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Jenseits der Diskussionen, was zukünftige Energiewege sein können, zeigt die Katastrophe in Japan, wie empfindlich die Infrastrukturen moderner Staaten und wie abhängig wir von Hochtechnologie sind.
Grundsätzlich ist gegen diese Abhängigkeit erst einmal nichts zu sagen. Ein Kohlekraftwerk setzt im Normalbetrieb ein Vielfaches der Radioaktivität eines AKWs frei... im Normalbetrieb...!
Fraglich ist, was genau an Radioaktivität freigesetzt wird und welche Auswirkungen das hat.
Jenseits jeder Diskussion, welche Technik ein AKW verwendet, um Energie zu erzeugen, sind die Risiken bei allen Arten der Energieerzeugung mit spaltbarem Material sehr hoch und durchaus ähnlich.
Dies gilt bereits für den Normalbetrieb. Entsprechend hochkomplex ist die Technik und sind die Notfallpläne ausgelegt. Hohe Komplexität ist immer fehleranfällig und damit risikoreich! Für den Unfall-/Notfall Betrieb gibt es eine Reihe von Szenarien, die genau definiert sind und auf denen die Notfallpläne beruhen. Aber geplant werden kann nur, was in der Phantasie der Planer erdacht wurde! Problematisch und fehlerbehaftet können schon die Grundannahmen zu den Szenarien sein.
So hat bei der Konstruktion der ersten Atomkraftwerke niemand einen Absturz von Kampfflugzeugen in ein AKW berücksichtigt. Das war so einfach nicht denkbar. Keines unserer Kraftwerke in Deutschland hingegen kann bis heute den bewußt herbeigeführten Absturz einer großen Passagier- oder Frachtmaschine überstehen (9/11 Problem). Dafür sind sie einfach nicht konstruiert!
Was Erdbeben betrifft, liegen mehrere Kraftwerke auch in Deutschland in Risikozonen. Hier sind sie auf Erdbeben ausgelegt, wie sie hier - und nicht in Japan, die wurden deutlich höher ausgelegt... - angenommen werden. Die Annahmen für die japanischen Risikobewertungen "Erdbeben" lagen offenbar unter dem, was sich nun tatsächlich an Risiko in Form eines extrem selten, starken Bebens ereignet hat. Das ein Erdbeben zB im Rheingraben alle Annahmen zur Stärke übertreffen kann - und damit alle Risikomargen für die technische Konstruktion der hisigen AKWs... - ist nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen.
Das solch ein Beben nur alle 100.000 Jahre statistisch gesehen stattfindet, hilft uns nicht weiter, wenn es in unserer Lebenszeit stattfindet. Sofern es jetzt stattfindet, ist es nicht sicher, dass das nächste schwere Beben auch erst wieder in 100.000 Jahren stattfindet. Es kann sich drei Tage nach dem ersten Extembeben verwirklichen oder nach 1Mill Jahren.
Außerdem können Kühltechniken aufgrund von Stromausfällen auch hier versagen oder ausfallen. Ein Zusammenbruch regionaler Energieversorgungsnetze ha es schon gegeben (zuletzt vor drei Wintern im Münsterland...) und das kann zum Ausfall selbst redundant angelegter Notstromversorgungssysteme führen.
Darüber hinaus sind in Japan ja gleich drei Katastrophen passiert.
Ein "relativ harmloses", für Japan normale Erdbebengeschehen, wenn auch in ungewöhnlicher Stärke. Aber Erdbeben "kann" Japan! Folge war eine zweite Katastrophe in Form eines verheerenden Tsunamis, der in einem Großraum sämtliche Strukturen zerstört hat. Das alleine reicht, um die Katastrophenschutz- und Rettungssysteme eines Staates zu überfordern. Nun kommt die bislang noch unter dem worst case Szenario liegende Atomkatastrophe dazu. Alleine die Evakuierung von ca 200.000 Menschen, die wahrscheinlich nicht mehr in ihre verstrahlten Wohngebiete zurückkehren können, stellt eine ungeheure logistische Herausforderung dar. Und damit ist noch nicht einmal das Ende der Fahnestange bezüglich der tatsächlich notwendigen Evakuierungen erreicht. Aber für solche Operationen gibt es leistbare Grenzen. Den Großraum Tokio zu evakuieren ist so unmöglich, wie das Ruhrgebiet und den Köln/Bonner Raum innerhalb von 72 Stunden zu evakuieren.
Alleine unter der Annahme, das 210.000 Menchen evakuiert wurden - statistische Drei-Personen-Haushalte - und jeder dieser Haushalte ca. 500.000 Euro an Sachwerten verliert, beträgt nur dieser Schaden bereits 35 Milliarden Euro. Die Traumatisierungen lassen sich nicht beziffern und die Verluste an Infrastruktur - vermutlich ein vielfaches - noch nicht. Diese Dimensionen sprengen das, was denk- und beherrschbar ist.
Und da sind wir noch nicht beim Supergau... der sich unter Umständen gleich an drei Orten in Japan abspielen könnte... wenn sich die Nachrichten, die durchkommen bestätigen und alle drei AWs durchgehen... (drei AKWs - mit jeweil mehreren Blöcken... nicht drei Blöcke!)!
Ich bete, dass das nicht passiert!
Darüber hinaus bin ich mal gespannt, ob die Japaner unter Umständen einen oder mehrere der Blöcke "kontrolliert" zu Explosion bringen, solange der Wind noch günstig steht und die Radioaktivität auf den Pazifik rausträgt, anstatt in den Großraum Tokio hinein... wäre eine weitere Alternative!
Für Japan spricht eine hohe Diszplin und Leidensfähigkeit der Bevölkerung. Nicht auszudenken, wenn sowas bei uns in einem Ballungsraum passiert...! Andererseits sind selbst regierungsamtliche Informationen sehr widersprüchlich. Das heißt, dass nur bekanntgegeben wird, was nicht zu verhindern ist, dass nach wie vor Informationschaos (die Chaosphase sollte nach 48 bis 72 Stunden vorbei sein...) herrscht, das es an der Prioritätenbildung fehlt und Japan verzweifelt um die Reaktoren kämpft.
Das alles erinnert mich so fatal an den blöden Spruch:
"Und mitten im größten Chaos sprach eine Stimmer vom Himmel zu mir: "Lächle und sei froh! Es hätte schlimmer kommen können!" Und ich lächelte und war froh... und es kam schlimmer!"
Das sieht nicht gut aus... der Supergau - unter Umständen mehrfach - wird sich in Japan wohl in der Realität verwirklichen.
Dabei könnte zu einem völligen Zusammenbruch und Ausfall Japans als Wirtschaftsnation auf einige Jahre hin führen. Ich bin mal gespannt, wie die Börsen sich morgen verhalten!
Und niemand braucht anzunehmen, das wir auf so komplexe Mehrfachkatastrophen in der BRD oder in Deutschland besser vorbereitet sind, als die Japaner! Ein Geschehen wie in Japan ist weder in Übungen planbar, noch in der Realität beherrschbar! Es kann nur um Schadensminimierung gehen...
Aber wir können Konsequenzen ziehen. Technologien sind immer anfällig. Aber die Folgen eines denkbar schweren oder undenkbaren und unfassbaren Geschehens oder Technikversagens dürfen nicht die Lebensgrundlagen eines Großteils der Bevölkerung auf Generationen hinaus zerstören. Genau das aber tut Atomkraft gerade in japan und hat es in der Ukraine getan...! Und da sind wir noch lange nicht bei der ungelösten Endlagerfrage!
Also muss ein erster Schritt sein, die unsichersten und nicht nachrüstbaren AKWs in Deutschland sofort kontrolliert vom Netz zu nehmen, die Sicherheitsanforderungen für die anderen, verbleibenden drastisch zu erhöhen (was aber die Beherrschung komplexer und damit fehleranfälliger macht...), die Laufzeitverlängerung politisch sofort wieder einzukassieren und die anderen AKWs so schnell, als möglich - und das ist viel schneller, wie bisher geplant - vom Netz zu nehmen.
Mit sind stundenweise Stromabschaltungen in Deutschland lieber, als die völlige Vernichtung zB der Lebensgrundlagen der Bewohner Hamburgs oder des Ruhrgebietes!
mc
... und by the way: Was völlig fehl am Platz ist, sind die persönlichen Auseinandersetzungen einiger Forenteilnehmen hier, angesichts des hunderttausendfachen Leides in Japan und dem, was uns allen - auch in Deutschland - an Verstrahlungen im Falle eines mehrfachen Supergaus droht!
Schämt ihr euch denn gar nicht...? Intelligenz hat offensichtlich mit guter Kinderstube und eines Restes menschlichen Anstandes in einigen Fällen hier nichts zu tun!