf die Schippe. - Diese Info habe ich durch mein Bayern2 hören, der Sender hat öfter ganz gute Threads.

Etwas stotternd das Ganze; meiner Grippe geht es gut, mir nicht. *aspirin*
"Der Geist der Zeiten ist der Herren eigner Geist" (Goethe)

Wenn Du neugierig quer durch ca. 6000 Jahre Geschichte und Entwicklung der populärsten Kulturen und Kontinente schlendern würdest, kämst Du auch nur zu dem Schluß:
Den Rahmen für Sexualität gibt immer die Moral vor, die Moral richtet sich nach dem "Zeitgeist" und der ist einerseits von den Existenzbedingungen abhängig, andererseits von den Interessen der Gruppe, die die Existenzbedingungen verwaltet.
Das bedeutet, dass der Umgang und die moralische Bewertung von Sexualität (Mann sein und Frau sein) immer einerseits durch Notwendigkeiten bestimmt wird, die das Überleben sichern und andererseits durch die Interessen derer, welche die Ressourcen in der Hand haben.

Die von unbedarften Gemütern gerne gepriesene sexuelle Freiheit von "Naturvölkern", ist sehr viel mehr als unsere Kultur an Notwendigkeiten gebunden, die ihr Lebensraum bestimmt. Überleben ist im wörtlichen Sinne der Schwerpunkt ihrer "Moral".
Und entsprechen ist Sexualität in der Praxis viel rigider reglementiert.

Bei den Massai z.B. dürfen junge Krieger und Mädchen, vor der Geschlechtsreife der Mädchen, sexuell miteinander tun und lassen, was sie wollen.
Geschlechtsreife bedeutet für das Mädchen, dass es beschnitten wird und einen älteren Mann bekommt, der kein Krieger mehr ist, um mit ihm Kinder zu haben.
Die jungen Krieger sind für diese Mädchen dann tabu. Der Job eines Kriegers ist es nicht, Kinder groß zu ziehen, wenn sie aus dem Kriegeralter heraus sind, bekommen sie eine beschnittene Frau. Die noch nicht geschlechtsreifen Mädchen sind für sie dann tabu. Von den älteren Männern erwartet man, dass sie erfahren genug sind, um innerhalb des Stammes soziale Verantwortung zu übernehmen.
Warum die Mädchen beschnitten werden, kann man sich denken.

Sexualität und soziales Zusammenleben sind genetisch und kulturell unweigerlich verknüpft.
Durch die Industrialisierung, zwei Kriege und die Pille haben sich die wirtschaftlichen und soziokulturellen Voraussetzungen für Sexualität in der BRD grundlegend verändert.
Die wesentliche Veränderung seit der Industrialisierung ist für unser Land, dass Frauen zunehmend gleichberechtigt leben können, das bedeutet: Sie sind in ihrer Sexualität theoretisch rechtlich, moralisch und finanziell unabhängig von einem Mann.

(Karl der Große hat seinen Töchtern hier alle Freiheiten gewährt, was zumindest seiner politisch vertretenen Haltung widersprach, aber machtpolitisch hat er sich dadurch, zumindest auf die Töchter und deren Kinder bezogen, die Füße frei gehalten.)

Ab den 70igern haben sich juristisch wesentliche Dinge verändert.
Zum Beispiel wurde in Anpassung an die Tatsache, dass der Aufbau der BRD auf Frauen als Arbeitskräfte angewiesen war, viele also längst berufstätig waren, das Recht des Ehemannes seiner Frau vorzuschreiben ob sie berufstätig sein dürfe, aufgehoben. Und Frauen durften ohne Einwilligung des Gatten die Pille nehmen.

Die sexuelle Freizügigkeit der 20iger haben Frauen initiiert, die finanziell und intellektuell unabhängig gewesen sind.
Das war keine allgemeine Haltung zu Sexualität, das war die Ausnahme.
Erst kurze Zeit zuvor wurden die ersten Mädchen zum Abitur zugelassen und durften Universitäten besuchen. Das waren keine Arbeiterkinder.
Hier galten strengste moralische Werte.
Um 1900 erklärte der Mann die Frau. Und er erklärte sie so, wie er sich die "Unterrassen" der Kolonien erklärte.
Die Ideologie des 3. Reiches schwelte bereits, als Hitler geboren wurde. Er hat nur den kolonialistischen Übermenschenwahn umgesetzt, den z.B. die 1918 gegründete Thulegesellschaft verkörperte. Und daran ist der dann auch gescheitert. Dass er die damals verlorenen Kolonien wieder holen wollte.
Der Natioalsozialismus war kein Phänomen, das an Hitler gebunden war. (Siehe Südafrika, Ghandis Geschichte ist wirklich interessant.)
Aber die Herren, die hinter Hitler standen und größtes Interesse an z.B. der Kolonialisierung hatten, ... egal. Heute nennen wir das Globalisierung.

Jede Zivilisationsstufe hat ihre eigenen Probleme. Jeder Fortschritt bedeutet neue Konflikte. Aus 1 gelösten Problem ergeben sich unendlich viele neue Probleme.
Unsere relativ stabilen wirtschaftlichen Verhältnisse und ein Lebensraum, den wir weitgehend unter Kontrolle haben, gibt uns in der Gestaltung unserer sozialen und sexuellen Beziehungen größere Freiheit, als es jemals in der Geschichte der Menschheit zuvor gab.

Der Erfolg des Homosapiens beruht nicht auf seiner Fähigkeit alles zu vögeln, was nicht bei 3 auf den nächsten Baum geflüchtet ist, sondern auf seiner Fähigkeit zu sozialer Interaktion und Kommunikation auf exklusivem Niveau. Zwischen sexuell definierten Menschen: Männlein und Männlein, Weiblein und Weiblein, Männlein und Weiblein.
Um eine stabile und zielgerichtete Ordnung in soziale Interaktionen zu bringen, hat man Sexualität immer wieder den Regeln des sozialen Zusammenlebens unterworfen.
Sexualität und soziales Zusammenleben gehören zusammen.

Dadurch, dass heute theoretisch jeder unabhängig von familiärer und nachbarschaftlicher sozialer Interaktion sein Leben bewältigen kann, haben soziale Kontakte an Verbindlichkeit verloren und die sexuellen mit ihnen.

Eins der daraus folgenden Probleme ist, dass Kinder in der Wunderwelt der Riesenwaschkraft ohne komplexe und verbindliche soziale Einbindung groß werden.
Ein anderes, dass durch diesen Verlust verbindlicher sozialer Kommunikation die Informationen oberflächlicher werden und immer weniger Bezug zur komplexen Realität haben.
Und dann ist da noch die Tatsache, dass kaum ein Mensch auf diese Weise dauerhaft glücklich und zufrieden leben kann.
Wir sind nämlich nicht wirklich frei. Wir haben nämlich menschliche Bedürfnisse.
Das bedeutet nicht, dass wir in alte Strukturen zurück fallen müssen, wir müssen einfach neue entwickeln, müssen herausfinden, welche Lösung unseren Bedürfnissen gerecht wird.

Neu ist, dass wir unsere Sexualität nicht Notwendigkeiten unterordnen müssen, das bedeutet, wir müssen selbst Verantwortung dafür übernehmen.
Das größte Problem dabei scheint immer zu sein, dass
persönliche Freiheit und Beziehung als antagonistischer Widerspruch
interpretiert werden.

Dieses Problem löst die Generation nach uns, denen wir Freiheiten geben, ohne ihnen wirklich zeigen zu können wie man damit gescheit umgehen kann.
*top2*
Das war ein Beitrag !
Danke Ludivine,

ich hab in Foren selten was so richtiges und durchdachtes gelesen!

Zu dem was Du zu den zwanzigern gesagt hast möchte ich noch eine Ergänzung machen. die 68 waren eine ähnliche Legende.
Freie Liebe, Frauen befreit.... ich halte das für ein Gerücht.
Sicher durch die Pille und den Wohlstandsschub haben sich gewisse Dinge geändert ABER nicht die grundsätzliche Einstellung. Ja es gab einige Kommunen, die ja auch durch die Presse gegangen sind. Aber was war denn da wirklich? Bei weitem nicht die "Befreiung", die alten Muster hatten auch noch weiter Ihre Gültigkeit. Ich kann mich noch daran erinnern, es gab zu der Zeit (ja - o.k. ich bin noch nicht soo alt - es waren die frühen 70ger) ein Mädel mit dem eigentlich alle meine Kumpels Sex hatten und damit geprahlt haben - oh was waren das für tolle Hechte. Merkwürdigerweise haben alles das Mädel als "Drecksschlampe" bezeichnet - gut genug für Sex und toll, wenn man auch mal zum Zuge kam, aber doch eine ziemliche Einbahnstraße.

Ich sehe das so, mit dem steigenden Wohlstand sind die Zwänge des Überlebens (und der Sicherung, dass die eigenen Gene überleben) verloren gegangen bzw. einfacher geworden. Jeder kann überleben - der Zwang sich gemeinsam die Existenz zu sichern ist entfallen.
Aber sind wir dadurch wirklich "freier" geworden? Ich glaub eher nicht.
Ja, auch ich nicht. Ich genieße den Sex, ich will mehr davon, nur ich denke es gibt noch mehr und wir können uns 1000000 Jahre Evolution nicht einfach wegfegen. Dazu ist der Mensch im Grunde immer noch ein viel zu primitives Lebewesen.

Wir haben auch heute noch die Situation, daß wir zwar viele Dinge "offener" tun. Aber im Grund gelten die alten Gesetze doch noch immer. Es ist auch so -NACH MEINEM EMPFINDEN - daß viele Männer noch immer ein Problem damit haben anzuerkennen, das Frauen das sexuell das stärkere Geschlecht sind. Es ist nicht so schwierig für eine Frau hintereinander mit 10 Männer Sex zu haben und jeden von denen richtig zu befriedigen - Ich bin zwar nicht impotent - aber weit davon entfernt das mit 10 Frauen zu machen.

Wir sind doch im Grunde immer noch auf der Jagd nach dem Einen auch wenn wir das nicht zugeben wollen.

Die Sexualität für mich ein Bild von dem, was uns die Umwelt, Medien etc. vorspiegeln und ich mach mir schon manchmal Gedanken - was es eigentlich ist, das mich antreibt.... wie manipulierbar bin ich eigentlich.... was ist es was mich wirklich glücklich macht....
Wirklich sehr schön formuliert, Ludivine. Ich stimme Dir 100%ig zu, dass die Herausforderung darin besteht, neue soziale Modelle und Kommunikationstechniken zu finden, die es Menschen ermöglichen, tatsächlich glücklich zusammen zu leben. Allerdings möchte ich das nicht auf die nächste Generation verschieben.

Und: Deinen Optimismus hinsichtlich unser historischen Situation teile ich nur bedingt. Natürlich ist die Trennung von Sex und Fortpflanzung ein großer Schritt. Und ebenso das die materielle Existenz eines jeden von uns mittlerweile selbstverständlich ist. Dadurch werden die moralischen und juristischen Gesetze zur Regelung der Sexualität hinfällig oder zumindest fragwürdig.

Wie Du selbst schreibst:
.. und andererseits durch die Interessen derer, welche die Ressourcen in der Hand haben.
Nun würde ich das nicht personalisieren, sondern hier eher "Soziologie" am Werke sehen, aber: Die Mächte, die unsere Lebenswirklichkeit gestalten, scheinen mir eher nicht daran interessiert, dass wir erkennen, dass der Weg zum Glück nur über Erkenntnis und Selbsterziehung (und die womöglich darauf folgende Umgestaltung der Wirklichkeit) erfolgen kann. Stattdessen werden die Bedürfnisse der Massen in den Konsum kanalisiert.

Überlege nur mal, wie viele Menschen heute großen Aufwand betreiben, um Produkte von zweifelhaftem Nutzwert herzustellen und zu vermarkten. Und halte dagegen, wie wenige damit beschäftigt sind, Menschen zu helfen, sich selbst besser zu verstehen und ihr Leben erfüllter zu gestalten.

Das ist kein Zufall. Die Einsicht, dass das Unglücklich-Sein des Individuums nicht durch äußere Dinge, seien es Partner, Rang und Status, Waren oder ähnliches zu überwinden ist, sondern nur durch Erlernen einer reflektierten und ausgeübten sozialen Praxis, ist für das sozioökonomische System immer subversiv gewesen und ist es heute noch.

Soll heißen: Die Machtsysteme brauchen den manipulierbaren Menschen, dem sie ihre Ziele oktroyieren können. Das ist mit dem Menschen, der sich seiner Bedürfnisse bewusst ist und im Rahmen des ökonomisch Möglichen und menschlich Vertretbarem nach ihrer tatsächlichen Befriedigung strebt, nicht kompatibel. Dementsprechend schwierig wird der von Dir vorgezeichnete Weg für uns und die folgenden Generationen.

Noch zwei Links:

http://www.philosophicum.de/lh/frauen.htm

http://rationalrevolution.net/articles/capitalism_culture.htm

(insbesondere der Abschnitt "The Culture of Desire")
Allerdings möchte ich das nicht auf die nächste Generation verschieben.

Sicher bemühen wir uns und einige werden für sich Lösungen finden. Aber die Kinder, die sich zeitgleich in ihre Sexualität hinein entwickeln müssen, denen können wir nur viele neue Freiheiten und wenig Lösungen mitgeben.
Aber, das gehört zu den Aufgaben jeder neuen Generation.
Neue Lösungen zu finden und Probleme zu bewältigen, die die Generationen davor nicht lösen konnten oder geschaffen haben.

Sie sind mittendrin. Hör mal in das Stück "Menschen kommen, Menschen gehn" von Swiss rein.

Für mehr reichts heut nimmer * g *
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