Das Kühlwagen-Opfer ist sicher ein krasser Fall (und es bleiben Zweifel, ob man sich bei der Diagnose "Erfrieren" nicht irrte), doch ist natürlich etwas dran.
Ein Freund von mir, der sich als "harten" Realisten betrachtet und in Wahrheit ein ausgeprägter Pessimist ist, brauchte nötig ein bei seiner Apotheke bestelltes Medikament. Die Apotheke, die keinen Lieferservice anbietet, schließt bei ihm um 18.30 h. Sein Auto war aber in der Werkstatt, es hätte um 16 h da sein sollen. Nun kam es aber um 18.10 h.
Am Telefon klagte er mir sein Leid, dass er nun in der Nacht vermutlich schwere gesundheitliche Probleme kriegen würde. Weil er es zeitlich nun mit Sicherheit nicht mehr schaffe, zur 5 km entfernten Apotheke zu kommen. "Realist" eben.
Mit viel Druck überredete ich ihn, es dennoch zu versuchen, trotz dichten Verkehrs, trotz "die schließen eh immer 5 Minuten eher". Er sollte anrufen, damit sie auf ihn warten, aber er meinte, da habe er schon mit anderen Menschen schlechte Erfahrungen gemacht - der eine sichert Warten zu, und dann kommt man und der andere hat den Laden trotzdem geschlossen.
Am Ende hatte ich ihn durch Drängen so weit, dass er tatsächlich 18.18 h noch aufbrach (ihn überzeugte das Argument, er habe ja nichts zu verlieren). Er erreichte die Apotheke tatsächlich um 18.26 h, denn die Straßen waren ganz frei. Und in der Apotheke erfuhr er, dass diese schon seit einem halben Jahr bis 19 h geöffnet hat.
Mein Optimismus sicherte ihm eine gesunde Nacht, sein Pessimismus hätte ihn ohne jede Not in Schwierigkeiten gebracht.
Ist der "Realismus" der Pessimisten nicht einfach nur Pessimismus? Für "real" hält man immer die Dinge, die ins eigene (pessimistische oder optimistische) Denken passen. Beide Richtungen werden immer wieder Bestätigungen für ihre Haltung finden - doch die der Pessimisten sind tendenziell schädlicher.