Kein Sommermärchen!
Ich mach jetzt mal den Spielverderber und kehre zum Thema zurück, gönne aber allen die Kekse.
Ein „Sommermärchen“ kann man nicht a priori herbeireden, so was entwickelt sich einfach. Und ob es daran liegt, dass es zu krampfhaft herbeigeredet wurde oder das man so was überhaupt nicht planen kann – aber es passiert eben nicht. All die, die im Vorfeld mit einem beispiellosen Medienhype, vom extra gedrehten „Tatort“ bis zum Panini-Sammelbildchen nichts ausgelassen haben, die Begeisterung künstlich zu befeuern, können jetzt nicht liefern. Die deutsche Frauennationalmannschaft, die aus Gendermainstreaminggründen schon vor der ersten Ballberührung scheinbar alle Männermannschaften seit 1954 locker abgehängt zu haben schien und die sich eher mit Pietätsproblemen rumschlagen musste („keine zweistelligen Siege, das wäre unhöflich“), spielt auf einem Niveau, das näher an der Faszination einer Jahrmarktattraktion lieg als auch nur annähernd „weltmeisterlich“ zu sein. Es erinnert mehr an die Faszination bei den Paralympics: Wenn beim Hochsprung der Einbeinigen manche Springer über 1,90 Meter (!) springen, mag man seinen Augen nicht trauen, doch bleibt das eben einen halber Meter unter dem normalen Weltrekord. Ich bewundere die Sportler, die das schaffen, aber keiner von denen käme auf die Schnapsidee, sich ernsthaft mit Javier Sotomayor zu vergleichen.
Aber genau das passiert in den Medien. Und jeder, der das in Frage stellt, ist mit einer Beschimpfung als „Chauvi“ noch gut weggekommen. Den trifft die volle Wucht der SchwarzerRothEmma-PC-Fraktion. Die Spielerinnen selbst können am wenigsten dafür; weder haben sie die Medien beauftragt, noch profitieren sie davon, im Gegenteil. Schlimmstenfalls ergiesst sich bei einem Scheitern die geballte Häme all derer, die es schon immer gewusst haben, aber sich erst aus der Deckung trauen, wenn es „common sense“ und somit gefahrlos möglich ist. Und alles andere als der Titel, der momentan in weite Ferne gerückt scheint, wäre ein Misserfolg. Ein klassisches Drama, wo der Held eigentlich nur scheitern kann.
Ich habe ein Sommermärchen erlebt, und zwar im Jahre 1990. Da spielte eine junge deutsche Mannschaft, von der man eigentlich den „Rumpelfußball“ der 80er unter Schwerathleten wie Hans-Peter Briegel („die Walz aus der Pfalz“) gewohnt war, auf einmal alle Gegner in Grund und Boden. Matthäus entzauberte Maradonna, und die Lichtgestalt des Fußballs drehte nach dem Gewinn der WM einsam seine Runden in der Mitte des Stadions.
Wie magisch zog es uns nach dem Schlusspfiff in die Innenstädte. In Düsseldorf, wo ich damals wohnte, feierten Hunderttausende eine unfassbare und friedliche Party bis in den frühen Morgen. Keiner hat das herbeigeschrieben, es passierte einfach. Unerwartet, aber eben auch unnachahmlich.